Befehle vergangener Tage
#1
[OT: Kann Szenen von Gewalt enthalten]

Kein Plan überlebt jemals den ersten Feindkontakt

„KOPF RUNTER“, brüllte er laut, sich gleichzeitig selbst flach in den Dreck werfend und das Schild schützend über sich legend. Nur einen Herzschlag bevor erneut ein Hagel aus Pfeilen trommelnd über ihnen niederging.„Los verdammt, schwingt eure Ärsche hoch, ich will fünf Mann dort drüben bei den Bäumen sehen!“. Rasch deutete er mit dem Waffenarm die Richtung an, bevor er selber aufsprang und mit ausholend weiten Schritten die Entfernung zur nächsten Baumgruppe überwand. Mit einem lauten Klirren ließ er sich gegen den Baum fallen. Den Blick prüfend zu den fünf Männern drehend, welche im Sprint versuchten die von ihm zugewiesen Position zu erreichen. Angewidert verzog er das Gesicht, als sich ein heller Blitz über dem Feld entlud und mit lauten Getöse krachend einen der fünf von den Beinen riss.
Rasch beugte er sich um den Stamm herum um den Ursprung des arkanen Feuerwerks zu ergründen. „Blut und blutige Asche“ entfuhr es ihm, als er den berobten Mann mit erhobenen Händen nicht weiter als 80 Schritt vor sich bei einer Buschgruppe erblickte. Zu weit für einen Sprint, aber nahe genug für einen Bolzen. „Armbrust!“
Keuchend trat ein Armbrustschütze neben ihn in die Deckung, vielleicht 16 oder 17 Sommer alt. „Los Junge, 80 Schritt, diese Richtung. Schnapp dir den Kerl im Mädchenkleid“
Mit dem Arm die Richtung andeutend und so ihm das Ziel zuweisend, gab er die Order an den jungen Burschen weiter. Hektisch begann der Bursche die Armbrust zu spannen und den Bolzen einzulegen.
Kurz galt seine Aufmerksamkeit den übrigen vier Soldaten, die er soeben zu den Bäumen befohlen hatte. Gezielt spannten sie ihre Bögen, um Schuss um Schuss in die Reihen der feindlichen Invasoren zu jagen. Zufrieden quittierte er seine Beobachtung durch ein Nicken.
Erneut die Stimme erhebend, brüllte er über die Wiese „Mendoza MELDUNG!“ Ein kurzes und hartes „Jawohl“ galt ihm wohl als Antwort. Auf den Knien rutschend kam die junge Soldatin neben ihm zur Ruhe, gerade noch rechtzeitig bevor sich zwei Pfeile in die Baumrinde bohrten. „Melde gehorsamst, die haben uns am Arsch“
Kurz zuckte Kordians Mundwinkel nach oben, wohl nicht gerade so einen Ton von seinem Korporal erwartend. „Mach eine anständige Meldung, Soldat!“, fuhr er sie hart an.
Ein lautes Schnalzen verriet in diesem Augenblick das Verlassen des Bolzens aus der Armbrust neben ihm. „Jaa... das war's...“ war der Satz, den der junge Bursche angefangen hatte, jedoch mit einem „DECKUNG“ endete. Nur ein Augenschlag später fühlte Kordian eine Hitzewoge über sich hinweg gleiten, den unverkennbaren Geruch von verbrannten Haaren und Stoff in der Nase aufsteigend. Kurz lachte er grimmig auf: „Viel knapper hätte der nicht sein können!“. Mit einem Klopfen auf die Schulter bestätigte er dem Schützen seine Anwesenheit.
Doch blieb jener eine Antwort schuldig. Den Kopf zu ihm drehend erkannte Kordian erst jetzt, das dieser Angriff wohl doch mehr Erfolg erzielt hatte als er zuerst glaubte. Das zur Unkenntlichkeit verbrannte Gesicht des Jungen war eine aus Schmerz verzerrte Maske - als er einfach nach hinten überfiel, die Glieder zu verkohlten Stümpfen in einer grotesken Form verkrampft. „Blut und blutige Asche“, fluchte er unwirsch.
„14 Tote, 23 Verletzte. Wir können die Stellung nicht mehr lange halten. Entweder es kommen bald die versprochenen Truppen, denn wenn nicht werden sie nur noch unsere Reste aufsammeln dürfen. Die linke Flanke ist nicht mehr vorhanden. Sie haben den Fluss überquert und nähern sich nun von Süden an. Das Gehöft wird noch gehalten, aber langsam gehen den Männern die Ideen und Bolzen aus.“
Zügig sprach der Korporal alle wichtigen Details erwähnend, während Kordians Gedanken rasten. Über die Hälfte seines Trupps war außer Gefecht, der Rest über ein zu großes Gebiet verstreut um eine sinnvolle Verteidigungslinie aufzubauen, die Übermacht erdrückend.
Doch waren seine Befehle eindeutig. Die Stellung halten und auf Verstärkung warten. Kurz blickte er gen Firmament zu der sich senkenden Sonne über den Baumwipfeln. Vielleicht noch ein oder zwei Stunden. Dann wären die Entsatztruppen da und seine Männer würden sich erholen können. Doch was würde geschehen wenn sie nicht pünktlich kamen? Noch hatten sie den Korridor für einen Rückzug offen - noch würde es Ihnen wahrscheinlich gelingen sich aus dem Kampf zurückzuziehen.
Die verschiedenen Szenarien spielten sich in Windeseile in seinem Geiste ab.
„Die Verstärkung ist auf dem Weg, wir werden die Stellung hier halten bis wir abgelöst werden. Die Männer am Hof sollen sich zu unserer Position zurückziehen, neue Bolzen fassen und dann mit den Resten der dritten Gruppe eine neue Linie bei der Baumreihe dort aufbauen“, sprach er abermals mit einer Geste die Richtung weisend.
„Jawohl“ war die knappe Antwort, bevor sich der Korporal wieder den Schild anhebend und im Zickzack sprintend aufmachte um die Befehle ordnungsgemäß weiterzutragen.
Die leicht verkohlte Armbrust aufhebend prüfte Kordian rasch die Sehne in der Waffe. „Na wenigstens etwas das noch funktioniert“ murrte er vor sich hin als er den neuen Bolzen einlegte und die Waffe spannte.
„Dann wollen wir doch zeigen aus welchem Holz wir geschnitzt sind“, sprach er grimmig als er um den Baum herum in Anschlag ging, den Brustkorb des Magiers als Ziel im Auge.
Langsam krümmte sich sein Abzugsfinger .... bis der Schuss brach...

