FSK-18 Schlaflos
#10
[Bild: dark-fantasy-3d-abstract_6.jpg]


Er riecht nach nichts. Sicher, nach Seife und Waffenöl und ein wenig auch nach dem Dreck der an seinen Stiefelsohlen klebt. Gott weiß welche Mixtur ein solches Odeur erzeugt, aber darunter ist nichts. Ein Puls, Blut, der Geruch von alten Schürfwunden, die er vermutlich nicht einmal bemerkt hat. Er selbst riecht nach nichts. Es ist das Seltsamste, was ich jemals erlebt habe. Jeder hat einen Geruch. Jeder riecht nach etwas.
Sein Charakter ist wie sein Geruch. Nicht dass er keinen hätte, aber er ist nicht greifbar. Glatt wie ein Ei aus frischem Eis. Jede Frage rutscht ab und fällt ins Nichts dahinter, und selbst seine Mimik gibt mir zwar kleine, winzige Zeichen, dass da irgendwo weit hinten etwas sein muss, aber die Vorderfront, die Auslage, die er der Welt präsentiert, ist leeres Spiel.

Ich will meine Klauen in sein Fleisch treiben. Sehen ob er schreien kann.

Ich tue es nicht, aber die Beherrschung kostet mich. Ich weiß, dass er mich in Stücke brechen könnte. Er weiß nicht, dass ich ihn in Stücke brechen könnte. Ich muss vorsichtig sein, stets vorsichtig, und ihn nicht unterschätzen. Nicht zu unbedarft sein in meinem Wissen, dass er keine Ahnung hat, was ich vollbringen kann. Wissen ist Macht. Weiß er zuviel, findet er Wege, die er nicht kennen sollte. Manchmal ist die Verantwortung ein Segen, in diesem Fall jedoch... Ein Fluch, nicht mehr.
Maergys findet ihn sowohl faszinierend, als auch widerlich. Seine Wahrnehmungsfähigkeit, die Art, wie er auf Details achtet, locken sie an wie es Licht bei einer Motte tut, aber darüber hinwegsehen, dass er ein Mann ist? Nein.
Ich hingegen, ich will alles von ihm. Sein Wissen. Seine Talente. Seine Erfahrung. Sein glattes, glitschiges, geruchloses Äußeres. Ich möchte ihn pellen wie ein hartgekochtes Ei, und wenn ich fertig bin-

Die Sonne beginnt zu steigen und ich blecke die Zähne gen' Horizont. Noch ist der Himmel nicht mehr als ein Band von dunklem Blau, aber ich fühle es in meinen Knochen. Hier oben auf dem Dach gibt es keinen Halbschatten, in den ich kriechen könnte, um die Nacht auszureizen, etwas länger zu bleiben. 
Besiegt von einer Scheibe aus Mithrasfeuer. Jämmerlich.
Und um dem Fass die Krone auszuschlagen, war er noch nicht einmal in Sicht. Blieb unten, wo ich nicht durch die Fenster sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Vielleicht gar im Keller, ich kann mir nicht sicher sein. Sein Herzschlag blieb stetig, minimal langsamer für die meiste Zeit der Nacht, aber er war nicht fort. Nur... unsichtbar. Maergys hasst ihn nur noch mehr.
Ich finde ihn umso verlockender.
Mein Reißaus findet flink und gelassen statt. Ich rutsche vom Dach auf eine wackelige Passage, lasse mich von der Reling baumeln und lande zwischen rottendem Müll, schleimigem Straßenmatsch und den bröckeligen Häusern des Armenviertels. Mein Glück hat mich heute verlassen, aber es wird noch andere Tage geben. Viele andere Tage. Und wenn ich mit ihm fertig bin, wird entweder nichts mehr von ihm übrig sein, oder aber von mir.
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Schlaflos - von Vertigo - 24.09.2016, 03:01
RE: Schlaflos - von Vertigo - 25.09.2016, 23:28
RE: Schlaflos - von Vertigo - 13.10.2016, 14:13
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RE: Schlaflos - von Bijoux - 04.01.2018, 17:15
RE: Schlaflos - von Bijoux - 02.06.2018, 02:54
RE: Schlaflos - von Bijoux - 25.03.2019, 18:09



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