Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#10
Episode 10 - Zwischen Land und See

Im Heuert 1403
Löwenstein (Servano) und Thalweide (Ravinsthal)




Es war schon eine Krux.
Die Wölfe waren ihm ans Herz gewachsen, mehr noch, als einige Landsleute zum Söldnerhaufen gestossen waren. Die Grauwölfe wußten, wie man feiert, trugen vor den Kameraden ihr Herz auf der Zunge und standen beisammen. Ja, der Galatier fühlte sich unter all diesen Amhranern und wenigen Landsleuten pudelwohl. Und doch... nagte es an ihm.
Seit Monden pendelte er ständig zwischen Ravinsthal und Servano, schlief wenig und ging umso mehr zu Fuß. Er blieb immer einige Tage in Löwenstein, einige Tage in Thalweide; besonders die schwierigen Nächte, was das Wetter anging, stets in Löwenstein. Denn wie könnte er seine Kameraden auf See, die noch das Glück hatten, auf einem Schiff fahren zu können, im Stich lassen? Auf seinem geliebten Leuchtturm, der seine neue Heimstatt geworden war, fühlte er sich zudem geborgen und sicher. Kein Amhraner, der ihm vorschrieb, wie er zu leben hatte. Welchen Gott er anzubeten oder wie er seine Arbeit zu verrichten hatte.

In der Reichshauptstadt, deren Bürgerbrief er führte und dessen Leuchtturm er befeuerte, hatte er trotz der widrigen Umstände noch einen sauberen Leumund. Aye...trotz des Graus, das er trug, um genau zu sein. Denn der Hauptmann der Grauwölfe hatte sich in dem aufkeimenden Konflikt zwischen Königstreuen und Rebellen auf die Seite der Letzteren geschlagen - und mit ihm der Söldnerhaufen. Was Lysander betraf, so hatte er es bislang so gut es ging vermieden, Partei zu ergreifen und den Leuchtturm und dessen Wacht immer dann vorgeschoben, wenn es hieß, Aufträgen oder Befehlen zu entgehen, die seinen Überzeugungen widersprachen.
Wie lange das noch gut ging, war indes offen.
Doch es war nun einmal so, dass er seit seiner Entlassung aus dem Hauptmanns-Dienst der königlichen Stadtwache von Löwenstein für sich beschlossen hatte, nicht mehr Figur in den politischen Ränkespielen der Amhraner sein zu wollen. Er war zu den Wölfen gegangen, weil sie seinerzeit für Gold vieles (alles?) taten, ohne sich einer Sache mit Haut und Haar zu verschreiben. Ungebunden... aye.
War es damit jetzt vorbei? Es schien fast so.

Für den Moment wollte er sich jedoch keinen neuen Soldherren suchen und verlängerte den Wolfsbrief um weitere drei Mondläufe. Und es schien die richtige Wahl gewesen zu sein, denn während einem seiner Aufenthalte auf dem Leuchtturm erreichte ihn Kunde von einem Auftrag, den man ihm für gutes Geld zu erteilen gedachte.
Ein Mittelsmann, ganz in Grün gekleidet, trat - das war der Konsens nach einigem Austausch - im Namen des Fräuleins Sarah an ihn heran. Besagte Frau führte die "Geschäfte" im Viertel, das einmal des Galatiers neue Heimat nach seiner Ankunft in Löwenstein gewesen war und hielt eigentlich recht wenig von ihm. Man brauchte jedoch einen Seemann aus dem Milieu, der noch zur Bande der Jungs vom alten Hafen gehört hatte, und dessen Wort somit gewisses Gewicht bei einem bestimmten Menschenschlag hatte. Als ehemaliges Bandenmitglied und Schmuggler war Lysander da wohl der richtige Mann, selbst, wenn diese Zeit Jahre zurücklag. Er sollte nämlich eine Meute Piraten vom Strand im alten Hafen fortschaffen, die die Anwohner terrorisierten, auf dass die Viertelvorsteherin ihr Gesicht wahren konnte. Ob töten, abschrecken, bestechen oder anheuern - da war er frei in der Wahl der Mittel. Dass er womöglich noch ein Schiffskommando einsacken konnte, verschwieg der Galatier in der knappen Botschaft an seinen Söldnerhauptmann. Dafür sollte er für den Auftrag gutes Geld erhalten, wenigstens um die 40 bis 60 Schilling, von denen er die Hälfte an die Soldkasse abtreten würde. Das war die Abmachung bei den Wölfen, wenn man externe Aufträge annahm. Mit etwas Glück konnte er noch zusätzlich einen Bonus für sich einstreichen.

Der Galatier hoffte nur, dass ihm Einar nicht einen auf den Deckel gab, wenn er vom Auftrag las. Schließlich könnten böse Zungen behaupten, dass er für die Königsgarde arbeiten würde - was freilich Humbug war. Und selbst, wenn der vermeintliche Auftraggeber auch nur ein Strohmann war und sich mehr dahinter verbarg, als Lysander in dem Moment klar war... war es ihm gleichgültig. Das Ringen um die Macht im Reich war ein Kampf der Amhraner, nicht der Galatier. Mochten sie sich die Köpfe doch einschlagen - er würde weder der Königsgarde, noch dem Herzogring Gefolgschaft schwören. Galatisches Blut war zu wertvoll, als dass man es für Interessen der Amhraner vergießen sollte.



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