Mit einem für diese Waffe markanten Knall löste sich der Bolzen aus der Schiene und schoss auf das ihm zugewiesene Ziel. Die Welt schien still zu stehen, als sich der Bolzen um seine eigene Achse rotierend und für das menschliche Auge nicht sichtbar seinen Weg durch die Luft bahnte. Nur ein Bruchteil einer Sekunde dauerte es bis er den Magier erreichte, doch konnte dies eine Menge Zeit sein, wenn man sich in solch einer Situation befand. Und Kordian schien es als ob Minuten vergehen würden.
Mit einem dumpfen Aufschlag bohrte sich der Bolzen knapp unterhalb des Halses in die Brust des Zauberers, fraß sich durch Knochen und Innereien, nichts weiter hinterlassend als eine widerwärtige Masse aus Sehnen und Knochensplittern, die er bei seinem Austritt mit sich riss. Von der Wucht des Bolzens überwältigt torkelte der Kuttenträger zwei Schritte rückwärts, eine Hand in Kordians Richtung hebend. Das Gesicht verstellt durch die Überraschung, dann der Zorn über diesen hinterlistigen Angriff.. dann Erkenntnis, den Tod vor Augen sackte der Magier auf seine Knie. Er kippte stumm vornüber, um dann für die letzten Sekunden mit seinem Gesicht im blutigen Schlamm zu liegen, bevor sein Herz den Dienst aufgab.
Dies alles interessierte Kordian schon nicht mehr. Er wandte sich in dem Augenblick ab als er den Treffer bestätigt sah, die Armbrust gleichgültig aus seinen Händen fallen lassend. Sogleich griff er nach Schwert und Schild um seinen Weg Richtung der Baumgruppe einzuschlagen. Mit schnellen schritten überwand er die Hälfte der Strecke, als er eines Funkelns aus dem Augenwinkel gewahr wurde. Wie aus einem lange einstudierten Training heraus riss er reflexartig den Schild empor, sich gerade noch rechtzeitig die nötige Deckung verschaffend, bevor ein wuchtiger Schlag ihm den Schädel gespalten hätte. Wirbelnd ließ er seine Klinge über dem Kopf kreisen, kaum in der vorwärts Bewegung innehaltend, diese dann mit einem wuchtigen Schwung gegen das Knie des Aggressors lenkend. Ein dumpfes Knacken, ein schmerzerfüllter Schrei und schon sank der verkrüppelte Soldat zu Boden. Abwehrend den blanken Arm anhebend, blickte er zu Kordian empor, die Erkenntnis seines baldigen Todes in den Tränen gefüllten Augen aufflammend. Kein Zögern, kein Nachdenken, keine Gnade. Ein kurzer gerader Stich gen Kehlkopf. Nur ein ersticktes Gurgeln drang noch über die Lippen, bevor er leblos zusammensackte. „Nicht dein Tag“, murmelte Kordian leise zu dem noch warmen Körper, bevor er dann wieder im Sprint seinen Weg fortsetzte. Am kleinen Hügel angekommen, orientierte er sich rasch über die Lage seiner Bogenschützen. Knappe Meldungen wurden gemacht und neue Ziele zugewiesen. Schluss mit den Förmlichkeiten, hier ging es um jeden Schritt Boden. „Zielt auf ihre Anführer“, bellte er den Schützen entgegen. „Jeder Pfeil hat zu sitzen, verstanden?“
