Befehle vergangener Tage
#2
- Unter allen den Eigenschaften, welche zum guten Feldherren gehören, ist am unentbehrlichsten eine Willensstärke, die jeden Widerspruch nicht allein zum Schweigen, sondern zum freudigen Gehorsam zwingt. Alle anderen Eigenschaften mögen vielleicht durch einen guten Generalstab ersetzt werden; die Haupteigenschaft nicht – niemals. -


Das sollte es also gewesen sein? Die Verstärkung zu weit entfernt um in den nächsten Minuten einzutreffen, noch 11 kampffähige Männer und über zwanzig Verletzte. Kaum noch Pfeile und Bolzen, geschweige denn heilende Tinkturen. Sein Blick schweifte über die Gesichter der Männer die ihn umgaben. Sie waren von Dreck und Müdigkeit gezeichnet, die letzten Stunden des Kampfes tief eingebrannt in ihren Zügen.
Stellung halten und auf Verstärkung warten, immerzu wiederholte er diese Worte in seinem Geiste. Ein guter Soldat zieht sich nicht zurück, diese Doktrin wurde ihm während der Ausbildung immer wieder eingehämmert. So wie er sie auch später an seine Rekruten weiter gegeben hatte. Sollte dies der Leitsatz werden an dem er festhalten würde, egal was geschah?
Prüfend betrachtete er die kleine Anhöhe, ein wenig Gestrüpp, ein paar umgefallene Baumstümpfe und einige Bäume. Nicht gerade die ideale Schanzung für den bevorstehenden Kampf, aber man nahm was man bekam. Immerhin waren die meisten der Verwundeten hier oben gesammelt und sogar notdürftig versorgt worden. Sie abzutransportieren wäre sowieso nicht möglich gewesen, und die blutenden Soldaten im Stich zu lassen und der Willkür der Feinde auszuliefern kam nicht in Frage.
„Bereit machen zu Verteidigung! Wir werden diese Stellung halten. Sie werden es nicht wagen, uns zu ignorieren und einfach weiter ziehen. Sie werden versuchen uns erst aufzureiben. Bogenschützen die rechte Flanke sichern. Wenn sie kommen werden wir unsere Haut teuer verkaufen, es wird kein Schritt Boden preisgegeben, ein Rückzug kommt nicht in Frage. - "Cahira Mädchen, HIERHER!“
Rasch erschien die junge Unteroffizierin wie ihr befohlen wurde. „Jawohl?“
„Du wirst zusehen, dass du es bis zu einem der Pferde am Gehöft schaffst, dort wirst du dann so schnell wie es geht in Richtung unserer Truppen aufbrechen und melden in welcher Lage wir sind, sie sollen gefälligst die Beine vom Arsch schwingen und zusehen dass sie her kommen. Sonnst behältst du wirklich noch recht und sie haben uns am Arsch. Los Mädchen, sieh zu dass du weg kommst!“ Kurz salutierte er in bester militärischer Art vor der Unteroffizierin, dann gab er ihr freundschaftlich einen Klapps auf die Schulter. Den Gruß erwidernd blickte ihn Mendoza noch einen Herzschlag lang an, sich nicht schlüssig was sie erwidern sollte. Doch dann sagte sie das was ihr als Erstes in den Sinn kam: „Jawohl, verstanden!“ Sich schon drehend auf dem Absatz hielt sie noch kurz inne um in einem wesentlich leiseren Ton noch hinzuzufügen, „Viel Glück.“ Dann jedoch griff sie im Laufschritt ihre Sachen und begab sich die vorhandene Deckung ausnutzend Richtung des Gutshofes.
Gedankenverloren liess er seinen Blick über den abendlichen Himmel gleiten. Die Sonne war im Begriff hinter dem unendlichen Horizont zu versinken und füllte den Himmel in ein sattes blutiges Rot. Wirre Gedanken kreisten durch seinen Kopf. Gedanken an Abende in einer Schenke, an die Arbeit in der Garnison, leichte Mädchen und Ale. Keiner der Gedanken würde ihn hier weiterbringen, das wusste er genau. Doch war es ein Stück Erinnerung, ein Stück Heimat das ihm vor Augen hielt, wieso er hier stand und wieso er kämpfte. Jäh aus den Gedanken gerissen wurde er durch einen an ihn herantretenden Soldaten. „Melde gehorsamst, Vorbereitungen abgeschlossen. Bereit zur Verteidigung.“ Die Meldung beendend und zu ihm aufschauend stand der Soldat vor Ihm.
„Gut gemacht, geht auf deine Position Soldat,“ erwiderte Kordian in einem schon fast als freundschaftlich durchgehenden Tonfall.
Das Schwert aus der Waffenscheide ziehend und das Schild am Arm festschnallend ging er zu seinen Männern.
„Also gut, die Verstärkung wird in wenigen Augenblicken hier sein, wir müssen nur lange genug standhalten und dann werden wir noch heute Nacht einen guten Met zusammen trinken. Ihr seid gute Soldaten und ich bin jetzt schon stolz auf euch. Kämpft wie Ihr es gelernt habt und eure Familien werden genauso stolz auf euch sein.“ Die Waffe kurz vor die Brust hebend und dann mit kräftiger Stimme rufend „Für Land und Herzog“ ließ er seinen Blick über die Männer gleiten.
„Für Land und Herzog,“ schallte es wie aus einer Kehle ihm entgegen. Grimmige Entschlossenheit lag auf den Gesichtern der Soldaten.

