Rote Drachen
#2
...schweigend verbrachte Marianna die kommende Nacht und den größten Teil des Tages im Tempel, auf einer Bank sitzend. Ihre Miene bis zum kommenden Abend hin leichenblass, ausgemergelt. Ein frommer Mensch, der die Nähe Gottes verspürt, lernt auch den ärgsten Schmerz und die größte Entbehrung im Gebet und der Meditation von sich zu weisen. Sagt man jedenfalls.

Es ward ihr verboten, zu Essen und zu Sprechen. Die Güte, ein Mahl der Kirche, die sie verstieß, als sie noch nicht einmal einen Fuß auf deren Stufen setzte, wurde ihr zur Strafe für das Aufbegehren in einem Disput um die gewollte Ordnung Mithras und deren Verständnis seitens der Armen, zu erhalten, wurde ihr verwehrt.
Die Güte eines Mahles? Diese ältere Frau hat seit ihrer Ankunft in Löwenstein nichts Gutes von jener Kirche erfahren, derer sie Zeit ihres Lebens eine Dienerin war.

Alles was sie besaß, stammte aus ihrem Reiseproviant und der Güte einfacher Menschen aus dem alten Hafenviertel. Selbst dies - einige Essensreste - nahm man ihr nun. Eine Sklavin aus Indharim hatte es zwar nicht besser - aber sie wurde wenigstens aus bloßer Vernunft am Leben erhalten und gefüttert.

Nun. So schnell verhungert schließlich niemand und sobald es ihr wieder gestattet wäre, etwas zu essen und ein Wort auszurichten, würde sie sich auch wieder in die Wälder bewegen und einige Beeren sammeln.

Derweil dachte sie nach - und ob der Hunger ihren Verstand eingrenzte, konnte sie nicht genau sagen, als sie einfach keinen Weg und keine Erklärung für die höhnenden Worte der Priester und baldigen Priester fand.

Seit 1000 Jahren existierten Lehren der Kirche und ein Zauberbuch, in dem jeder Diener Mithras namentlich erwähnt war - außer sie selbst. Und ihre Bemühungen und ihr Dienst um das Heilerhaus und die Armen im Armenviertel wurden ihr letztlich auch verboten - stattdessen wolle sich die Priesterschaft des Tempels aus Löwenstein sich diesem nun annehmen, so wie er bereits die Gaben, die sie von gläubigen und guten Menschen erbat an sich nahm; ohne zu registrieren, dass dies nicht sein verdienst war. Doch all das hatte keine Bedeutung. Es ging nur um das Nennen einer Anrede. Nicht mehr. Nicht weniger. Die Kirche Mithras und diejenigen, die ihren Tempel besetzten, als er verlassen wurde.
Träumte sie ... war dies hier alles ein Hirngespinst? Nahm es endlich ein schlimmes Ende mit ihrem Verstand? Wenigstens war dieser auf eine seltsame Art und Weise erschreckende Doctor Loewi nicht im Tempel zu sehen.
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Rote Drachen - von Marianna - 18.05.2013, 15:42
RE: Rote Drachen - von Marianna - 19.05.2013, 00:09
RE: Rote Drachen - von Marianna - 20.05.2013, 21:38
RE: Rote Drachen - von Reginald Loewi - 20.05.2013, 23:58
RE: Rote Drachen - von Taleris Reuenthal - 23.05.2013, 10:28



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