Den Blick über die Anhöhe hinab schweifend, erblickte er einen kleinen Trupp Männer, welcher sich gerade im Laufschritt vom Waldrand auf ihn zubewegte. Sechs oder sieben Mann, leichte Rüstung. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und hob die Hand gen Stirn an, um besser sehen zu können. Ein kurzes Lächeln huschte ihm über die Lippen als er seine Männer erkannte. Sie hatten es also geschafft sich zurückzuziehen und waren gerade auf dem Weg neue Stellung zu beziehen. „Sehr gut, das wird uns etwas Zeit verschaffen“, sprach er mehr zu sich selbst. Doch verstummte er augenblicklich als er der Staubwolke hinter ihnen gewahr wurde. „Verdammt noch eins!“, fluchte er lautstark als er die Kavallerie erblickte, die seinen Männern nachsetze. Vielleicht hundert Schritt Vorsprung - nicht mehr hatten seine Männer. Unmöglich - sie würden es nicht zum Hügel schaffen. „Schützen, neues Ziel. Dreihundert Schritt, diese Richtung. Reiter auf der Ebene!“ Brüllte er aus vollem Halse zu den Bogenschützen hinter sich, sofort die Richtung deutend. Unschlüssig blickten sich die Bogenschützen gegenseitig an. Fast schien es als würden sie an Kordians Verstand zweifeln. Diese Entfernung, das war nicht machbar. Doch wurden keine Widerworte gegeben, Pfeile wurde aufgelegt und mit einem Surren schoss die erste vierer Salve in den abendlichen Himmel hinauf. Nicht anders zu erwarten, war sie lediglich ein gut gemeinter Versuch den Befehl zu befolgen. Etliche Schritt zu kurz schlugen die Pfeile harmlos in den Boden ein.
„Weiter vor“, brüllte er weiterhin. Den Blick nicht von seinen Männern auf der Steppe abwendend, forderte er lautstark das Unmögliche von den Schützen.
„Los verdammt. LAUFT LOS, LOS“ feuerte er die Männer unten an, ob sie ihn überhaupt verstanden, würde man nie erfahren können. Noch fünfzig Schritt, noch dreißig... wieder eine nutzlose Salve Pfeile in den Boden... zehn Schritt.
Die Reiter erreichten mühelos die Fußsoldaten. Wie der Bauer mit der Sense durch ein Ährenfeld mähten sie sich durch die Flüchtenden. Einer nach dem andren fiel unter den wuchtigen Hieben der Reiter. Mit aufsteigendem Zorn blickte Kordian auf seine in der Ebene sterbenden Männer. Keine Möglichkeit zu helfen. Keine Chance einzugreifen.
Keine zwanzig Herzschläge dauerte dieses Blutbad. Herrenlose Arme, hervortretendes Gedärm und Liter von Blut tränken die Spur der Reiter.
Der Preis des Gehorsams wurde schon immer in Blut bezahlt, doch ward es immer wieder aufs neue unbegreiflich, wie wenig das Leben eines Menschen in einer Schlacht wert war.
„Bevor diese Nacht vorbei ist, werden wir diese Hurensöhne in ihrem eigenen Blut ersaufen!“,
brüllte er zornig in die Abenddämmerung hinaus, doch wurde sein Kampfruf eher halbherzig beantwortet. Zu tief saßen die Bilder des eben Gesehenen in den Gliedern der Mannen.