Er hasste es, ihnen diese Lügen erzählen zu müssen. Wenige Minuten? Nein, egal was passierte, die Entsatztruppen würden frühstens in etwas über einer Stunde da sein können. Das würde niemals ausreichen. Er hatte sie bis hierher gebracht, den Rückzug verweigert. Nur seine Befehle im Kopf gehabt. Nur er alleine war verantwortlich für das Schicksal dieser Männer.

Er hatte diese Schuld auf sich geladen.

„Sie kommen!“ rief einer der Soldaten aus...

„Bereit zur Verteidigung! Wir werden nicht zurück weichen!“
Sich zur vordersten Linie begebend ließ er den Blick den Hang abwärts wandern. Dreißig Mann bewegten sich in geschlossener Formation auf sie zu, Schilde voran, allesamt leicht gerüstet, Kette und Leder. Es war sowieso zu spät für einen Rückzug, also konnte er genauso gut sein Leben zu einem hohen Preis verkaufen.
„Schützen, Pfeile los!“ bellte er, den Blick nicht von den Angreifern abwendend. Salve um Salve schossen die Pfeile und Bolzen den Hang hinab, wohl so manch einen der feindlichen Soldaten von den Beinen holend. Die Schilde wurden angehoben, die erste Reihe sich hinkniend während die nachfolgende Reihe ihre Schilde schützend über die ersten hielt.
Zumindest konnte man sie kurzzeitig zum Stehen bringen. Ein vielsagendes Lächeln huschte Kordian über die Lippen. Sie würden nicht ewig so verharren, vielleicht nur warten bis die Bolzen und Pfeile alle waren, oder andere Truppen nachrückten, vielleicht warteten sie auch nur auf einen der verdammten Kuttenträger oder die Kavallerie.
Wieder rasten seine Gedanken, doch keinesfalls mehr Sinn und Logik eines Anführers folgend, Durst nach Blut vernebelte seine Gedanken. Die Schreie seiner Männer in der Ebene hatten sich in seine Erinnerungen eingebrannt.
„Bereit machen zum Sturmangriff!“ rief er aus heiserer Kehle, das Schwert hoch hebend und in den Hang abwärts deutend. Zweifelnd blickten sich die Männer um, hatte er doch noch vor wenigen Augenblicken gesagt das die Verstärkung bald hier sein würde. Wieso nun die schützende Deckung verlassen und sich solch einem Wahnsinn preisgeben?
Dann, zögernd, quälend langsam stahl sich die nüchterne Gewissheit in Ihre Blicke. Es würde keine Verstärkung kommen. Sie waren alleine.
Eine Mischung aus Wut, Trauer, Erkenntnis und bangem Erwarten stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Was würden ihnen die nächsten Minuten wohl bringen?
