FSK-18 Tagebuch
#13
Wäre ich eine romantisch veranlagte Natur, könnte ich behaupten, dass G. mir die Liebe gezeigt hätte.
Der Zyniker würde sich alsdann fragen, was genau das wohl für eine Lektion war - eingedenk meines Lebenswandels in den folgenden Jahren.

Ich erinnere mich an die damalige Faszination so deutlich, wie an wenig sonst aus dieser Zeit und auch wenn das bereits mein halbes Leben zurückliegt, bilde ich mir ein, dass die Bilder nichts an Farbe, nichts an Schärfe eingebüsst haben. Unser Kennenlernen fiel in eine allzu kurze Phase des Friedens, die bald darauf von skrupelloser Gier ruiniert werden sollte, aber in jenem Sommer war davon noch nichts zu spüren.
All die anderen Verwandten haben sich im Laufe der Zeit in undeutliche, unförmige Schatten verwandelt, deren Anwesenheit ich zwar verstandesmässig begreife, die aber von G. einfach überstrahlt werden.

Das musste sie sein - die vielbesungene Liebe, die auch in den Liedern und Geschichten Nortgards so viel Platz einnahm. Bis heute ist mir nicht klar, ob unsere instinktiven Versuche diese .. Romanze geheim zu halten, erfolgreich waren. Es lag ohnehin ein Schatten von Unwirklichkeit darüber: G. hätte schon damals verheiratet sein sollen, war aber noch nicht einmal verlobt und in meiner ebenso berauschten wie grenzenlosen Dummheit bildete ich mir ein, dass sie auf mich warten würde. Die Zeichen standen an sich tatsächlich nicht so übel: Eine weitere Verbindung zwischen den Familien würde - auch wenn sie aller Tradition widersprach - die zarten Bande stärken.

Und dann fiel alles auseinander.

Seitdem sind dreizehn Jahre vergangen.
Dreizehn Jahre, die ich mit Nichtigkeiten füllte, mit aus Zorn geborener Herablassung und einer Verschwendung als wollte ich nur auf das Ende aller Tage warten.
Dreizehn Jahre und genug beiläufige, bedeutungslose Liebschaften, dass es mich am Ende sogar langweilte Kerben in meinen Bettpfosten zu ritzen.

Und dann stand sie wieder vor mir: Wie eine Traumerinnerung, die unversehens in das helle Licht des Tages tritt. Unbeschädigt von all den Jahren.

Zumindest wollte ich das glauben.
Es war dumm sich herausfordern zu lassen.
Dumm, dem Begehren nachzugeben.
Noch dümmer sich einzureden, sie hätte all diese Zeit .. irgendwie auf mich gewartet. Klar.

Und doch .. es hätte funktionieren können. Mehr noch: Es hätte mich befreien können - und zwei Tage lang war ich voller verrückter Hoffnungen, ganz wie in jener lange zurückliegenden Zeit.
Dann verstand ich, dass sie schon längst .. beschädigt war. Wieder einmal hatte ich die falsche Karte ausgespielt und nun würde mir nichts bleiben als darauf zu warten, bis ich die Rechnung präsentiert bekam. Beim letzten Mal hatte mich das meine Freiheit gekostet. Gelernt hatte ich daraus offenbar nichts.
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Tagebuch - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:33
Am Anfang - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:41
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RE: Tagebuch - von Durias Zobel - 12.02.2018, 18:14



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