Leise, dann jedoch immer lauter werdend, stimmte einer der Männer ein Kampflied an. War es die Verzweiflung oder die blanke Angst vor dem Tod? Doch immer mehr Stimmen fanden sich in dem müden Choral der Kämpfenden wieder, bis der Wind eine verzerrte Melodie über das im Rot der untergehenden Sonne gefärbte Land trug. Nur ein zufriedenes Lächeln war auf Kordians Lippen zu sehen, als er die Schlachtenmelodie hörte und in den Gesang einstimmte.

"Trommeln und Pfeifen mit hellem Klang
Zieh'n da den Weg entlang.
Nach Silendir ziehen sie,
Diridi, diridi.
Trommelfelle beben
In das lichte Morgenrot,
Pfeifen sind das Leben
Und die Trommeln sind der Tod.

Von den Gebirgen zieht Kriegesmacht
So stolz hinab zur Schlacht.
Nach Silendir ziehen sie,
Diridi, diridi.
In den Tod ergeben
Stürmt das erste Aufgebot.
Pfeifen sind das Leben
Und die Trommeln sind der Tod."

Unruhig drehte sich Kordian in dem improvisierten Lager am Feuer hin und her, Zuhörer hätten den ein oder anderen undeutlichen Ausruf hören können, Befehle vergangener Tage. Es sollte wohl keine sehr erholsame Nacht werden...
Lernen durch Schmerz
Motivation durch Entsetzen
Festigung durch Wiederholung
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#2
- Unter allen den Eigenschaften, welche zum guten Feldherren gehören, ist am unentbehrlichsten eine Willensstärke, die jeden Widerspruch nicht allein zum Schweigen, sondern zum freudigen Gehorsam zwingt. Alle anderen Eigenschaften mögen vielleicht durch einen guten Generalstab ersetzt werden; die Haupteigenschaft nicht – niemals. -