„Blut und blutige Asche, ich habe gesagt fertig machen zum Sturmangriff. Habt ihr euer letztes Bisschen Mumm verloren? Wenn Ihr schon verrecken werdet, dann wenigstens mit dem Schwert in der Hand und im Angriff! Bei Gwynn und Morrigù wenn das unser Ende ist dann lassen wir es wenigstens ein Ende sein das unserer würdig ist!“ Der blanke Hass stand in seinen Augen geschrieben. Sich zu dem Hang drehend hob er das Schwert hoch über seinen Kopf, griff den Schild fester mit der Linken und brüllte aus Leibeskräften „Angriff!“, sogleich ohne sich ein weiteres mal umzublicken mit immer schneller werdenden Schritten den Hang abwärts stürmend. Nur das Klappern der Rüsten verriet ihm das seine Männer ihm folgten; einige Schritte hinter Ihm, aber sie folgten. Ohne ein weiteres Wort auf den Lippen, ohne einen Schrei rannte er den Hang hinab.
Gespenstisch still war es plötzlich geworden, nur das Klirren der Wehr, Metall auf Metall.
Mit grimmigen Blick rannten die Soldaten auf den Schildwall zu, sich des Todes gewiss.
Überrascht senkten die knienden Soldaten ihre Schilde ein wenig herab, sich wohl selbst nicht ganz sicher was sie da sahen. Kurze Blicke wurden getauscht, während die letzten Schritte von Kordian zurück gelegt wurden.
Kurz vor dem Schildwall hob er seinen Schild vor sich und sprang aus voller Kraft ab. Mit lautem Scheppern prallte er in zwei Schilde, die dahinter kauernden Soldaten von den Beinen fegend und sich mit ihnen zusammen über den Boden rollend. Noch im Aufstehen hieb er mit dem Schwert gegen ein Bein das in seiner Reichweite lag. Ein dumpfes Knacken konnte man hören als der Knochen unter der Wucht des Schlages splitterte. Kaum auf den Beinen hörte er abermals ein lautes Scheppern als seine Männer auf den noch fast gänzlich intakten Schildwall prallten. Der Klang das Kampfes erfüllte den Hang, die Schreie von Verwundeten gemischt mit knappen Befehlen und dem Klirren von Waffen.
Mit einem aus der Drehung geführten Schlag ließ er ein Schild zerbersten um gleich darauf dem ungeschützten Widersacher die Klinge tief in die Brust zu rammen. Noch rasch hob er seinen Schildarm um einem seitlich heran tretenden Gegner die Oberkante des Schildes in den Kiefer zu rammen, was diesen straucheln ließ. Er schindete gerade genug Zeit heraus, um mit einem raschen Tritt gegen das Knie diesen auf den matschigen Boden sinken zu lassen. Kurz trat er mit dem metallbesetzten Fuß fest gegen sein Gesicht, bevor er sich dann wieder zur Seite wendete und den nächsten Feind anvisierte.
Sein Blick fiel auf einen älteren Mann der gerade voller Entsetzen auf ein Stückchen Stahl blickte welches ihm aus der Brust ragte, von hinten durchbohrt floss ein kleiner Faden Blut mit Speichel vermischt über sein Kinn. Noch vor einigen Stunden hatte Kordian mit diesem Mann am Lagerfeuer gesessen und gescherzt wie viel sie für ihren Sold in der Schenke bekommen würden, wenn sie wieder in der Stadt wären. Etwas unsagbar Trauriges lag in Kordians Blick als es ihm in den Sinn kam was er hier getan hatte. Wozu er seine Männer gebracht hatte.

