Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#9
Eine Wette im Sinne der Götter

Warum wetten die Menschen so gern?
Darüber hat sich der Grobschmied noch nie den Kopf zerbrochen. Eigentlich liegen ihm Wetten nicht und für gewöhnlich verdreht er die Augen, wenn er bemerkt, wie - vor allem Kerle - dazu neigen auf diese Weise ihre Männlichkeit zu beweisen.
Aber worüber er sich noch nie Gedanken gemacht hat, ist warum man überhaupt eine Wette eingeht? Es geht nicht nur darum, auf plumpe Art zu zeigen, wer mehr in der Hose hat. Vielmehr geht es darum eine Behauptung sicher zu stellen und zu zeigen, das man im Recht ist. Grundsätzlich ist der Preis oder die Belohnung nicht das Entscheidende und viel eher ein gern gesehenes Nebenprodukt.
Für gewöhnlich wettet Aki nicht. Weder um die Ehre, noch um etwas Materielles. Aber wie könnte er den großen, welpenhaften Augen seines Herausforderers etwas ausschlagen? Zudem ist er sich ausnahmsweise sicher, das er die Wette gewinnt. Wobei, sollte das nicht immer eine Grundvorraussetzung sein? Warum sonst dden Mut aufbringen?
Wie dem auch sei, die Wette steht und fordert einiges an handwerklichem Können und Durchhaltevermögen von ihm. Wie so oft geht Aki motiviert an das Vorhaben heran, in der Hoffnung die Entschlossenheit bleibt beständig. Dabei geht er mit ganzem Herzblut an die Sache, so wie er es im Handwerk gewohnt ist. Und das, obwohl es nicht einmal ums Schmieden geht, sondern um die weitaus weniger beliebte Arbeit: Das Steinformen.

Kapitel I - Lyon

[Bild: j3rri3ry.jpg]

Seine Aufgabe soll es sein, die 21 aus Stein darzustellen. Da sich der Bau des Badehauses verzögert, dank der aufmüpfigen Piraten, hat Aki die Zeit und die nötige Menge an qualitativ hochwertigem Basalt, um Statuen anzufertigen. Die Statuen an sich sollen nicht höher sein, als der Abstand von Aki's Ellenbogen bis zum Handgelenk. Zwanzig, höchstens dreißig Fingerbreiten sollen sie messen. Groß genug, um detailiert arbeiten zu können und klein genug, um sein Fingerspitzengefühl zu fordern. Man wird den Grobschmied nie freudig erleben, wenn es um Feinarbeiten geht und erst Recht nicht im Bezug auf Stein. Ein falscher Schlag mit dem Hammer und der Meisel verrutscht oder dringt zu tief in den Stein ein.
Neben der mühseeligen Arbeit und dem Pensum, sieht er die größte Schwierigkeit in der Darstellung an sich. Er ist gut über seine Schicksalsgötter informiert und hat ein ungefähres Bild vor Augen, weswegen er sich zuerst an jene wagt. Aber abgesehen von Branwen, den er als muskulösen Mann mit Hirschgeweih vor Augen hat, ist er sich nicht sicher, ob jeder Gott eine menschliche Gestalt besitzt. Vor allem was die Gesichtszüge angeht, ist er sich unschlüssig. Ist die Mimik zum Teil eher fratzenhaft? Aki hat sich dafür entschieden, möglichst eine Eigenschaft des jeweiligen Gottes heraus zu picken und sie in den Gesichtszügen wieder zu spiegeln.

Seine erste Wahl ist Lyon, der Gott der Münze und einer von Aki's Schicksalsgöttern. Hierfür hat er sich entschieden, die Gesichtszüge so im Stein zu verewigen, dass das kleine Kinn entschlossen gereckt ist. Um nicht eitel oder arrogant zu wirken, müssen die Augen groß und neugierig geöffnet sein. Tatsächlich ging ihm die Ausarbeitung des kleinen Gesichts überraschend gut von der Hand. Ein leicht verschmitzes Lächeln liegt auf dem steinernen Gesicht, aber nur, wenn man sich bemüht, es zu interpretieren.
Der kleine, statuenhafte Lyon hat eine Hand dem Beobachter entgegen gestreckt. Der Oberarm liegt leicht am Körper an und ist, ab dem abgewinkelten Ellbogen, vom Körper fort gestreckt. Die Handfläche zeigt nach oben und formt eine Schale, in der ein echter Schilling ruht. Die Geste an sich wirkt einerseits fordernd aber auch darbietend.
Mit der anderen Hand deutet Lyon zum Steinsockel hinab, wo eine kleine Siedlung angedeutet ist. Vereinzelte Figürchen, die teils aufrecht stehen, teils auf allen Vieren verharren und die Menschen sowie Tiere verdeutlichen sollen, scharren sich um die Siedlung und füllen sie mit Leben. Zum einen ist es die Darstellung von Faun, der Welt des Lebendigen, aber auch eine Anspielung auf das Entstehende, was der Mensch erschafft und von Lyon behütet und unterstützt wird. Demnach deutet die Hand hinab, die Finger locker gespreizt, in einer behütenden Geste.
Aki ist sich nicht sicher, um die Darstellung, aber es ist das, was er für richtig und passend hält. Lyon, der in diesem Fall wie ein geschäftiger, darbietend oder nehmender Schutzpatron wirkt, trägt das Haar zweckmäßig zu einem Zopf gebunden. Er trägt schlichte Kleidung und Stiefel, sowie einen breiten Gürtel, an dem drei pralle Münzbeutel hängen. Da er so viel mit sich trägt, verhofft sich Aki ihn als geizig zu zeigen, wie es ihm nachgesagt wird. Die Gürtelschnalle besteht aus einem Hammer und einer Säge, die überkreuzt sind und für das Handwerk und Schaffen stehen.
Letztlich sind es die Details, die eine Geschichte erzählen, je nachdem wie weit der Betrachter bereit ist, sie zu interpretieren. Natürlich spielt auch die Zeit eine Rolle, denn manches fällt beim ersten Blick ins Auge und manches erst beim zweiten.
Die Figur hat mehrere Tage an Zeit in Anspruch genommen, was daran liegt, das die letzte Steindarstellung lange her ist. Er kann nur darauf hoffen, dass Lyon ihm beisteht und ihm die schafferische Arbeit leichter von der Hand geht, wenn er sich wieder ausführlich mit der Materie beschäftigt. Mit der Hoffnung, räumt er eines der Wandbretter im Ladenraum frei und stellt die erste Statue hinauf, sodass Lyon ihm bei der Arbeit neugierig auf die Finger schaut. Und ihm zugleich eine Münze darbietet. Oder fordert? Aki hat an diesem Tag das Gefühl, die fordernde Gestik ist stärker ausgeprägt und legt einen zweiten Schilling in die winzige, steinerne Hand. Immerhin hat der Schmied sich etwas von der Schaffenskraft ausgeliehen, was vergolten werden muss.
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