Das sollte es also gewesen sein? Die Verstärkung zu weit entfernt um in den nächsten Minuten einzutreffen, noch 11 kampffähige Männer und über zwanzig Verletzte. Kaum noch Pfeile und Bolzen, geschweige denn heilende Tinkturen. Sein Blick schweifte über die Gesichter der Männer die ihn umgaben. Sie waren von Dreck und Müdigkeit gezeichnet, die letzten Stunden des Kampfes tief eingebrannt in ihren Zügen.
Stellung halten und auf Verstärkung warten, immerzu wiederholte er diese Worte in seinem Geiste. Ein guter Soldat zieht sich nicht zurück, diese Doktrin wurde ihm während der Ausbildung immer wieder eingehämmert. So wie er sie auch später an seine Rekruten weiter gegeben hatte. Sollte dies der Leitsatz werden an dem er festhalten würde, egal was geschah?
Prüfend betrachtete er die kleine Anhöhe, ein wenig Gestrüpp, ein paar umgefallene Baumstümpfe und einige Bäume. Nicht gerade die ideale Schanzung für den bevorstehenden Kampf, aber man nahm was man bekam. Immerhin waren die meisten der Verwundeten hier oben gesammelt und sogar notdürftig versorgt worden. Sie abzutransportieren wäre sowieso nicht möglich gewesen, und die blutenden Soldaten im Stich zu lassen und der Willkür der Feinde auszuliefern kam nicht in Frage.
„Bereit machen zu Verteidigung! Wir werden diese Stellung halten. Sie werden es nicht wagen, uns zu ignorieren und einfach weiter ziehen. Sie werden versuchen uns erst aufzureiben. Bogenschützen die rechte Flanke sichern. Wenn sie kommen werden wir unsere Haut teuer verkaufen, es wird kein Schritt Boden preisgegeben, ein Rückzug kommt nicht in Frage. - "Cahira Mädchen, HIERHER!“
Rasch erschien die junge Unteroffizierin wie ihr befohlen wurde. „Jawohl?“
„Du wirst zusehen, dass du es bis zu einem der Pferde am Gehöft schaffst, dort wirst du dann so schnell wie es geht in Richtung unserer Truppen aufbrechen und melden in welcher Lage wir sind, sie sollen gefälligst die Beine vom Arsch schwingen und zusehen dass sie her kommen. Sonnst behältst du wirklich noch recht und sie haben uns am Arsch. Los Mädchen, sieh zu dass du weg kommst!“ Kurz salutierte er in bester militärischer Art vor der Unteroffizierin, dann gab er ihr freundschaftlich einen Klapps auf die Schulter. Den Gruß erwidernd blickte ihn Mendoza noch einen Herzschlag lang an, sich nicht schlüssig was sie erwidern sollte. Doch dann sagte sie das was ihr als Erstes in den Sinn kam: „Jawohl, verstanden!“ Sich schon drehend auf dem Absatz hielt sie noch kurz inne um in einem wesentlich leiseren Ton noch hinzuzufügen, „Viel Glück.“ Dann jedoch griff sie im Laufschritt ihre Sachen und begab sich die vorhandene Deckung ausnutzend Richtung des Gutshofes.
Gedankenverloren liess er seinen Blick über den abendlichen Himmel gleiten. Die Sonne war im Begriff hinter dem unendlichen Horizont zu versinken und füllte den Himmel in ein sattes blutiges Rot. Wirre Gedanken kreisten durch seinen Kopf. Gedanken an Abende in einer Schenke, an die Arbeit in der Garnison, leichte Mädchen und Ale. Keiner der Gedanken würde ihn hier weiterbringen, das wusste er genau. Doch war es ein Stück Erinnerung, ein Stück Heimat das ihm vor Augen hielt, wieso er hier stand und wieso er kämpfte. Jäh aus den Gedanken gerissen wurde er durch einen an ihn herantretenden Soldaten. „Melde gehorsamst, Vorbereitungen abgeschlossen. Bereit zur Verteidigung.“ Die Meldung beendend und zu ihm aufschauend stand der Soldat vor Ihm.
„Gut gemacht, geht auf deine Position Soldat,“ erwiderte Kordian in einem schon fast als freundschaftlich durchgehenden Tonfall.
Das Schwert aus der Waffenscheide ziehend und das Schild am Arm festschnallend ging er zu seinen Männern.
„Also gut, die Verstärkung wird in wenigen Augenblicken hier sein, wir müssen nur lange genug standhalten und dann werden wir noch heute Nacht einen guten Met zusammen trinken. Ihr seid gute Soldaten und ich bin jetzt schon stolz auf euch. Kämpft wie Ihr es gelernt habt und eure Familien werden genauso stolz auf euch sein.“ Die Waffe kurz vor die Brust hebend und dann mit kräftiger Stimme rufend „Für Land und Herzog“ ließ er seinen Blick über die Männer gleiten.
„Für Land und Herzog,“ schallte es wie aus einer Kehle ihm entgegen. Grimmige Entschlossenheit lag auf den Gesichtern der Soldaten.

Er hasste es, ihnen diese Lügen erzählen zu müssen. Wenige Minuten? Nein, egal was passierte, die Entsatztruppen würden frühstens in etwas über einer Stunde da sein können. Das würde niemals ausreichen. Er hatte sie bis hierher gebracht, den Rückzug verweigert. Nur seine Befehle im Kopf gehabt. Nur er alleine war verantwortlich für das Schicksal dieser Männer.

Er hatte diese Schuld auf sich geladen.

„Sie kommen!“ rief einer der Soldaten aus...

