"In der Fremde"
#4
Mit jedem neuen Tag wurde es wärmer, das Fest des wallenden Blutes stand nahe bevor, Baghatur hatte sich zum "Gespräch mit den Göttern" in die Berge zurückgezogen, während es mich mehr und mehr in Löwenstein hielt, in der Nähe meines Mentors Jakob, der mir mit strenger, aber ausdauernder Art die Eigenschaft eines jeden Kräutleins erklärend, den Weg der geheimen Alchemie offenbarte. Oftmals saßen wir bis spät in die Nacht hinein über den Rezepturen und verfolgten aufgeregt die Entstehung der heilenden Tinkturen und Tränke, welche in bauchigen Kolben über kleiner Flamme köchelte.

Ich war so dankbar, dass Jakob mich in dieser Kunst unterwies, die Tatsache nicht ausser Acht lassend, dass er mich offenherzig behandelte, obwohl er selbst strenger Anhänger Mithras, meinen Mondwächterglauben notgedrungen zu tolerieren schien, ja gar hin und wieder neugierig nachfragtend an Allem wissbegierig interessiert schien. Mir bot es zu diesem Zeitpunkt eine willkommene Ablenkung, etwas, was meine Gedanken entspannen ließ, mich der Welt entriß und geradezu befremdlich in einen Zustand der Ruhe versetzte. Diese hatte ich bitter nötig um die Einstellung meines Gefährten Baghatur zu verdauen. Seine traditionelle jurische Ansicht betreffend Sterbender und Kranker, nämlich diesen die "Ehre" zukommen zulassen, dem Stamm zuliebe alleine und verlassen in die Steppe zu gehen um dort jämmerlich zu verrecken lag mir schwer im Magen, speziell, als er mir offenbarte, mit mir ebenso zu verfahren, sollte ich aufgrund meiner Dummheit, den Heilern helfend , mich an der Keuche angesteckt haben. Es war geradezu als ob er mir seinen Speer in die Magengrube stieß, mir, der jedes Schicksal ans Herz zu gehen schien und dem ich eine helfende Hand reichen wollte.

Etwas begann sich zu verändern, die starren Traditionen die mich von allen Seiten umgaben schienen mir die Luft zum Atmen zu rauben. Ich sehnte mich nach Svesur und der See, dort wo sich alle Grenzen aufzulösen schienen, auch wenn es nur meinem jugendlichen Wunsch entsprechen mochte. Der Traum der Freiheit den mir Baghatur vermittelt hatte, schien plötzlich nicht mehr stimmig zu sein mit dem was das wahre Leben in einem jurischen Stamm mit sich brachte.
War dies der Zeitpunkt an dem ich mir endgültig klarwerden musste dass wir zu verschieden waren?
Nie und nimmer würde ich einen meiner Lieben zum Sterben zurücklassen, würde alles tun um das zu verhindern. Es schien, als wäre ich im Begriff mich von festgefahrenen Traditionen befreien zu wollen, während andere umso mehr dran festhielten.
Jakob's Tinkturen halfen mir, die Suche nach Kräutern, das Zubereiten derer, seine ruhige, aber bestimmte, oftmals sogar zauselige Art mit mir umzugehen verbannte meine nagenden Gedanken in den Hintergrund.

Doch ausserhalb der dicken Mauern des Zunfthauses schien der Hexelkessel zu brodeln. Gerüchte, dass die Kirche Mithras uns Mondgläubigen Böses wolle, unseren Glauben gänzlich auszumerzen versuchte, versetzte mich in sorgenvolles Bangen, nicht umsonst, da einige Mitglieder der Sonnenlegion mit schweren Hämmern und Äxten versucht hatten unsere Glaubensstätte unweit der Stadt einzureißen. Ein zorniger Ruf ging durch's alte Volk der Mondwächter !
Viele von uns, meine treue Freundin Ailis und mich inbegriffen, begaben sich an den Ort der Entweihung, brachten huldigend Opfergaben dar, sangen und beteten zu den 21 Tag und Nacht.
Doch lag der Gestank von Krieg in der Luft, man rottete sich zusammen, Pläne wurden geschmiedet, man konnte schon beinahe das vergossene Blut Unschuldiger riechen, mir graute davor!

Da begab es sich, dass ich in dem Vogelfrauenbändiger , wie ich ihn fröhlich zu nennen pflegte, einen Verbündeten und Seelenverwandten fand. Auch er schien einen Pfad zwischen den Kulturen zu suchen, einen Weg der es uns allen ermöglichte in Frieden zu leben und der Götter wunderbare Schöpfung geniessen zu können. Zu was anderem als zur Freude und zur Liebe dessen waren wir geboren? Plötzlich verstand ich mich als eine Botschaftlerin, als jemand der den andern die Hand reichen könnte, sie überzeugend , dass wir alle Kinder dieser einen Erdenscheibe sind und es so sinnlos war, sich gegenseitig die Köpfe abzuschlagen und die Hände in Blut zu baden.

Würde die Alchemie mir dabei helfen können?
Ich wusste es noch nicht, doch hatte ich Freunde, derer ich mir sicher sein durfte, und die Liebe zu den vielen Kräutern und Geheimnissen die mir meine Götter offenbarten. Ein Weg der uns helfen könnte Völker zu vereinen, den Tod zu besiegen anstatt ihn herbei zu führen.
Frieden statt Tod - den Verfolgten und zu Unrecht Leidenden zu helfen … war das ein Weg?

Doch würde Baghatur diesen Weg mit mir gehen wollen, oder war der Kampf so übermächtig in seinem Blute vertreten dass alles, was uns zueinander zog, geopfert werden musste?
Mit zittrigen Händen beugte ich mich wieder über meine Arbeit und schnippelte die von Jakob begehrten Kräuter, die Welt ausserhalb der dicken Zunftmauern schien nicht mehr lange fernzuhalten möglich.



[Bild: alchemie_460cutschatt.jpg]
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"In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 05.05.2013, 14:09
RE: "In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 08.05.2013, 17:30
RE: "In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 31.05.2013, 17:58
RE: "In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 23.06.2013, 11:41
RE: "In der Fremde" - von Lysander O'Domhnaill - 28.06.2013, 16:50
RE: "In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 05.07.2013, 23:33
RE: "In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 10.07.2013, 21:31
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RE: "In der Fremde" - von Arys Ni Domhnaill - 11.09.2013, 23:28
RE: "In der Fremde" - von Ailís Maguire - 12.09.2013, 10:42
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RE: "In der Fremde" - von Baghatur - 03.01.2014, 21:36
RE: "In der Fremde" - von Lysander O'Domhnaill - 04.01.2014, 18:25



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