Mika
#2
Der Käpt'n

Die Wanderung gen Norden war mühsam, die unbefestigten Strassen und Wege waren kein Zuckerschlecken, die Stiefel durchweicht und nass, die Kälte kroch in die Knochen und erste Anzeichen schwerer Ermüdung machten Mika das Leben schwer. Auch erleichterte die Tatsache, dass sie ein weibliches Wesen war, die Reise nicht, eher im Gegenteil, und Mika rieb sich etwas dunkle Moorerde ins Gesicht, band ihr Haar zurück, versteckte ihre Brüste unter einem weiten Hemd mit Weste und eignete sich den Gang eines Jungen an. In den dunklen Moortavernen suchte sie stets eine hinterste Ecke und wanderte bereits vor dem nächsten Morgengrauen unerkannt und unbehelligt weiter.
Schliesslich, endlich stand sie vor ihres Onkels Schiff, der Brigga. Der Vater hatte nur selten von seinem Bruder gesprochen, kaum dass man ihn fragte, versuchte er das Thema zu wechseln und umzulenken, umso verwunderlicher war's, dass er von Mika verlangte, jenem die Karte zukommen zu lassen. Was hatte es mit dieser Karte auf sich, sie würde es bald erfahren. Nur Geduld.
Von der Pier her rief sie der Mannschaft zu und nach einigem Hin und Her schaffte man sie auch vor den Käpt'n.
Mika's Blick lag konzentriert auf dem Antlitz des Onkels, die Ähnlichkeit zu ihrem Vater war unverkennbar, die hohe Stirn, die schmale Nase und das dunkle Blaugrau der Augen.
"Ich bin's Onkel, Mika, Vater schickt mich zu dir....", doch kaum dass sie den Satz beendet hatte, zog er sie auch schon am Schlafittchen in die Kapitänskajüte.
Mit ernstem, besorgtem und Schlimmes ahnendem Blick legte er eine Hand an Mika's Schulter. "Er ist nicht mehr am Leben, aye?" kams leiser mit rauher Stimme. Als Mika nur sachte nickte vernahm sie den schweren Atemzug, seine Hand rutschte von ihrer Schulter und er drehte sich fort, still und schweigend und verharrte so einige Augenblicke.
Mika's Blick wanderte über die Kapitänskajüte, den schweren, kunstvoll verzierten Tisch, die verglasten Butzen der Fensterfront, hier schien Armut fern zu sein. Warum nur hatte ihr Vater das armseelige Leben in Hohenmarschen vorgezogen, wo doch Reichtum und Seefahrt ein Teil ihres Lebens hätte sein können.
Es verlangte sie nach Antworten, ungeduldig wartete sie bis sich der Onkel ihr wieder zuwandte.
"Vater gab mir diese Karte, ich musste schwören den Sumpf zu verlassen und sie zu dir zu bringen. Es ist alles was er mir vermachte. Wirst du mir helfen Onkel?" und mit diesen Worten zog sie das aufgewickelte Pergament hervor und reichte es ihm.
Ein Blitzen durchzog den von Trauer bedeckten Blick. " Ludwig, du Bastard", murrte der Käpt'n, "verbringst lieber dein Leben in Armut, glaubst an Flüche, dummer Hund".
Mit der Karte schritt er langsam zu dem reich verzierten Tisch, breitete sie aus und legte beschwerend sein Entermesser darüber. Leise begann er zu sprechen:" Wir waren jung, dein Vater und ich, besegelten gemeinsam die sieben Meere, Seite an Seite so wie Brüder es tun. Der Sumpf unserer Väter konnte uns gestohlen bleiben. Eines Tages verprassten wir unsere Heuer in einer der vielen Hafenspelunken, dein Vater knöpfte einem Kerl diese Karte beim Glücksspiel ab. Ein Weib kam auf ihn zu, verlottert und einäugig, sie sah die Karte und warnte ihn nie und nie den Schatz zu heben, der sei verflucht. Hätte ich gewusst, wie abergläubig Ludwig war, hätte ich sie ihm abgenommen, doch er trug sie jahrelang mit sich ohne auch nur Ausschau zu halten, wo diese Karte hinführte.
Dann lernte er deine Mutter kennen, die Götter mit ihr, er verließ das Schiff, verließ die See und tauschte es gegen das Leben eines Marschenläufers ein, so ein Dummkopf. Wie es aussieht, liegt der Schatz, oder was auch immer dort vergraben liegt dort unter'm X.
Glaubst du an Flüche, Mika? Denn wenn nicht, werden wir dein Erbe holen gehen.
" Ein nachdenklicher Blick zur Kajütentür, ein Reiben des Kinns bevor er sich wieder an sie wandte. " Meine Mannschaft ist alles andere als vertrauensseelig Kind, und so ungern ich es zugebe, du befindest dich auf einem Piratenschiff, die Götter mögen mir das vergeben." Tief schnaufte er auf, packte die Karte und riss das Viertel mit dem X ab und reichte es Mika.
"Zu deinem Schutz und zu unserer Sicherheit. Sowie sich die Gelegenheit ergibt, fügen wir die Teile zusammen und holen uns was dir zusteht. Solange jedoch bist du der Schiffsjunge und schweigst. Verstanden?"
Mika nickt nur, faltete das Viertel der Karte zusammen und steckte es ein.
Doch hatte der Käpt'n die Durchtriebenheit seiner Mannschaft nicht bedacht, denn schon bald sprach sich die Kunde von einer Karte an Bord herum.


[Bild: xmy4noss.jpg]
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Mika - von Mika - 26.02.2017, 15:26
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