(K)eine Liebesgeschichte
#13
...


»Was suchst du hier, Durán?« zischt der Blondschopf aufgebracht und bleckt angriffslustig die Zähne. Aki zieht die Brauen leicht zusammen und späht an dem Mann vorbei in die Ecke, als sich dort die Siluette bewegt. Ein Sonnenstrahl streift die kurze aber durchaus scharfe Klinge, die in der Hand der näher kommenden Frau hinab hängt. Er spannt sich wappnend an und streckt den Körper soweit es geht.

Der Ton der kupferroten Mähne kommt ihm schmerzlich bekannt vor. Sein Herz stockt einen Moment, als die saphirblauen Augen die seinen treffen. Sie hebt die fein geschwungenen Brauen an, die vollen Lippen überrascht gespitzt. Ihr Gesicht hat sich bis auf ein paar zarte Fältchen kaum verändert und er erkennt sie eben so schnell wie sie ihn.
»Lass ihn los.« haucht Miriam mit der charakteristisch, rauchigen Stimme und scheidet die Klinge.
Der fremde Mann bewegt sich nicht, weswegen die Worte strenger wiederholt werden. »Das ist nicht Eduart.«
Aki atmet aus, als die Klinge von seiner Kehle weicht. Die Galatierin schiebt den Mann beiseite und streckt die feingliedrigen Finger nach dem Gesicht ihres Sohnes aus. »Darf ich dich umarmen..?« fragt sie achtsam, wobei in den tiefen Augen ein unruhiges Zögern liegt. Er nickt vage und sie schließt ihn in die Arme. Da er sie um einen Kopf überragt lehnt er sich entgegen kommend zu ihr hinab und zieht den Geruch aus Kindheitstagen von ihren Haaren ein. Seine Arme bleiben dabei nutzlos hängen, während Miriam's Finger am Rücken über den Robenstoff gleiten und abschätzen, was aus ihrem Jungen geworden ist. Sie riecht nach einer Kombination aus Kräutern und Holz, aber ihrem Haar haftet der Geruch von Veilchen an. Bedauerlicherweise erinnert ihn diese Note mittlerweile auch an Rahel.

Der Unbekannte hat sich von der Szenerie ein Stück zurück gezogen, das Messer jedoch immer noch in der Hand. Miriam löst die Umarmung und lässt dem Mann eine beschwichtigende Geste zu kommen. Aki's Blick trifft den des Anderen und die beiden Männer funkeln sich einen Moment an. »Beruhig dich, Joseph. Das ist mein Sohn Aki. Gewähr uns ein paar Momente unter vier Augen.«
Joseph nickt wiederwillig aber verlässt das Zimmer.
Miriam atmet aus und zieht einen malträtierten Stuhl heran, den sie Aki zurecht schiebt.
»Du hast dich kaum verändert.«
»Du dafür schon. Du siehst ihm schrecklich ähnlich.« Auf die Worte verzieht er das Gesicht. Miriam lächelt bitter. »Entschuldige.«
»Schon gut. Du hast ja Recht. Leider nicht nur Äußerlich.«
Miriam presst die Lippen zu einem Strich zusammen, setzt sich ans Bettende und reibt sich über die Oberarme. Ihr Blick weicht keinen Wimpernschlag von ihm. Sie trägt einen tannengrünen Reisemantel sowie einen breiten Ledergürtel mit allerhand Beuteln und der kurzen Scheide. Der Heft ist verziert und kommt Aki bekannt vor. Als Miriam weiter spricht hebt er den Blick wieder an.

»Entschuldige die raue Begrüßung. Wie ist es dir ergangen, mein Sohn?« Die Betitelung klingt ungewohnt in seinen Ohren.
Er erzählt ihr von Löwenstein und dem Laden dort und bemüht sich oberflächlich zu bleiben. Sie streckt sich vom Bett weg und berührt mit den Fingerspiten seinen Handrücken. Als seine Finger leicht zucken gleitet wieder das wissende und zugleich bittere Lächeln über ihre Züge. Er hasst es. Warum kann er das nicht unterdrücken?
»Ich bin auf der Durchreise. Aber ich habe nie einen Hehl daraus gemacht wo ich bin oder wer ich bin. Ich dachte eines Tages wirst du mich finden, wenn du so weit bist.« Bei dem Gedanken lächelt sie offen und weckt ein kurzes Gefühl von Geborgenheit.»Sagst du mir nun was dich bedrückt? Sieh mich nicht so an. Ich kenne dich und deinen Vater viel zu gut, um zu übersehen, dass es dir mieserabel geht. Was ist los? Geht es um eine Frau?«
Sein Blick ist ein Leitfaden bei ihrer Spurensuche. Mit jedem Wort werden seine Züge verbitterter. Sie weiß genau wo sie ansetzen muss aber das erstaunt ihn wenig. Miriam's Lächeln bekommt einen besorgten Zug, was ihn dazu veranlasst das lang vermisste Gesicht zu studieren. Erst nach einer Pause antwortet er langsam. Sie gewährt ihm so viel Zeit, wie er benötigt.

