[Rezeptforschung] [JdR] Vom Mondstahl
#12
Goran hatte sich nicht verändert und das war eine Beobachtung, die der Mann mit einer gewissen Verwunderung machte - um sich dann umso mehr über sich selbst zu wundern. Stabilität war an sich einer der Garanten der Zivilisation und die wenigsten Menschen umarmten die Herausforderung des stetigen Wandels.

'Was ist das Problem mit meinem Umgang, dass ich über einen Mann staune, der ist, was er ist. Ohne Falsch und ohne Zweifel?'

Der Gedanke war den ganzen Abend über geblieben, ein kleinen Flüstern im Hinterkopf, während er den Erläuterungen des Meisters lauschte und mit der Zange arbeitete, mit der Walze und dem schweren Hammer. Der alte Mann, daran gab es keinen Zweifel, war viel erfahrener als er selbst, viel geübter und routinierter im Zusammenfügen der Metallverbindungen, im Zurechtbiegen und Formen, im Abschätzen, was brauchbar war und was nicht. 

Trotz des ungewohnten Materials ging die Arbeit viel rascher voran als der Mann gewohnt war - und er machte sich nicht die Mühe das warme Gefühl von Neid im Magen zu unterdrücken.

Neid, das hatte er schon vor langer Zeit gelernt, war gut. Neid war Leben und Streben und die Wendung zu Mithras hin, hatte dieser Ansicht keinen Abbruch getan. Den Meister bei seinem Tun zu beobachten, zeigte was möglich war.

'Was auch für mich möglich ist.'

Natürlich waren das nicht die ersten Plattenbeine, an denen der Mann gearbeitet hatte: Unvergessen waren die zahlreichen missglückten Versuche aus Stahl und Bronze bevor das gewollte Zusammenspiel das erste Mal den Vorstellungen entsprochen hatte und die Erinnerung an die Schmerzen der aufgeriebenen Schienbeine war genauso lebendig. Form allein war nicht alles - eine Lektion, die nicht nur in Bezug auf die Frauenwelt ihre Berechtigung hatte. 

Und trotz aller Ähnlichkeiten war die Arbeit heute anders und das lag nicht allein an der Anwesenheit und den Hinweisen des Meisters: Das mondsilberne Metall zu bearbeiten fühlte sich eigenartig an, jeder Hammerschlag erinnerte daran, dass dies nicht nur schnöder Stahl war, dem die Form aufgezwungen sein wollte.

Dieses Material war in der Esse gereinigt und geschmolzen worden, der gleich zwei Heilige ihren Segen verliehen hatten. Der Esse, die all die Zeit verborgen unter dem Stein gewartet hatte, gar nicht so weit von den Tunneln entfernt, in denen der Mann selbst fluchend taubes Gestein nach Reichtümern durchwühlt hatte.

'Und dann fand ich den Reichtum gar nicht im Berg.'

Die Erinnerung an das daheim wartende Gold brachte ein Lächeln auf die Züge des Mannes, trotz der tadelnden Ermahnung des Meisterschmiedes.

"Nochmal Durias. Besser aufpassen."

Die Aufmerksamkeit heftete sich einmal mehr an das Werkstück, aber ein Teil der Gedanken blieb dort in der Ferne beim wartenden Schatz.
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RE: [Rezeptforschung] [JdR] Vom Mondstahl - von Durias Zobel - 02.08.2017, 19:06



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