Im Angesicht des Mondes
#6
Und mit dem Frühling, den Pfützen, mit der Wärme zunehmendem Gestank des Armenviertels, den ersten Blüten, dem zarten Grün kamen auch die Silendirer ins Land. Eine ganze Armee, so hieß es! Mein Herz machte einen Satz, einen der "Heimat" rief, einen Satz der mich irgendwie besser fühlen ließ, ohne zu wissen wer diese Leute waren.
Punktum schlich ich mich nach Zweitürmen, dorthin, wo die Schwere Silendrische Infanterie, so deren Bezeichnung, untergekommen sein sollte.
Der Weg dorthin war schon wunderbar, der Weg war gesäumt wurde von Bäumen und allerlei frischen Gräsern und sonnengelbem Löwenzahn. Ein Entenpärchen labte sich am fettem Grün, dass es mir ganz leicht wurde und ich nahezu wie ein Kind die Strasse hinauf hüpfte.
In Zweitürmen angekommen ging es praktisch Knall auf Fall, ich betrat eine der größeren Holzhütten und fand mich schon in Gegenwart eines Kriegers wieder, einer der mir ausnahmsweise nicht den Kopf abreißen und mich bei lebendigem Leibe fressen wollte, sondern mir einen Sitzplatz und Essen anbot. Freundlichkeit soll man nicht ablehnen, das waren stets Ama's Worte gewesen, und so aß ich mindestens 4 hart gekochte Eier und ein halbes gebratenes Hähnchen, während mir der Krieger, der sich mittlerweile als Mitglied der Silendrischen entpuppt hatte, in aller Seelenruhe dabei zuguckte.
Hin und wieder einige seiner Fragen beantwortend, aß ich weiter, solange bis ein anderer, der Hauptmann Zweitürmens, sich persönlich zu uns gesellte. Seltsam, wie unterschiedlich doch die einzelnen Menschen sein können, denn wo der Silendirer für Vertrauen stand, sorgte der andere dafür, dass ich mich am liebsten verzogen hätte, die Türe fein im Auge behaltend und als Fluchtweg wissend, wenn da nicht die wunderbaren hartgekochten Eier und das Huhn gewesen wären.

Mein Bauch füllte sich mit seeligem Wohlbehagen, der Hauptmann ging wieder seiner Wege, sodass mir der Landsmann seine Hand darbot, auf dass ich in ihr lesen und weissagen könne. Kriegerhände waren stets mit Schwielen und Narben verunstaltet, es war durchaus kein Vergnügen in ihnen zu lesen, geschweige denn die Worte so zu wählen, dass der Mensch dem Wahrsager nicht die Kehle schlitzen wollte. Doch so weit kam es nicht, die Götter schützen die Fahrenden, und so auch mich, bevor ich dem silendrischen Krieger schicksalsträchtige Wahrheiten darbieten konnte, wurde die Armee zu einem Wachgang gerufen. Hungrige, menschenfressende Bäume sollten beobachtet werden, ein Unterfangen, dem ich einfach in sicherer Entfernung hinterher schlich.

Rotkutten hatten sich im Wolfsried, in unmittelbarer Nähe einer dieser unnatürlich verzerrten, gruselig anmutenden alten Weiden versammelt. Eine der Priesterinnen kniete und murmelte irgendwelches Mithraskauderwelsch, weitere Legionäre standen gerüstet vor dem Baum, als würden sie Fürchterliches erwarten. Just wurde ich von der Silendrischen Infanterie entdeckt, man hieß mich nicht näher zu kommen, schützend wurde ich einige Schritte zurück buchsiert. Ich wünschte mir das Wissen und die Anwesenheit unserer Druiden herbei, und das wohl allem Anschein zu laut, denn die rotbekuttete Priesterin stürmte auf mich zu und brüllte auf mich ein, so dass ich zurück rucken musste um ihrem keifendem Atem zu entkommen. Was ich mir einbilden würde so etwas zu sagen, sie würde hier ihr Leben riskieren, während ich die Frechheit zu Meckern besäße.
Das Hirn der Frau schien kurz vorm Sieden zu stehen, so schwieg ich besser, hoffend, dass mir ihr Wahnsinn nicht zu Leibe rücke.
Doch dann, aus heiterem Himmel, entschieden die Rotkutten zu verschwinden. Sie schienen keinen Erfolg gehabt zu haben mit der Weide, denn jene stand dort weiterhin in all ihrer Hässlichkeit, still und schweigend, aus tiefen Astlöchern, wie dunklen Augen vor sich hin starrend. Das solch ein Wesen tatsächlich bei Nacht zum Leben erwachen sollte erschien mir nun keineswegs mehr absurd, im Gegenteil! Zu gut nur vermochte ich mir vorzustellen, wie ihre peitschenden Arme nach mir ausholen wollte und so folgte ich der Gruppe um ein Weilchen später den Blick übers weite Moor zu nehmen, der letzten Ruhestätte meiner Sippe, meiner Familie. Ob sie denn hier im Ried versunken wären, fragte der Hauptmann plötzlich hellhörig geworden. Dachte er denn wirklich, dass die Meinen für diesen Wahnsinn hier verantwortlich wären? Lange noch sann ich drüber nach, doch wer weiss das schon, Ama wär's zuzutrauen.

[Bild: Reaper.jpg]
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Im Angesicht des Mondes - von Anjali - 23.11.2014, 19:37
RE: Im Angesicht des Mondes - von Anjali - 24.11.2014, 12:30
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