FSK-18 Gezeitenwende
#5
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein. Rilke


Die Tage vergingen schleppend langsam, eine endlose Aneinanderreihung von Terminen, Schreibarbeiten, Planungen und Maßregelungen. Fast schien es der Vogtin, als würde dieser Winter niemals enden, als würde es der Sonne in diesem Jahr nicht mehr gelingen, durch die dichten Wolken zu brechen und die tiefe Wintermelancholie zu vertreiben.
Selbst der Schlaf war nicht mehr erholsam, das Lachen klang nicht mehr in den Ohren nach, und des Nächtens hallte die Stille von den Wänden wieder.

....ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht. ...
ging es ihr durch den Kopf und sie wußte, wenn es ihnen nicht bald gelänge, den schemenhaften Truchsess aus ihrer aller Leben zu bannen, würde ihr Leben ein frühes Ende finden.

Und immer dann, wenn sie kaum noch wagte zu hoffen, sprudelte es tief in ihr hervor, das unbändige, kraftvolle Leben, welches so mitreißend war, dass es wie ein Jungbrunnen wirkte und ihr Kraft für all das Ungemach gab.
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Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 28.12.2016, 10:54
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 11.01.2017, 19:36
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 13.01.2017, 12:14
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RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 07.02.2017, 20:35
RE: Gezeitenwende - von Eirene Kerlow - 08.04.2017, 14:09



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