„Bereit zur Verteidigung! Wir werden nicht zurück weichen!“
Sich zur vordersten Linie begebend ließ er den Blick den Hang abwärts wandern. Dreißig Mann bewegten sich in geschlossener Formation auf sie zu, Schilde voran, allesamt leicht gerüstet, Kette und Leder. Es war sowieso zu spät für einen Rückzug, also konnte er genauso gut sein Leben zu einem hohen Preis verkaufen.
„Schützen, Pfeile los!“ bellte er, den Blick nicht von den Angreifern abwendend. Salve um Salve schossen die Pfeile und Bolzen den Hang hinab, wohl so manch einen der feindlichen Soldaten von den Beinen holend. Die Schilde wurden angehoben, die erste Reihe sich hinkniend während die nachfolgende Reihe ihre Schilde schützend über die ersten hielt.
Zumindest konnte man sie kurzzeitig zum Stehen bringen. Ein vielsagendes Lächeln huschte Kordian über die Lippen. Sie würden nicht ewig so verharren, vielleicht nur warten bis die Bolzen und Pfeile alle waren, oder andere Truppen nachrückten, vielleicht warteten sie auch nur auf einen der verdammten Kuttenträger oder die Kavallerie.
Wieder rasten seine Gedanken, doch keinesfalls mehr Sinn und Logik eines Anführers folgend, Durst nach Blut vernebelte seine Gedanken. Die Schreie seiner Männer in der Ebene hatten sich in seine Erinnerungen eingebrannt.
„Bereit machen zum Sturmangriff!“ rief er aus heiserer Kehle, das Schwert hoch hebend und in den Hang abwärts deutend. Zweifelnd blickten sich die Männer um, hatte er doch noch vor wenigen Augenblicken gesagt das die Verstärkung bald hier sein würde. Wieso nun die schützende Deckung verlassen und sich solch einem Wahnsinn preisgeben?
Dann, zögernd, quälend langsam stahl sich die nüchterne Gewissheit in Ihre Blicke. Es würde keine Verstärkung kommen. Sie waren alleine.
Eine Mischung aus Wut, Trauer, Erkenntnis und bangem Erwarten stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Was würden ihnen die nächsten Minuten wohl bringen?
„Blut und blutige Asche, ich habe gesagt fertig machen zum Sturmangriff. Habt ihr euer letztes Bisschen Mumm verloren? Wenn Ihr schon verrecken werdet, dann wenigstens mit dem Schwert in der Hand und im Angriff! Bei Gwynn und Morrigù wenn das unser Ende ist dann lassen wir es wenigstens ein Ende sein das unserer würdig ist!“ Der blanke Hass stand in seinen Augen geschrieben. Sich zu dem Hang drehend hob er das Schwert hoch über seinen Kopf, griff den Schild fester mit der Linken und brüllte aus Leibeskräften „Angriff!“, sogleich ohne sich ein weiteres mal umzublicken mit immer schneller werdenden Schritten den Hang abwärts stürmend. Nur das Klappern der Rüsten verriet ihm das seine Männer ihm folgten; einige Schritte hinter Ihm, aber sie folgten. Ohne ein weiteres Wort auf den Lippen, ohne einen Schrei rannte er den Hang hinab.
Gespenstisch still war es plötzlich geworden, nur das Klirren der Wehr, Metall auf Metall.
Mit grimmigen Blick rannten die Soldaten auf den Schildwall zu, sich des Todes gewiss.
Überrascht senkten die knienden Soldaten ihre Schilde ein wenig herab, sich wohl selbst nicht ganz sicher was sie da sahen. Kurze Blicke wurden getauscht, während die letzten Schritte von Kordian zurück gelegt wurden.
Kurz vor dem Schildwall hob er seinen Schild vor sich und sprang aus voller Kraft ab. Mit lautem Scheppern prallte er in zwei Schilde, die dahinter kauernden Soldaten von den Beinen fegend und sich mit ihnen zusammen über den Boden rollend. Noch im Aufstehen hieb er mit dem Schwert gegen ein Bein das in seiner Reichweite lag. Ein dumpfes Knacken konnte man hören als der Knochen unter der Wucht des Schlages splitterte. Kaum auf den Beinen hörte er abermals ein lautes Scheppern als seine Männer auf den noch fast gänzlich intakten Schildwall prallten. Der Klang das Kampfes erfüllte den Hang, die Schreie von Verwundeten gemischt mit knappen Befehlen und dem Klirren von Waffen.
Mit einem aus der Drehung geführten Schlag ließ er ein Schild zerbersten um gleich darauf dem ungeschützten Widersacher die Klinge tief in die Brust zu rammen. Noch rasch hob er seinen Schildarm um einem seitlich heran tretenden Gegner die Oberkante des Schildes in den Kiefer zu rammen, was diesen straucheln ließ. Er schindete gerade genug Zeit heraus, um mit einem raschen Tritt gegen das Knie diesen auf den matschigen Boden sinken zu lassen. Kurz trat er mit dem metallbesetzten Fuß fest gegen sein Gesicht, bevor er sich dann wieder zur Seite wendete und den nächsten Feind anvisierte.
Sein Blick fiel auf einen älteren Mann der gerade voller Entsetzen auf ein Stückchen Stahl blickte welches ihm aus der Brust ragte, von hinten durchbohrt floss ein kleiner Faden Blut mit Speichel vermischt über sein Kinn. Noch vor einigen Stunden hatte Kordian mit diesem Mann am Lagerfeuer gesessen und gescherzt wie viel sie für ihren Sold in der Schenke bekommen würden, wenn sie wieder in der Stadt wären. Etwas unsagbar Trauriges lag in Kordians Blick als es ihm in den Sinn kam was er hier getan hatte. Wozu er seine Männer gebracht hatte.

