Dies ist der Weltenlauf...
#3
Kapitel 2
Nicht alles ist schmackhaft, was wohl schmeckt...

Man hatte mir schon zu Lebzeiten stets einen schlechten Geschmack attestiert. Sei es Kleidung, die Einrichtung meiner Behausung oder die Wahl meiner Männer. Jeder Mensch in meinem Dunstkreis hatte dazu eine Meinung. Und selbst die Leute außerhalb dessen bildeten sich ein Eine haben zu dürfen. Mein Ziehvater sagte immer die größten Tragödien passieren, wenn man mir die Wahl lässt. Denn ich treffe stets die Falsche. Wie ich ihn vermisse und wie er vermutlich recht damit hatte. Aber nun könnte selbst er mir nicht mehr helfen. An diesem Punkt steh ich nun allein auf weiter Flur und muss meiner Nase folgen, wie ein schlecht ausgebildeter Bluthund. Und es wird schwerer. Nicht weil ich meinen skurrilen Geschmack verliere, sondern weil er sich um die Eindrücke einer ganz neuen Welt erweitert und immer groteskere Züge annimmt. Der Geschmack eines einfachen Menschen ist etwas wundervolles. Und sie wissen es nicht zu schätzen. Keiner von ihnen denkt an die Vergänglichkeit dieses so wundervollen Sinnes. Das herrlich saftige Aroma und die verzaubernde Süße eines frischen Pfirsichs zum Beispiel. Verschwendet einer von ihnen auch nur einen Gedanken daran, welch herrliche Erfahrung der Biss in solch eine Frucht ist? Sie nehmen es als gegeben hin. Essen um sich zu sättigen. Aber was will ich ihnen das vorwerfen... Ich war nicht anders. Ich habe meinen Wein nie derart genossen wie ich es nun tue. Der Geschmack von frisch gebackenem Brot und dieser Duft... oh Düfte. Das ist ein anderes Thema. Ein Herrliches und Abstoßendes zugleich. Nun Esse ich des Genusses wegen, solange ich noch kann. Vielleicht hört es irgendwann auf. Jeder Bissen könnte der Letzte sein und dann ist alles was mir bleibt der zähe Saft, der so schrecklich eisern schmeckt.

Einige interessante Eigenheiten konnte ich schon beobachten, was die gänzlich neue Art der Stärkung angeht, welche mein Schatten benötigt und mir abverlangt. Mit nichten bin ich Expertin in dieser Art von Kost. Doch sind die ersten, unvoreingenommen Eindrücke sicherlich die ehrlichsten.
Frauen schmecken mir besser als Männer. Ein einfacher Fakt, der sich immer wieder bestätigt. Ich bekomme eine Gänsehaut wenn ich an den zarten, weichen Geschmack der Mädchen denke, die ich schon kosten durfte. Sie sind wie vollmundiger, süßer Portwein. Sie liegen schwer im Magen und die Erinnerung an sie bleibt länger in meinem Gaumen. Ihre Essenz ist fein gewoben, als wäre sie sündhaft teurer, schwerer Samt. Und ich will mich darin einwickeln und ihn nie wieder ablegen. Ich würde in ihrem Blute baden, wenn ich könnte. Mögen die Götter mir helfen, was macht dieser Splitter aus mir? Doch es ist wie es ist. Und mit den geschmacklichen Eigenheiten der Menschen, kommt dazu noch die Würze ihrer Emotionen. Und da kommt Sie ins Spiel: Mein kleines Experiment. Ein brodelnder Vulkan an Gefühlen. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen immer wenn ich an sie denke. Ich habe ihre Angst gekostet. Eine interessante Note und sehr aufwühlend für mich. Wenn sie Angst haben, halten sie mir einen Spiegel vor. Ich das Monster.... sie das Opfer. Und es schmeckt seltsam. Streng aber nicht schlecht. Mein Gewissen, das gegen das Scheusal in mir anschreit, verhindert es das ich meine Mahlzeit voll und ganz genießen kann. Also habe ich es auf eine andere Art versucht. Eher unbeabsichtigt. Ich wollte nur reden, doch wie könnte man da widerstehen? Und dann war da ein neues Aroma. Ganz dezent und unterschwellig. War es Hingabe? Aufgabe? Oder Neugier? Ich kann meinen Finger noch nicht darauf legen. Doch scheint die sanfte Art die Bessere zu sein. Wenn ich nicht von Ihm und seinem Hunger getrieben bin und die Angst meine Eingeweide ergreift, will ich weiter von ihr probieren. Ich will Wut, Freude, Trauer und Erregung schmecken und sie ist genau die Richtige dafür. Die Art und Weise wie man eine Frau in diesem Moment hält ist eine gänzlich andere als bei einem Mann. Weibliche Körper sind wie fein geschwungene Instrumente. Man legt seine Finger sanft daran, spielt die richtigen Saiten und schon sind sie wie weiche Butter unter deinen Händen. Und vielleicht, mit Erfahrung, schaffe ich es den bitteren Nachgeschmack der Todesangst und Panik ganz hinauszufiltern.

