FSK-18 Tagebuch
#15
Drei Nächte ohne Schlaf und nachdem ich alles von Gestern als Totalverlust ansehen möchte, ist es als wäre ich heute .. irgendwie darüber hinweg. Das ist natürlich eine vollkommen absurde Vorstellung, ähnlich gewiss der eines Verreckenden, der seine sterbende Fähigkeit Schmerz zu spüren, für Anzeichen einer Wunderheilung hält. Aber für den Moment, bin ich es zufrieden wieder normal denken zu können. Es kann nicht lange dauern, bis dieses Aufwallen vorüber ist und vielleicht finde ich dann endlich Ruhe.

Vielleicht.

Dass ich die erste Nacht wach lag, schob ich auf anhaltende Grübelei, auf die Ankündigung Jakobines das Haus Ganter zu verlassen und damit war ich es mehr oder weniger zufrieden, bis ich dann nach redlichem Tagewerk erneut auf den alten Strohballen lag und kein Auge zubekam. In dem Augenblick gesellte sich Ratlosigkeit dazu: Natürlich schmeckte mir die Aussicht bitter, dass sie bald nicht mehr da sein würde, aber andererseits war es genau das, was ich ihr immer geraten hatte. Verlass dieses Haus des Wahnsinns, bevor es dich verschlingt. Und nun, da sie im Begriff stand genau das zu tun, rolle ich mich auf peinlichste Weise hin und her ohne noch Schlaf zu finden?

Ich kann das nicht ernsthaft als Grund akzeptieren.

Leider gibt es nicht gerade viel, das sonst noch in Frage kommen könnte.
Schön, die Aufregung rund um Georgia, die mich immernoch meinen Kopf kosten könnte, wenn sie den Mund im falschen Moment aufmacht - aber daran habe ich mich, so eigenartig das auch ist, gewöhnt. Das ist ein Messer, welches die ganze Zeit an meiner Kehle sitzt. Ich kann nichts dagegen tun.

Als ich mich nach der zweiten schlaflosen Nacht erhob, wusste ich bereits, dass ich von diesem Tag nicht viel zu erwarten hatte und tatsächlich war das Ergebnis des Tagewerkes mehr als bescheiden: Von der ganzen abzuarbeitenden Bestellung hatte ich nur ein einziges Jagdmesser fertiggestellt, der Rest erfreute sich eines Daseins als deformierte, verbrannte Klumpen, die ich irgendwann mit viel Mühe reinigen und schmelzen würde.

Immerhin: Lyanna Ennisfree. Kurzweilig, trotz meiner Müdigkeit und die Ohrfeige am Ende mehr als wert. Der Zyniker in mir begrüsst ihre freundliche, hoffnungsvolle Art als Köder, auf den Löwenstein anspringen wird .. um sie durchzukauen und auszuspucken. Ein Monat hier und davon wird nichts mehr übrig sein. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie dann noch so amüsant sein wird. Wahrscheinlich nicht - aber es wird ja ständig neues, hoffnungsvolles Blut in die Stadt gespült.

Auch in dieser Nacht fand ich keine Ruhe, wann immer ich die Augen schloss, wiederholten sich auf der Innenseite meiner Lider Erinnerungen die wahllos aus meinem Leben herausgegriffen schienen. Ein kalter Winter in den Ruinen von Hormain. Ein erbitterter Streit mit früheren Freunden. Ein Kartenspiel, bei dem ich gewann.

Ich bin mir nicht .. ganz sicher, was der nächste Tag alles beinhaltet, denn die Grenze zwischen diesen halb träumenden Einbildungen und der Wirklichkeit schien zu verschwimmen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine alte .. Freundin wiedertraf: Hildegard Leigin, die irgendwann ebenfalls Nortgard verlassen haben musste.
Wo? Ich habe keine Ahnung. Wann? Kein Schimmer. Ich hoffe nur, ich habe mich nicht zu sehr danebenbenommen, denn auch das ist in den Schleiern des Vergessens verschwunden.

Und heute .. nachdem ich wieder die ganze Nacht kein Auge schliessen konnte, ist dieser Nebel verblasst. Ich kann nicht sagen ich wäre .. frisch. Aber immerhin weiss ich wieder wie Buchstaben aussehen. Das könnte man als Fortschritt bezeichnen.
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Tagebuch - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:33
Am Anfang - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:41
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RE: Tagebuch - von Durias Zobel - 12.02.2018, 18:14



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