Ein Schritt
#4
Es musste der Dreiundzwanzigste des Elften Monats gewesen sein, oder war es schon der Vierundzwanzigste als er seinen Posten verließ? Langsam ging er wie nach jedem Schichtwechsel in seine Unterkunft. Manchmal loderten noch die Kerzen der Laternen im Untergeschoss wenn die Mitbewohnerin arbeitete, oftmals waren sie aber schon ausgelöscht. So griff er langsam nach dem Türgriff und entsperrte den Riegel des Schlosses. Ein leises "Klick" ertönte und er drückte die Tür auf. Der Vorraum war immer in Dunkelheit gehüllt und die Tür geradeaus zeigte unter dem Spalt keinen Lichtschein. So entschied er sich die Türe leise hinter sich zu schließen und wieder mit einem "Klick" fuhr der Bolzen des Schloßes ein. Der Schild wurde vorsichtig neben der Tür abgestellt und die Handschuhe darauf gelegt. Eine Reinigung folgte im Waschzuber und so schritt der Krieger leichten Schrittes die Treppen hinauf. Das Knirschen der Rüstungsteile hätte ihn wohl mehrfach verraten aber er versuchte dennoch nicht zu Laut zu sein um seine Mitbewohnerin nicht zu wecken.

Auf dem Tisch stand noch etwas zu Essen, in der Dunkelheit machte er ein Stück Brot aus und griff danach um es mit sich in die Dunkelheit seines Schlafraumes zu nehmen. Dort angekommen entzündete er vorsichtig seine kleine Laterne, die mehr Schatten als Licht warf und setzte sich an einen kleinen rustikalen Tisch mit Stuhl. Er zückte ein paar Papiere heraus und begann sich Notizen zu machen. Währenddessen kaute er immerwieder am Brotherum, bis letztendich die Papiere und der Tisch voll von Krümeln waren. Mit der freien Hand wischte er jene Krümel hinfort und ließ die Feder neben dem Papierhaufen niedersinken. Ein lautes Gähnen folgte, unterstützt vom knirschen der Rüstungsteile, als er aufstand und sich streckte. Die Prozedur die Rüstung abzulegen wurde selbst im Halbschlaf recht schnell durchgeführt bis er sich ins Bett legte und aus dem einzelnen Fenster sah das den nächsten Tage mit einem Sonnenstrahl in sein Gesicht einläutete.
"Jetzt noch Schlafen" murmelte er sich leise zu und kurz bevor die Dunkelheit der Müdigkeit seinen Verstand benebelte murmelte er "Wir finden eine Möglichkeit dich zu Retten. Ich habs versprochen"
.

Am späteren Nachmittag des Vierundzwanzigsten des Elften Monats.

Mit müden Blick wischte er sich den Schlaf aus den Augen als er seine Beine aus dem Bett schwang und sich langsam hochdrückte. Das Bett war zwar nicht sonderlich Weich, aber wenn man müde ist, ist meistens eine Waagerechte Position besser als eine Senkrechte. Mit langsam Schritten ging er auf seinen Stuhl zu und den Tisch auf dem er seine Rüstung ablegte. Mit den Fingern richtete er sich das Haar sorgsam und legte die Rüstung wie am Vorabend nur in umgekehrter Reihenfolge wieder an.
Die Treppen stieg er an jenem Tag mit schwereren Schritten hinab, die Mitbewohnerin sollte wohl schon wach sein. Am Ende der Treppe angekommen griff er nach Handschuhen und Schild. Mit einer geübten Handbewegung zog er sich seine Maske über und verließ das Haus.

Wie jeden Tag ging er die kurzen Wege über die Seitengassen bis er letztendlich zur Brücke der Gefängnisinsel kam. Den Schild fest umklammernd ging er Schritt für Schritt über das Gemäuer hinweg. Die Wachen waren schon vor einiger Zeit abgezogen worden, oder einfach nichtmehr zurückgekehrt. So standen nurnoch seine Brüder und Schwestern an den Toren die er mit einem Nicken begrüßte. Der übliche Blick zur Brüstung offenbarte die Anwesenheit einer Priesterin. "Meistens bedeutet das Ärger" murmelte er unter der Maske zu sich und stieg die steinernen Treppen empor.

"Sie ist Tot, Serbitar" hörte er von der Roten Kapuze in flüsterndem Ton.
"Sie ist Tot"
"Sie ist Tot"
"Sie ist Tot"

Hallten die Worte immerwieder in seinen Gedanken nach.
Es war als würden die Worte immerwieder und wieder ausgesprochen werden, und wie von selbst wandte er sich um um zu gehen. "Tot" "Tot" "Tot". "Du hast versagt." "Ich habe versagt." Die Beine führten ihn zur Brücke zurück. Doch bevor er noch weitergehen konnte verstummten die Echos in seinem Kopf und eine Hand lag auf seiner Schulter, er blickte zurück und erkannte unter einer roten Kapuze Lisbeths trauriges Gesicht.

"Wieviel ist mein Wort noch Wert, wenn ich das Versprechen des Schutzes nicht halten kann?"
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Nachrichten in diesem Thema
Ein Schritt - von Serbitar Morgenstern - 23.10.2013, 23:22
RE: Ein Schritt - von Serbitar Morgenstern - 05.11.2013, 01:22
RE: Ein Schritt - von Serbitar Morgenstern - 08.11.2013, 03:18
RE: Ein Schritt - von Serbitar Morgenstern - 25.11.2013, 00:14



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