Männer sind ein ganz anderes Element. Sie sind der raue, vollmundige Weinbrand. Bei allem was mir jemals heilig war, ich liebe sie. Sie machen mich betrunken auf eine ganz seltsame Art. Doch nicht alle Männer schaffen das. Der Geruch ist Ausschlag gebend. Er kann betörend oder abstoßend sein, während Frauen stets etwas lieblich-verführerisches anhaftet. Da ist zum Beispiel der ganz eigene Geruch meines Liebsten. Es schwingt eine Note darin die mich schwindelig macht. Jeden Tag muss ich all meine Kraft aufbringen, um die Beherrschung über den dunklen Schatten in mir zu behalten. Ich will ihn kosten! Das Verlangen ist so stark, es bereitet mir Schmerzen. Doch weiß ich, was ich mit einem einzigen Biss in ihm hinterlassen würde. Mein Herz ist eine heilige Reliquie für mich. Ansehen und vorsichtig anfassen. In mich aufnehmen was er mir an Licht, Lust und Zuversicht spendet, jedoch ohne ihn zu verschlingen und zu zerstören. Ein schmaler Grad den ich wandere und auf dessen Überquerung ich jedesmal drohe in die Finsternis des lauernden Hungers zu stürzen. Andere Männer sind eine Option mit der ich mich abfinden musste. Einer ist da, der eine eben solche Verführung darstellt. Er trägt einen anderen Duft mit sich. Ausgereifter und stärker. Er schmeckt sicher fantastisch, wenn er keine Angst hat. Vielleicht wird es ihn irgendwann treffen, denn schon als Mensch kostete es mich all meine Kraft ihm zu widerstehen.
Das Blut schwacher Männer ist dahingegen wie die dünne Brühe, die man in Armenhäusern ausgibt. Dazu ein Kanten, alten Brotes, bei dem man sich einfach vorstellt der gammlige Flaum am Rand sei guter Löwensteiner Blauschimmel. Alles eine Frage der Einstellung. Man wird satt und lebt wieder ein paar Tage länger. Doch will man das wirklich? Ist es das wert? Ich will nicht darauf angewiesen sein an diesen schwachen, reizlosen Seelchen zu zerren und sie in mich aufzunehmen. Ihr Blut ist so dünn wie ihr Willen und es widert mich an. Der erste den ich jemals trank, war so Einer. Eine rückgratlose Ratte, die vermutlich ihre halbe Sippe und Mithras oben drauf, geopfert hätte um ihren eigenen lausigen pelz zu retten. Das Einzige was ihn erträglich machte, war das Gefühl von absoluter Macht. Ich war die Herrin über sein Leben und wie es enden würde. Das erste Mal das ich den Makel spürte, den der Splitter in mein Herz gepflanzt hatte.

Heute will ich mich hübsch machen. Ich spüre wie es in meinem Inneren rumort. Ich fühle sein Ziehen... seinen Hunger. Und so wird es Zeit für eine kleine Jagd. Ich öffne meinen Schrank voller geschmackloser Kleider, die jede Löwensteiner Dame im Strahl kotzen ließe. Ich wähle das samtene Kleid, das sich anfühlt wie Ihre Haut unter meinen Fingern. Erregung stellt sich ein. Ein pragmatischer Gedanke, als beobachte ich meinen Körper von außen. Ich knöpfe den langen, schweren Stoff über meinem Bauch zu. Lasse den Ansatz meines Busens hervor blitzen. Wie damals, als mein Körper noch voller Leben war, kneife ich in die blasse Haut die sich über meine Brüste spannt, bis sie einen rosigen Schimmer zeigt. Mein ganzer Körper beginnt, in freudiger Erwartung, zu kribbeln. Ich schlüpfe in die Haut einer Anderen. Ich muss Gisla werden um zu trinken. Mein anderes Ich... das alte, kleine, schwache Ich würde daran zerbrechen. Eine reine Schutzmaßnahme. Meine Maske.
Das Haar stecke ich mir zurück. Ein paar Strähnen fallen verspielt über mein Brustbein und in Wellen bis zu meinem Bauch. Ich gebe meinen langen, fahlen Hals frei, als wollte ich meinem Opfer die selbe Mahlzeit anbieten, die ich von ihm fordere. Ob ich heute Nacht finde, was ich suche?  Ich schließe das Mädchen in die hinterste Ecke meines Geistes. Sie hat kein Mitspracherecht. Es geht um Überleben. Ein Gewissen steht dem nur im Wege...
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Dies ist der Weltenlauf... - von Gisla - 12.06.2018, 13:05
RE: Dies ist der Weltenlauf... - von Gisla - 18.06.2018, 13:04
RE: Dies ist der Weltenlauf... - von Gisla - 23.06.2018, 16:07
RE: Dies ist der Weltenlauf... - von Gisla - 17.02.2019, 12:32



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