Hart traf ihn der Hieb von hinten gegen den Rücken, ihm die Luft aus den Lungen pressend. Ruckartig strauchelte er nach vorne, gegen einen der Kämpfenden prallend. So rasch es ihm eben möglich war versuchte er sich zu dem vermeidlichen Angreifer umzudrehen, den Schild etwas anhebend. Doch zu langsam war seine Reaktion gewesen, das Schwert sauste von oben herab auf seine Schulter, diese mit Leichtigkeit trotz der Platte brechend und seinen Schildarm dadurch zur Nutzlosigkeit verdammend. Ein schmerzvoller Aufschrei brach ihm aus der Kehle, kurz bevor er diesen heißen, stechenden Schmerz in seinem Bauch verspürte. Perplex blickte er an sich herab um zu erkennen wie ein kleines Rinnsal roter Flüssigkeit aus dem unscheinbaren Loch in seiner Brustplatte rann. Die Beine gaben unter seinem Gewicht nach und er sackte auf die Knie, der Schild nutzlos an seinem Arm baumelnd.
Die ganze Müdigkeit der letzten Tage schien nun auf einmal über ihn herein zu brechen, die Glieder von einer sich ausbreitenden Taubheit lahm geworden blickte er auf. Die Schreie der Kämpfenden und Sterbenden wie hinter einem dicken Schleier aus Nebel. Ein Husten erschütterte seinen Körper, bevor er dann letztendlich von jeglicher Kraft verlassen vorn über sackte und mit dem Gesicht im Dreck liegen blieb.

„Rückzug, wir müssen uns neu sammeln“ war das Letzte was zu seinen Ohren drang... dies und ein Horn das aus scheinbar unendlicher Entfernung geblasen wurde.. dann umfing Ihn die Nacht.

Langsam öffnete er seine Augen, sie brannten, alles schmerzte ihn. Jede einzelne Faser seines Körpers schien zu zerreißen. Er blickte sich in einem Raum um der durch dämmriges Licht nur schwach beleuchtet wurde. Doch erkannte er genug um Cahira Mendoza ausmachen zu können.
Diese Frau hatte es doch tatsächlich geschafft, die Truppen waren rechtzeitig gekommen.
„Cahira du bist unglaublich, du hast es geschafft. Du hast uns allen den Arsch gerettet Mädchen!“ Freudig klang seine Stimme trotz der Erschöpfung.
Gemächlich drehte sich Cahira zu Kordian um, einen Schritt näher zu seiner Liege machend.
Voller Entsetzen weiteten sich seine Augen als er in die eingefallenen Augenhöhlen seines Unteroffiziers schaute. Ein langgezogener Schnitt an der Kehle gab ihr Innerstes preis, zwei abgebrochene Bolzen aus ihrem Brustkorb ragend taumelte Cahira zu ihm heran.
„Du hast uns in den Tod geschickt. Du hast uns nicht erlaubt uns zurück zu ziehen. DU hast uns in den sinnlosen Tod geschickt.“ Fast nur ein Flüstern war die Stimme, doch schallte sie in Kordians Kopf wie der Ruf von tausend Männern.
„Nein! Ich hatte meine Befehle, du weißt genauso gut wie ich das dieser Brückenkopf wichtig war. Du warst bei der Besprechung dabei,“ fast flehend kamen ihm die Worte über die Lippen.
„DU bist Schuldig. DU bist ein Mörder. Du bist verdammt!“ mit diesen Worten zog Cahira einen Dolch aus dem Holster, alt und rostig, als ob er Jahre in der Erde gelegen hätte. Mit einer nicht geahnten Schnelligkeit hob sie den Dolch über den Kopf ihn in einer raschen Bewegung zu Kordian hinab führend...

„NEIN.....“ hallte es durch die nächtlichen Wälder Zweitürmens.
Aufrecht saß Kordian in seinem improvisiertem Lager im Unterholz, Schweiß überströmt Blickt er sich mit Panik in den Augen um...
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