FSK-18 Tagebuch eines Monsters
#8
VII.                 Episode - Kontrolle

Von der Erhöhung aus habe ich einen guten Blick über das Herz von Candaria. Wie traurig, dass die Burg des Fürsten erst dann richtig fertig gestellt wurde, als Candaria bereits kurz vor dem Untergang stand. Früher hausierten und patrouillierten hier ehrliche und loyale Menschen und Soldaten, nun ist das Land von Stüpp beherrscht.
Bei der kuriosen Bezeichnung Stüpp handelt es sich um korrumpierte Werwölfe. Korumpiert.. Durch Arellus Wahnsinn und zweifelhafte Ambitionen an ihn gebunden.

Arellus Armee wirft viele Fragen auf: Wie hat er diese Massen erschaffen? Sie sind als einzelne Wesen nicht sehr stark, jedoch habe ich mich nie an eine größere Gruppe gewagt. Und wie agieren sie, wenn ihr Herr in Ihrer Mitte ist? Sehen Sie ihn als Alpha an? Oder ist er nur ihr Erzeuger? Woher hat er die Kapazitäten? Ist es die Restbevölkerung von Candaria? All die Händler und Wachen? Hat er seine eigenen Wachen zu Stüpp gewandelt?
Candaria ist ein reines Mienenfeld. Stüpp soweit das Auge reicht. Warum keiner etwas dagegen unternimmt? Weil niemand dazu fähig ist diesen Wahnsinn zu kontrollieren. Außer vielleicht mir. Ich kann nicht länger die Augen davor verschließen. Ist es ein Zeichen der Götter, dass ich bei meinem letzten Besuch in Candaria Arellus unfreiwillig getroffen habe? Nicht, dass ich noch in der Gunst der Göter stehen würde, sie sehen mich wie jedes andere Monster als unwürdig und schändlich an. Es ist immer wieder eine grausame Erkenntnis, die sich in physischem Schmerz kanalisiert, wenn ich einer heiligen Stätte zu nahekomme.

Eigentlich ist es egal, was mich an diesen Punkt getrieben hat. Vielleicht liegt es an meinem Schuldbewusstsein, obwohl ich nie dachte, eins zu besitzen. Zumindest kein Ausgeprägtes. Arellus war einst meine Verantwortung, denn er hat mir vertraut und ist mir bis zum Ende gefolgt. Selbst, als sich meine eigene Brut gegen mich gewandt hat und ich der letzte Wolf mit meinen Überzeugungen war, hielt er noch zu mir. Ich würde nicht behaupten, dass ich ihm dafür etwas schuldig bin, denn immerhin war es seine eigene Entscheidung. Aber es kann nicht schaden dem ganzen auf den Grund zu gehen. Gut möglich, dass es wahrlich der Wahnsinn ist, der ihn treibt und er nur eine ohnmächtige Marionette ist.

Ob mir mein Plan an meinen alten Freund heranzukommen das Leben kosten kann? Durchaus. Es ist grundsätzlich nie eine gute Idee zu einem Wahnsinnigen nach Hause zu gehen, umgeben von seinen zahlreichen Untergebenen.
Wie mein Plan aussieht? Recht viel hängt von Instinkt und Unwägbarkeiten ab, aber die Hauptidee ist recht einfach: Ich muss an Arellus herankommen und ihn möglichst alleine zur Rede zu stellen. Anschließend gilt es ihn zu überzeugen, dass er seine animalische Seite nicht weiterhin unterdrücken kann, da es ihn offensichtlich tiefer und tiefer in den Wahnsinn treibt. Wahrscheinlich wird er den Punkt nicht einsehen, aber darauf bin ich vorbereitet. Er hat Angst vor dem Kontrollverlust und vermutlich Befürchtung, dass er nicht mehr in seine menschliche Form zurückfindet. Genau aus diesem Grund war er ein guter Beta – der Zweite im Rudel – denn er konnte sich darauf verlassen, dass sein Alpha oder einer seiner Kammeraden ihn zurückholen konnte.

Warum all der Aufwand? Ich muss die Möglichkeit eindämmen, dass er mich oder jemand anderen verrät. In der Hinsicht habe ich keinerlei Sicherheit und bin ihm recht ausgeliefert. Ich hasse es ausgeliefert zu sein. Aber abgesehen vom Eigennutzen kann es nicht schaden zu wissen, woran man ist. Früher oder später wird jemand auf die Idee kommen Candaria anzugreifen, um die Gefahr zu bannen. Ein Ass im Ärmel wie die Möglichkeit Arellus im richtigen Moment zur Hörigkeit zu zwingen, kann absolut nicht schaden.

Meine Werkzeuge der Kontrolle, um an mein Ziel zu gelangen sind recht überschaubar. Der Mond, unsere Verbindung durch die animalische Form, mein Händchen dafür jemanden zu unterwerfen und meine Geheimwaffe, mit der ich ihn jederzeit zurück in die menschliche Gestalt zwingen kann. Da er seine Angst vermutlich nicht ablegen kann, dem Wolf zu verfallen, muss ich diese ausmerzen indem ich ihm beweise, dass ich ihn jederzeit zurückholen kann. Was diese Geheimwaffe darstellt? Arellus Scheusal von einem ehemaligen Lieblingsmantel, ein feines Kleidungsstück mit übertrieben viel Hermelinfell in candarischem Orange, der obszön nach Arellus Vergangenheit riecht.

Die einzige offene Frage ist, wann der beste Zeitpunkt für das Unterfangen ist? Zu Vollmond, wenn Arellus‘ Wolfsform nur einen kleinen Reiz entfernt ist? Oder der Neumond, wenn die Rückverwandlung am Einfachsten ist und die Stüpp beim Neumondfest beschäftigt sind? Doch spielt es überhaupt eine Rolle? Kommt es nicht vor allem darauf an zeitnah zu agieren, da jeder Tag einen Rückschritt bedeuten kann?
Ich erhebe mich von meinem Spähposten und blicke noch einmal ins Tal. Das nächste Mal werde ich den Mantel im Gepäck haben, ganz gleich wie es um den Mond steht.
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Tagebuch eines Monsters - von Narbenauge - 22.03.2020, 10:44
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