Eine Rast an der Lagerstatt
#1
Es knisterte das Feuer an der Lagerstatt vor ihm, begrenzt in steinerner Runde, welches den ihn umgebenden Wald in ein Schauspiel tauchte und alle Dinge, Bäume Büsche, das Laub und die Zweige und Äste am Grunde in einem Tanz zwischen dem warmen, rot-orangenen Licht und den Schatten und den alles verschleiernden Schwärze der Dunkelheit zwang und sich seit dem Gedenken in allen Zeiten schon gar faszinierend für das Auge darstellte.

Und wie sich dieses Spiel aus Schönheit und Trug vor seinem Auge abspielt, ist es ihm für einen Moment, als überkäme ihn die lyrische Melancholie, welche ihn in so mancher Stunde der einsamen Rast überkommen hatte und ihn auch nach all der vergangenen Zeit daran erinnerte, wie fern die Heimat doch war, hätten die über der nordischen Heimat thronenden Zwillinge doch nicht ferner, ganz und gar einer anderen Welt entrückt, so schien die Erinnerung. Alt und verblassend, die Jahre der niemals stattgefundenen Heimfahrt ungezählt.

Und wie er sich seiner Gedanken hingewandt, der süßen Traurigkeit über die Umstände und den Lauf, welcher die Dinge nahmen, sich erging, waren es ihm diese da, welche als fliessende Worte, gesprochen im reim und vom Klang her in einem leichten Singsang über die Lippen gingen. Auszudrücken, was da seinen Geist zu beschäftigen schien und mit ihrem Klang die nächtliche Stille brechend, welche nur hier und da den glutroten Hölzern und ihrem knistern und knacken weichen musste:

„Jeden Schritt, den ich wag
ob bei Nacht, ob bei Tag
führet mich fort von vergangener Zeit

Doch alslang mein Atem noch geht
und der Wind von Norden noch weht
schreite ich fort auf jenem Weg...

...auf dass er mich dereinst hin zu meinem Ende führt.“*


Und so unbestimmt schien es ihm, kaum da er jener Worte Klang in die Welt gebracht hatte. Er kannte die Pfade und Wege des Reiches, hatte auf jeder von Löwenstein fort führenden Heerstraße gewandelt und doch war ihm der Einblick und die Kenntnis über seinen eigenen Lebensweg doch so fremd wie er ihm fern war. Wurde er nun vollends der städterischen Verweichlichung Opfer? Ein mühseeliger Gedanke, der ihn da erfasste.

„Oh, wehe mir, oh weh!“, klagte seine Stimme grollend, wie wahr es ihm doch auf ein neues erschien, sich in diesem Leben nur dem heiligen Zorn hinzugeben und sich, ganz von ihm erfüllt, all der Menschlichkeit, welche doch auch nach all den Jahren in ihm nicht erlischen wollte, es ihm verwehrt zu bleiben schien, sich dieser zu entledigen und in jener vollkommene Form aufzugehen und zu verbrennen. War daran ein Makel? Eine weitere Frage, derer er sich nicht in vollkommener Überzeugung einer Antwort bewusst fand.

Entgegen alledem jedoch schien die Erinnerung an jenen Tag ihm eine Sicherheit zu verschaffen, als er da und dort auf Waidmannswegen in den Gestaden von Ravinsthal umher striff. In jener Begegnung hatte so viel Erkenntnis gelegen, geradezu jenen Teil in einer fast schon vollkommenen Weise bestätigt, den er doch gerade erst in einem Moment zuvor erst in Zweifel gezogen hatte.

Darob, und wenn er es nicht sich selbst schuldig gewesen wäre, so waren es nicht eben Wesen aus jener Begegnung, derer es galt ihnen in ihrer Hilflosigkeit beizustehen, ihnen Schild und Schwert zu sein, wo kein anderes ihnen Schutz und Wehr bot? Zu streiten wie die Not zur Anklage ruft und freimütig edles Handeln verlangte? War daran nicht eine gewisse und bestimmte Gerechtigkeit, welche die Welt in ihrer unvollkommenen und verdorbenen Art zumindes für den einen Augenblick, in dem der Akt des Handelns einer Seifenblase gleich, zu einem besseren Orte machte, einem welcher der Prüfung an jenem alten Maß der Ideale bestand haben würde.

Wahrlich, so beschloss er, war es an der Zeit um die Dinge zu ihrem rechten Ende zu führen, nun da die Zeiten umso dunkler werden würden, das Unheil gemein mit dem Winter sich am Horizont in dichten Wolken zusammenzog, würde es ein weiteres Mal durch das Diktat der Stunde verlangt werden, das die hohen Worte und die zierenden Wehren, all jener zur Waffe geschmiedete Stahl sich im Gang der Waffen wüde prüfen lassen müssen, die Zeichen dafür waren unverkennbar. Das was geschehen war, würde nicht das Ende gewesen sein, dessen war er sich als eines der wenigen Dinge, vollkommen sicher.

Und diesen Zeiten ging das Herz des Reiches ganz ohne Schutz und Wehr entgegen, unbekümmert seine Wege entlang streifend, doch hatte der vergangene Krieg seine Opfer gefordert und kein strahlender Ritter würde zu seinem Eid sich berufen fühlen, gefallen, geflohen oder verschollen waren sie und so würde diesmal kein Held für sie die Schlachten schlagen, doch...War er war es nicht eben er selbst, der vom Eid gebunden fortan und bis zum Ende seiner Pflicht als das geschworene Schwert der Vogtin von Löwenstein diente, als die Klinge des Willens der Krone sich übte, der sich in der Person seiner edlen Herrin manifestierte?

Fürwahr, das war er! Und wie ein Moment der Klarheit wurde ihm bewusst: Es gab ja doch keinen Ruhm von Dauer und keine vollbrachte Tat und kein Regen aus Guldenthalern war doch am Ende aller Dinge wert, das er am Ende jener Geschichte, die sich aus seinem Leben heraus in jedem Tag ein Stücklein voran schrieb, erkennen zu müssen, das in jenem Dienste er gefehlt hatte und sein Name vergessen werden würde und der Gulden unter dem Laub der Gezeiten zurück in die Erde kehren würde.

Darob würde er, entschlossen nun der Wille, das Schwert von Löwenstein sein, den Schild zu seiner Wehr tragen, sich auf ein allerletztes Mal in der Flamme der unteilbaren Pflicht ergehen und wenn es der vollendeten Tat gerecht würde sich ebenso von dieser verzehren lassen.

Auf das vor den Gerichtständen auf der anderen Seite er keine Scheu haben würde müssen. Nicht für ihn. Nicht zu seinem eigenen Ruhm. Nein. Für diesen kleinen Augenblick der Gerechtigkeit, möge er als Funke auch nur für die Dauer eines Wimpernschlages in der unendlichen Ewigkeit der Zeit vermögen die Dunkelheit die da komme zu erhellen.

OOC
*: Frei interpretiert nach: Blind Guardian - Souldforged
"Then fall in lads behind the drum
With colours blazing like the sun,
along the road to come what may:
Over the hills and far away."
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