»Ich war verlobt.« Aki fängt einen zugleich erstaunten aber auch wohlwollenden Blick ab. Miriam öffnet die Lippen unterbricht ihn aber nicht. »Sie heißt Rahel Goldblatt und ist eine Bürgerin Löwensteins. Sie ist ... etwas ganz Besonderes.« Er stockt und atmet tief durch. Jeder Gedanke an sie schmerzt und er fühlt sich als würde er barfuß über Scherben laufen. Seine Mutter drängt ihn nicht sondern beobachtet nur stumm sein Leiden.
»Sie ist schön, intelligent und gläubig. Zudem die erste Frau, die so offen war mich und meine Eigenheiten zu akzeptieren.«

»Was ist passiert?« Für einen Moment sieht er tiefes Mitgefühl und Anteilnahme in den saphirblauen Augen aber es stört ihn nicht.
»Ich hab sie fast getötet. Bis zu einem bestimmten Punkt mochte sie die Kontrolllosigkeit aber dann ...« Aki stößt ein tiefes Seufzen aus und Miriam nickt rasch. Er ist sich sicher, dass sie ganz genau weiß was er meint. Jedes weitere Wort wäre sowieso überflüssig.
»Keine Frau ist stark genug dafür, Aki. Nich einmal ich. Aber dein Vater hat mich geliebt. Auf seine eigene, verdorbene Art und ich kann ihn einfach nicht hassen. Weder damals noch heute. Es gab zu viele Momente in denen ich einfach nur glücklich war und mich behütet gefühlt habe. Ich wusste wie gefährlich es ist aber das war mir egal. Er war es einfach wert. Sieh was dabei raus gekommen ist.« Sie betrachtet ihn mit mütterlichem Stolz. Umso länger sie spricht umso deutlicher wird der galatische Akzent hörbar. Obwohl seine Mutter sich so wenig verändert hat fühlt sich die Begegnung und das Gespräch noch immer ungewohnt an.

Ihre ozeanblauen Augen durchschauen ihn und seine Gedanken und sie rutscht vom Bett und nimmt zu seinen Füßen Platz. Ihre Hand streichelt beruhigend die seine und kurz legt sie diese aufeinander und lächelt sanft bei dem Größenunterschied. »Du öffnest dich viel zu langsam. Ich bin deine Mutter, Aki und doch sehe ich nur Misstrauen. Ich sehe immer noch einen scheuen Jungen und keinen Mann.« Ihre Worte werden eindringlicher und schärfer. »Mit Distanz und Furcht vor Nähe kommst du nicht weiter. Du lässt dich davon beeinflussen was du gesehen und erlebt hast. Eduart war kein bisschen anders. Er hat alle von sich gestoßen und ich bezweifle, dass er es mittlerweile einsieht. Einsamkeit mag vielleicht sicher sein aber sie macht nicht glücklich. Sei nicht so dumm wie dein Vater.«
Er schnauft einerseits wütend aber auch ertappt und sieht seine Mutter trotzig an. »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?«
Miriam sieht ihn einen langen Moment abschätzend an, die matten, stahlblauen Augen treffen auf die klaren, saphirblauen. »Das was ich von deinem Vater erwartet hätte. Zeig Größe und Reue. Geh auf die Knie und bitte um Verzeihung. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen, du wirst nicht zurück bekommen was du verloren hast. Aber mit ehrlicher Absicht kannst du vielleicht wieder Respekt aufbauen, im besten Fall sogar ein wenig Vertrauen wieder herstellen.«
»Und wenn nicht?«
»Dann passiert das, was du jetzt schon im Kopf hast. Lass mich raten du willst nie wieder jemanden an dich heran lassen jetzt wo dein Herz gebrochen wurde. Das ist eine schrecklich romantische Vorstellung, mein Junge, aber du hast es nicht verdient den Rest deines Lebens zu leiden.«
»Ich will sie nicht erneut in Gefahr bringen. Vermutlich ziehe ich aus Löwenstein ab, um ein Wiedersehen zu vermeiden.«
»Das ist natürlich ein sehr edler Gedanke, nachdem du sie fast umgebracht hast. Durch Feigheit wird es nicht besser.«
»Sie wird jemand anderes finden.«
»Jemand Besseres, natürlich. Glaub nur daran.«
»Hast du niemanden mehr für dich gefunden, Mutter?«
Der rasche Wortwechsel flacht ab und Miriam sieht ihm mit tiefer Zuneigung in die Augen. »Ach Aki.« Er hebt erwartungsvoll die vernarbte Braue. »Ich muss jetzt aufbrechen, verzeih mir.« In ihrem ausweichenden Blick sieht er aber die Antwort nach der er sucht. Nein. Nach all der Zeit ...

Der Humpelnde erhebt sich mühsam und wird nochmals in eine feste Umarmung geschlossen. Sie haucht ihm einen mütterlichen Kuss auf die Wange. An ihrem Ohr raunt er eindringlich: »Seh ich dich wieder?«
»Ich weiß es nicht. Die Zeit wird es zeigen. Halte nach mir Ausschau, mein Sohn. Und bring nächstes Mal bessere Neuigkeiten.«
Er nickt fest als stummes Versprechen und greift nach dem Stock, bevor er zur Tür wendet. Als er nochmals zurück sieht kann er Bitterkeit in dem Gesicht seiner Mutter sehen. Ihn beschleicht das unwohle Gefühl, dass es eine endgültige Verabschiedung ist.

Sobald er die Herberge ohne ein weiteres Wort verlassen hat erreicht ihn ein ungewohntes Gefühl. Seit Langem spürt er etwas wie Verlustangst und fragt sich insgeheim, wie weh es tun wird, wenn ihn das Gefühl im Bezug auf Rahel einholt. Tief in ihm herrscht noch ein kleiner Funken Hoffnung, dass er irgendwann erneut in die intensiv blauen Augen sehen kann und darin etwas anderes findet als Furcht und Distanz.
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(K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 04.03.2015, 23:48
Jorinde und Joringel - von Aki Durán - 05.03.2015, 13:17
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 06.03.2015, 10:23
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 06.03.2015, 19:10
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.03.2015, 01:45
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RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 02.04.2015, 13:50
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 18.05.2015, 16:57
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 20.05.2015, 15:50
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RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 07.06.2015, 08:29
Vergangen aber nicht vergessen - von Aki Durán - 07.06.2015, 13:07
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.06.2015, 09:50



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