Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#26
Als er zur Schmiede in Rabenstein trottet, um den Aushang zu überprüfen, welcher die morgige Arbeit Kund tut, findet er daneben sein Lehrlingsgesuch. Er nimmt den Zettel ab, zerknittert ihn und stopft ihn in die Hosentasche, um ihn beim nächsten Anheizen als Zunder zu verwenden. Er hat tatsächlich einen Lehrling gefunden und, wie es bisher aussieht einen recht vielversprechenden. Liam scheint ihm ein anständiger, wissbegieriger Kerl zu sein, vielleicht etwas zu anständig, aber das wird er ihm schon noch austreiben. Soweit hat er sich als tauglich und nützlich erwiesen, aber die wahre, erste Prüfung steht am morgigen Tag auf dem Plan. Der Meister möchte sehen, wie sich sein Lehrling anstellt, wenn er ihm zu arbeiten soll, vor allem, wenn es um eine Arbeit geht, der er streng genommen noch nicht gewachsen ist.
Die Plattenhandschuhe sind knifflig, da sie Fein- und Grobarbeit vereinen. Während zur Ausformung der Platten und beim Zurechtbiegen in die benötigte Form einiges an Kraft benötigt wird, verlangt das Kombinieren der schuppenähnlichen Fingerglieder Feingefühl. Das besondere und rare Material stellt dabei eine weitere Herausforderung an die beiden Schmiede. Fehler passieren bei jeder Herstellung, aber in diesem Fall gehen sie besonders in die Ressourcen. Nicht unbedingt, was das Silber angeht, denn selbiges juckt den Meister schon länger nicht mehr, viel eher im Bezug auf die Materialien, die alles andere als leicht zu beschaffen sind. Der Einzige, der die Materialschlacht gut heißt, ist das Biest im Schacht, dass sich auf das nächste Mahl freuen kann. Aki hat Liam noch nicht an den besonderen Ort geführt und wird den Zeitpunkt auch bedacht wählen. Der lernende Schmied ist noch nicht so weit und, wenn man es genau nimmt, ist er auch noch weit davon entfernt die Legierung zu verarbeiten. Aber was bleibt dem Meister anderes übrig? Er mag des Öffteren zu eigenbrödlerischem Verhalten neigen und denken, dass er weniger Fehler begeht, wenn er alleine arbeitet, aber in diesem Fall benötigt er einen zweiten Kopf mit einer anderen Ansicht und anderen Gedanken. Also bleibt ihm nichts anderes übrig als morgen den gönnerhaften Vater zu geben, der dem Jüngling den ersten Schluck Bier zugesteht.
Im Gegensatz zum Lehrling, benötigt der Meister keine Zeit, um sich auf das Vorhaben vorzubereiten. Er kennt jeden Handgriff im Schlaf, hat bereits zahlreiche Platten verschmiedet und verschiedenste Hände sowie Finger passgenau in Metall gepackt. Auch die Legierung ist ihm mittlerweilen nicht mehr fremd, er hat bereits einige Barren gegossen und verarbeitet und fühlt sich sicher im Umgang mit dem Götterstahl.
Ihm ist bestens bekannt, was morgen auf sie zu kommt und alles was er verspürt ist Tatendran und eine gewisse Vorfreude. Selbst das danach ist kein unbekanntes Terrain. Das Werkstück wird Lugh geopfert, wobei das Ritual mittlerweile an Selbstverständlichkeit grenzt. Manche würden sich vielleicht auf dem Zeichen ihres Schicksalsgottes ausruhen, das Lugh in der letzten Gabe hinterlassen hat, aber Aki spornt es nur mehr an. Er denkt viel eher, dass der prüfende Blick des Gottes des Handwerks auf ihm und Liam liegt und der Druck dadurch höher ist. Es stört ihn nicht, denn der Hüne arbeitet gut unter Leistungsdruck.
Am Vorabend gönnt er sich noch einen schäumenden Krug Starkbier und skizziert einen Handschuh. Die plastische Übertragung des Werkstücks auf Pergament hat sich nach zahlreichen Anleitungen eingeprägt. In diesem Fall wirft er aber Liam ins kalte Wasser, weswegen die Skizze ein wichtiger Anhaltspunkt für den Lehrling ist. Als die Zeichnung zu seiner Zufriedenheit fertig ist, schreibt er den ungefähren Bedarf an Nieten, Leder, Barren und Scharnieren auf, sowie eine kurze Zusammenfassung zur Vorgehensweise. Die Anleitung wird schlussendlich auf Liam's Lagerfass deponiert, bereit studiert und befolgt zu werden. Er traut Liam durchaus zu, den Weisungen des Papiers zu folgen. Die Frage ist eher, ob er bereit und fähig ist, die Anweisungen seines Meisters umzusetzen und, dabei so rasch zu agieren, dass es Aki's knapp bemessene Geduld nicht übersteigert. Davon hängt es nämlich ab, ob morgen stetige Hammerschläge oder zurechtweisendes Knurren ihre Arbeit untermalen wird.

[Bild: 4labcoy3.gif]
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RE: Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes - von Aki Durán - 07.01.2017, 21:37



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