Trug und Schein
#3
Da geht er hin, der Amboss. Aus meinem halbdunklen Beobachtungsposten aus beschaue ich die Aufregung dort hinten am Schmiedezelt. Wie sie mein Liebchen mit einem Seil schmücken. Es an ein Pferd binden... ein Ruck, und los rattert und klappert das massive Stück Gusseisen.
Kurz bin ich versucht meinen Posten zu verlassen, hin zu stürzen und mich auf den Amboss zu werfen damit sie ihn nicht fortbringen, aber ich unterdrücke den Instinkt. Wenn ich dort nicht schmieden darf, soll niemand es können, und siehe da... mein Wunsch wurde Wirklichkeit. Ohne den Amboss ist die Esse sinnlos, und damit der ganze Schmiedeplatz, und ich bin zufrieden.
Fühle mich mächtig.
Der Geruch von verbranntem Vogel mischt sich mit der zornigen Stimme der berittenen Frau, und wie die Menschen so sind, erhitzt sich der Streit mehr und mehr mit jedem hinzukommenden Mundwerk. Lippen tanzen unter den heftigen Worten, Schultern straffen sich, Hände greifen nach Waffen, und hätte ich nicht Sorge dass der Graue und die Rote den beiden Ambossdieben unterlegen sein könnten, ich würde mich nur zum Spaß an der Freude näher wagen, um die Verletzten zu beklauen. So aber muss ich in meinem Zwielicht hocken und beobachten, und kurze Zeit später scheinen sich die Gemüter genügend beruhigt zu haben, um den Amboss davon ziehen zu lassen, während Grau und Rot miteinander liebäugeln. Unmittelbare Gefahr hat diese Auswirkung auf den Trieb eines Menschen.
Stumm sehe ich zu, wie der Amboss gen' Stadttor klappert, durch die Wachen, durch das Haupttor, und hinaus in die Dunkelheit - morgen werden alle möglichen Gerüchte umgehen darüber, was im Armenviertel nur los gewesen sein kann, und wieso die Wachen nicht auf die Idee kamen, dieses Spektakel zu unterbrechen.
Ich folge ihnen nicht, beobachte stattdessen die fortgeführten Gespräche ums Feuer, und wende mich schließlich ab, um meinen Posten zu verlassen.
Mein neuer Freund hatte Recht, mit allem was er mir zuflüsterte. Sie sind so reaktiv, diese Geldsäcke, ich hätte es ja nie geglaubt wenn ich es nicht gerade mit eigenen Augen gesehen hätte. Wäre ich nur ein wenig nachlässiger in meinen Beobachtungen, ich hätte nie gewusst was mit dem Amboss geschehen ist.
Umso spannender wird es sein herauszufinden, was mein Opfer tun wird wenn er mich morgen wieder die kleine Schmiede beobachten sieht. Wenn er herausfindet, dass ich seine Truglist durchschaut habe, und nur darauf lauere dass er das Stück Metall wieder an seinen Platz zurück bringt.
Beinahe ist die Vorfreude ausreichend, um mich zurück zum Tor zu treiben... Aber nur beinahe.
Ich habe noch genügend Zeit bis zum Abend.
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Trug und Schein - von Alaric Creutz - 27.06.2014, 04:15
RE: Trug und Schein - von Alaric Creutz - 28.06.2014, 20:03
RE: Trug und Schein - von Alaric Creutz - 30.06.2014, 03:11



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