Der Dienst endet mit dem Tod.
#4
Und plötzlich war ihr Ehemann wieder da. Während sie ihrem Pferd mit ihren Fingern einige Flechten aus der Mähne kämmte, tauchte er hinter ihr wie aus dem Nichts auf. Sie drehte sich langsam um, ihr Herz klopfte bis zum Hals, und betrachtete Kyron, der mit Arbeit bepackt im Dämmerlicht der hereinbrechenden Nacht nur wenige Schritt weit von ihr entfernt stand.
“Und rate mal, wen ich mitgebracht habe. Er schläft gerade in der Wachstube …”

Cahiras Blick schwirrte einen Moment in diese Richtung, dann rannte sie los ohne wirklich einen Gedanken gefasst zu haben. Nahm zwei, drei Stufen auf einmal zur Anhöhe hinauf, ignorierte das Stechen im Bein, und trudelte atemlos vor Aufregung in die Wachstube, nur um wenige Augenblicke später am Bett zu stehen, in dem ihr Sohn schlief. Ein Daumen im Mund, das dunkle Haar zerzaust, die Wangen verschmiert, die Kleidung befleckt und doch so klein, unschuldig und arglos, wie ein Kind in diesem Alter nur sein konnte.

Das war der Moment, den sie sich die letzten Tage herbeigesehnt aber vor dem sie sich auch gefrüchtet hatte. Sie hatte ihren Sohn vermisst und die Erinnerung an den kleinen Mann, wie er an Seáns Hand an der Anlegestelle gestanden und ihr tapfer zugewinkt hatte, als sie von Svesur abgereist war, hatte ihr Tränen in die Augen getrieben. Des Öfteren hatte sie auch an ihre Sippe gedacht, was wohl gerade an der Tagesordnung war und sich vorgestellt, wie ihr Bruder Jovane beispielsweise morgens Heu zu den Pferden schaufelte, ihre Schwägerin Brotteig knetete oder ihr Vater seinem Enkel eine gute Nacht Geschichte erzählte, die den Jungen wieder viel zu lange wachhalten würde.

Ja, es hatte sie geschmerzt, von ihrem Sohn getrennt leben zu müssen - aber weder die anfängliche Unsicherheit, was den Verbleib von Kyron, Kordian und der restlichen Truppe anging noch ihr wieder aufgenommenes Leben als Soldat waren für einen vierjährigen Knirps ein geeignetes Umfeld. So hatte sie nicht gewusst, was sie sich eher gewünscht hatte: Kyrons Erfolg - den Beweis, dass Aidan tot war und keine Gefahr mehr darstellte - und seine alleinige Rückkehr, oder seinen Mißerfolg und damit bedingt die Rückkehr mit Lionel, damit dieser bei Vater und Mutter in Sicherheit war.

Kyron, der langsamer nachgekommen war, erzählte ihr dann die Geschichte seiner Reise und Cahira lauschte mit angestrenger Miene. Sie ahnte, dass er nicht alles genauso berichtete, wie es vielleicht tatsächlich vorgefallen war, manchesmal huschte ein besorgt, nervöser Ausdruck über sein Gesicht. In der Tat musste die junge Frau sich bei einigen seiner Ausführungen ins Gedächtnis rufen, dass es für Kyron ein Schock gewesen sein musste, plötzlich für einen vierjährigen Jungen sorgen zu müssen, er hatte schließlich keine Erfahrung im Umgang mit Kindern. Lionel war gerade mal ein Jahr alt gewesen, als die Götter sie getrennt hatten. Cahira lachte beinahe hysterisch und konnte sich kaum fassen, als er - Drachentöter, Städteeroberer, gewandter Krieger - es nicht zu schaffen vermochte, einen kniehohen Knirps zu baden. “Er hat nein gesagt!” erklärte ihr Ehemann ernsthaft.

Nein, sie wollte sich nicht lustig machen, aber die Vorstellung war zu komisch und die ganze Situation zerrte an ihren Nerven. Aidan wahrscheinlich nicht tot, irgendwo irrsinnige Pläne schmiedend. Vater und Schwiegersohn zerstritten. Lionel sauer auf Kyron, den er mit galatianischen Schimpfwörtern bedachte und nicht als Vater anerkennen mochte, da Seán sich geweigert hatte, es dem Enkel begreiflich zu machen, wer ihn da aus seiner gewohnten Umgebung riss. Menschenfressende Bäume und Ravinsthaler Räuber vor der Haustür. Ein Wolf, der sein Rudel beschützen wollte. Ein Soldat, der damit zu kämpfen hatte, Schritt zu halten und zu alten Formen zurückzukehren. Und nun ein kleines, hilfloses Kind, welches versorgt werden musste.

Ehe die Panik sie vollkommen übermannte, denn wie konnte sie dies alles zum Besten wenden, gemahnte sie sich einer Sache, der wichtigsten vielleicht überhaupt: Kyron war unversehrt zurückgekehrt, ihr Sohn schlief wohlbehalten im Nebenzimmer, Kordian und Cois waren auf Wachgang; die Familie - wenn auch noch nicht gänzlich - war wieder zusammen. Wie immer musste sie einen Schritt nach dem anderen machen, alles weitere würde sich fügen. Und der erste Schritt am nächsten Morgen war ein langes Bad für einen kleinen sturköpfigen Knirps.
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Der Dienst endet mit dem Tod. - von Cahira Mendoza - 26.04.2015, 02:21



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste