FSK-18 Tagebuch
#7
Was als Nieseln begonnen hatte, war in den nächsten Tag zu heftigem Regen gewachsen: Dicke Wolken schleppten sich mühsam über den Himmel bis sie gegen die Berge stiessen und dort ihre Last verströmten wie ein abgestochenes Schwein sein Blut. Und tatsächlich schwoll der kleine Bach zu blutrotem Tosen an als er gurgelnd über die Ufer trat, Lehm und Rost ebenso mit sich reissend wie die kleine Brücke, die sicherlich seit zwei Generationen hier gestanden und den Einschnitt in den Felsen überspannt hatte.

Im ersten Augenblick empfand ich das als eine grossartige Geste: Der Bruch mit Löwenstein, mit Servano - ach was: Der ganzen Welt. Alle Verplichtungen gingen im schäumenden Gurgeln des zum Fluss gewachsenen Baches unter und obwohl ich keinen trockenen Faden am Leib mehr hatte, fühlte ich mich .. frei.
Eine Illusion, aber eine die ich auskostete, bis der aufkommende Wind mich in den Schutz des Bergwerkes trieb.

Die Stollen waren ebenfalls alt, möglicherweise bereits vor Jahrhunderten in den Fels getrieben waren sie über lange Zeit verlassen gewesen, denn es war einfacher und billiger gutes Erz aus Nortgard zu erhandeln, als hier in den steinernen Eingeweiden zu wühlen. Das Schliessen der Grenze hatte nicht nur den Handel zum erliegen gebracht, sondern auch wieder Leben in diese längst aufgegeben Höhlen.

Darin lag manche Gefahr: Was damals stabil und sicher gewesen war, hatte sich im Laufe der Zeit verzogen, die Berge selbst schienen sich zwar unendlich langsam zu bewegen - aber doch so, dass sich Spalten und Risse in den Jahren vergrösserten. Dann brauchte es neue Balken um die Decke abzustützen und Pumpen, um das Wasser aus den tieferen Stollen zu bekommen. Unterließ man diese Pflege, dann vergammelte das Holz und der Berg wandelte sich zu einer Todesfalle, die jederzeit zuschnappen konnte. Von genau dieser Art war mein Berg auch.
An guten Tagen war nur etwa die Hälfte des alten Werkes zugänglich, denn noch hatte niemand sich die Mühe gemacht das stille Wasser herauszupumpen und es gab Gänge, durch die unablässig Wasser rieselte. Aber es gab Erz zwischen all dem tauben Gestein: Eisen, bisweilen sogar ganze Adern von Silber, die sich einem ungeübten Auge leicht entzogen. Von den Löwensteinern wagten sich nur selten einige hierher und auch von den nortgarder Zuwanderern mieden die meisten diese schroffen Felsen und folgten damit dem besorgten Rat der erfahrenen Bergleute. Direkt vor dem gähnenden Maul des Berges gab es eine kleine Hütte, mehr ein Notunterstand als etwas Anderes, eben mit genug Platz für einen Mann um sich auszustrecken und auszuruhen. Die verzogenen und verwitterten Bretter reichten für Schutz vor der Sonne, aber nicht vor dem unablässigen Regen, der alle Erde von den Hängen spülte und nur rohen Stein zurückliess.

Da glaubte ich unter der Erde einen besseren Schutz zu finden. Hier würde ich einfach aushalten und arbeiten, bis der Regen ein Ende fand und der Fluss wieder zum Bach wurde. Dann konnte ich den gewohnten Trampelpfaden zurück bis zum Fuße des Berges folgen und dort die Strasse nach Löwenstein betreten. Zunächst hatte ich Glück: Ich eröffnete eine alte Abzweigung neu und fügte dem beständigen Lied von tropfendem Wasser in der Dunkelheit Schläge mit der Hacke hinzu, trieb das Stemmeisen in Engen und Spalte bis eine halbe Wand herunterstürzte und mein Grubenlicht begrub. Ich stolperte minutenlang fluchend umher, bis ich die Ersatzlampe gefunden hatte, die ich nur wenige Schritt entfernt zusammen mit dem Rest meiner Ausrüstung abgelegt hatte. Das müde Öllicht kam nur schwer gegen den wallenden Staub an, aber reichte doch um den scharfen Bruch zu beleuchten, den ich so unversehens aufgetan hatte. Silber.

In Nortgard gab es diese dünnen, sich durch den Stein ziehenden Fäden selten, dort brach man häufiger dünne Blättchen aus dem Stein heraus. Aber das war Silber, daran konnte kein Zweifel bestehen - genausowenig daran, dass es für mich unmöglich sein würde das ohne Hilfe zu fördern. Andererseits hatte ich Zeit und die weggerissene Brücke würde dafür Sorge tragen, dass mich so bald niemand stören würde. Da ahnte ich noch nicht, dass das bald mein geringstes Problem sein würde.
Wie berauscht schlief und ass ich im Dunkel des Berges, hämmerte unablässig an den bereits herausgebrochenen Steinen um die dünnen Fäden herauszubekommen, bis ich es schliesslich aufgab und einfach begann jene Brocken aufzuschichten, die mir am erfolgversprechensten erschienen.

Ein erfahrener, besonnenerer Mann als ich hätte die Warnzeichen vielleicht bemerkt. Das Flackern des Lichtes. Den anschwellenden Gesang der Tropfen. Aber wie gewöhnlich war ich blind für diese subtilen Hinweise. Erst als das Wasser mir in die Schuhe schwappte wurde ich gewahr, das es die Feuchtigkeit nicht nur durch das den normalen Eingang eindringen konnte: Überall musste es Risse geben, in die das Wasser nun kroch, vielleicht hatten sogar meine Hiebe blockierte Kanäle wieder geöffnet. Schon stand ich bis zu den Knöcheln in der unablässig weiter steigenden Nässe.

Mein Licht!
Ich kam eben noch rechtzeitig um die kleine Laterne zu retten und wich dann in ohnmächtiger Wut weiter zurück. Das Wasser verfolgte mich ohne Eile aber unablässig, quoll irgendwann an das Licht eines wolkenverhangenen Tages. Diese Grube würde niemand mehr leerpumpen.
Als die Sonne an diesem Tag unterging, war mir von meinem Fund nicht mehr viel geblieben als eine Handvoll silbererzhaltiger Brocken und ein durchnässter einsamer Fleck am Berge ohne die Möglichkeit der Rückkehr. Selbst die mürben Vorräte waren durchweicht, zu ekligem Teig aufgequollen der in der Kehle noch weiter zu wuchern schien.

Sieh nach vorn, Durias. Du hast ein paar Tage Ruhe. Es ist beinahe schon lächerlich, dass dieser Gedanke tatsächlich wirkte.
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Tagebuch - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:33
Am Anfang - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:41
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RE: Tagebuch - von Durias Zobel - 12.02.2018, 18:14



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