Hart traf ihn der Hieb von hinten gegen den Rücken, ihm die Luft aus den Lungen pressend. Ruckartig strauchelte er nach vorne, gegen einen der Kämpfenden prallend. So rasch es ihm eben möglich war versuchte er sich zu dem vermeidlichen Angreifer umzudrehen, den Schild etwas anhebend. Doch zu langsam war seine Reaktion gewesen, das Schwert sauste von oben herab auf seine Schulter, diese mit Leichtigkeit trotz der Platte brechend und seinen Schildarm dadurch zur Nutzlosigkeit verdammend. Ein schmerzvoller Aufschrei brach ihm aus der Kehle, kurz bevor er diesen heißen, stechenden Schmerz in seinem Bauch verspürte. Perplex blickte er an sich herab um zu erkennen wie ein kleines Rinnsal roter Flüssigkeit aus dem unscheinbaren Loch in seiner Brustplatte rann. Die Beine gaben unter seinem Gewicht nach und er sackte auf die Knie, der Schild nutzlos an seinem Arm baumelnd.
Die ganze Müdigkeit der letzten Tage schien nun auf einmal über ihn herein zu brechen, die Glieder von einer sich ausbreitenden Taubheit lahm geworden blickte er auf. Die Schreie der Kämpfenden und Sterbenden wie hinter einem dicken Schleier aus Nebel. Ein Husten erschütterte seinen Körper, bevor er dann letztendlich von jeglicher Kraft verlassen vorn über sackte und mit dem Gesicht im Dreck liegen blieb.

„Rückzug, wir müssen uns neu sammeln“ war das Letzte was zu seinen Ohren drang... dies und ein Horn das aus scheinbar unendlicher Entfernung geblasen wurde.. dann umfing Ihn die Nacht.

Langsam öffnete er seine Augen, sie brannten, alles schmerzte ihn. Jede einzelne Faser seines Körpers schien zu zerreißen. Er blickte sich in einem Raum um der durch dämmriges Licht nur schwach beleuchtet wurde. Doch erkannte er genug um Cahira Mendoza ausmachen zu können.
Diese Frau hatte es doch tatsächlich geschafft, die Truppen waren rechtzeitig gekommen.
„Cahira du bist unglaublich, du hast es geschafft. Du hast uns allen den Arsch gerettet Mädchen!“ Freudig klang seine Stimme trotz der Erschöpfung.
Gemächlich drehte sich Cahira zu Kordian um, einen Schritt näher zu seiner Liege machend.
Voller Entsetzen weiteten sich seine Augen als er in die eingefallenen Augenhöhlen seines Unteroffiziers schaute. Ein langgezogener Schnitt an der Kehle gab ihr Innerstes preis, zwei abgebrochene Bolzen aus ihrem Brustkorb ragend taumelte Cahira zu ihm heran.
„Du hast uns in den Tod geschickt. Du hast uns nicht erlaubt uns zurück zu ziehen. DU hast uns in den sinnlosen Tod geschickt.“ Fast nur ein Flüstern war die Stimme, doch schallte sie in Kordians Kopf wie der Ruf von tausend Männern.
„Nein! Ich hatte meine Befehle, du weißt genauso gut wie ich das dieser Brückenkopf wichtig war. Du warst bei der Besprechung dabei,“ fast flehend kamen ihm die Worte über die Lippen.
„DU bist Schuldig. DU bist ein Mörder. Du bist verdammt!“ mit diesen Worten zog Cahira einen Dolch aus dem Holster, alt und rostig, als ob er Jahre in der Erde gelegen hätte. Mit einer nicht geahnten Schnelligkeit hob sie den Dolch über den Kopf ihn in einer raschen Bewegung zu Kordian hinab führend...

„NEIN.....“ hallte es durch die nächtlichen Wälder Zweitürmens.
Aufrecht saß Kordian in seinem improvisiertem Lager im Unterholz, Schweiß überströmt Blickt er sich mit Panik in den Augen um...
Lernen durch Schmerz
Motivation durch Entsetzen
Festigung durch Wiederholung
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Befehle vergangener Tage - von Kordian - 26.03.2015, 20:02
RE: Befehle vergangener Tage - von Kordian - 01.04.2015, 18:11



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