FSK-18 Yngvar
#14
Löwenstein. Glanz der zivilisierten Welt, Herz des Reiches und vor allem: Herz des rechten Glaubens an unseren Herrn Mithras. Welchen Grund könnte es gegeben haben, dem Schoße Mithras‘ zu entfliehen – vor allem zu einer Zeit in der Pavel, Micael und er die letzten drei kampftauglichen Männer im ehernen Orden der Sonnenlegion gewesen waren. Es konnte nur der Ruf einer Sache sein, dessen unerledigter Makel dem Novizen derart auf der Stirn brannte, dass es keine Alternative gab. Also gab es nur den einen Weg – den des Pilgers.

Und so wie ihn das Lied aus der Ferne gerufen hatte, fernab des Tempels das Licht in die Welt zu tragen, hatte es seine Pfade wieder zurückgesteuert. Es war für Yngvar Stein weder eine bewusste, noch eine anderweitig kontrollierte Entscheidung gewesen: Eines Abends hatte er schlicht und ergreifend festgestellt, dass es Zeit war, zurückzukehren und dass die Ferne ihm bishin alles gezeigt hatte, was es da zu lernen gab.

Also trat er an dem Tage durch die Tore der Stadt, an dem das große Fest der Konklave sein sollte – eine gute Gelegenheit, möglichst viele, alte Gesichter begrüßen zu können. Und so begab es sich, dass der Sonnenlegionär unter dem Glockengeläut der Stadt das Gefühl von Heimat zu spüren begann – die Wärme, die man nur spüren konnte, wenn man direkt am Herzen des Herrn lebte – das auch darob viel gleißender brannte als jedes Lagerfeuer in tiefster Nacht.
Es musste wahrlich ein rauschendes Fest sein, wenn sie die Stadt mit Glockengeläut zu den Feierlichkeiten riefen.

Ruhigen Schrittes bahnte er sich seinen Weg am Friedhof vorbei durch das zweite Tor der Stadt, die seltene Stille am sonst so geschäftigen Tor für einen Moment als gutes Zeichen aufnehmend, ehe er nicht länger ignorieren konnte, dass bereits beim Durchschreiten des ersten Tores etwas zur Vorsicht gemahnt. Ein diffuses, schwer greifbares Gefühl, dass seinen Nacken stärker hinaufkroch, umso weiter er in die Stadt vordrang, bis er es nicht länger ignorieren und schon gar nicht abschütteln konnte. Ein seltsamer Geruch stieg ihm in die Nase – der Geruch von Rauch – und nicht dem, der ein wohliges Kaminfeuer verheißen will, sondern schwerer, schwarzer Rauch. Der Griff um seine Klinge wurde fester, der Blick aufmerksamer. Und als die Glocken schliesslich verstummten, mischte sich ein Raunen in den Hintergrund der Stadt, darunter auch ferne Schreie und Rufe, bis der Novize schließlich die Rauchwolken aufsteigen sah, die aus Richtung des Marktplatzes, aus Richtung der königlichen Burg und - viel wichtiger – aus Richtung des Tempels kamen.

Alle Entspannung war aus dem Gesicht des Streiters gewichen, als er seine Klinge zog und geraden Schrittes auf das Zentrum der Stadt zuzuhalten begann. Und je näher er dem Zentrum kam, umso zahlreicher wurden die verzweifelten Löwensteiner, die um ihr Leben rannten, ohne dass Yngvar sehen konnte was außer einem offenkundigen Feuer am königlich-klerikalen Ende einen derartigen Tumult ausgelöst hatte. Die Hoffnung des Streiters war, dass es nicht der Umstand eines Ravinsthaler Einmarsches war, der sich sicherlich auch bereits bei den Stadttoren angekündigt hatte. Und während die Heerscharen an verzweifelten Menschen, einfachen Schustern, Bäckern und Gerbern an ihm vorbeizogen, schwamm er förmlich gegen ihren Strom an, dorthin wo die Menschen das Unheil flohen, dorthin wo das Licht nicht versiegen durfte.

Er passierte soeben die Altstadt als sein Blick auf eines der dort stehenden Häuser fiel: Eine Buchhandlung, die Erinnerungen weckte und gleichwohl Fragen aufwarf. Was würde sie wohl tun, die einstige Bewohnerin dieses Hauses? Und es war dieser eine Moment, in dem Yngvar Stein unaufmerksam genug war, dass ein Mensch von unnatürlich blasser Haut sich auf ihn stürzte. Die Wucht des Einschlags war selbst durch die schwere Platte schmerzhaft und er wankte sichtbar nach hinten, in ebendieser Bewegung die Klinge nach vorne – zwischen sich und den Angreifer bringend. Entgeistert und vollkommen irritiert brüllte er dem Bleichen entgegen:“ Seid ihr von allen guten Geistern verlassen, eure Hand gegen das Rot des Herrn zu erheben?!“ bis Yngvar erkannte – nein erkennen musste – dass dieses Wesen mehr Kreatur denn Mensch war, als sie sich erneut auf ihn stürzte, nur um in diesem unverhohlenen Angriff zwei direkte Schwertstreiche einzustecken, welche die Kreatur aber kaum langsamer werden ließen. Die Zeit reichte eben gerade, um den schweren Schild vom Rücken zu entgurten als die Kreatur sich im nächsten Angriff gegen sich warf, dabei gegen den Schild prallte und mit seinen klauenartigen Fingern knarzende, kratzende Geräusche darauf verursachte, während der Krieger sich mit aller Macht gegen die unnatürliche Stärke dieses Wesens stemmte.

Der Kraftakt zog sich – so fühlte es sich für den Sonnenstreiter an – förmlich unendlich in die Länge und tatsächlich begann der Zweifel im Streiter hinaufzukriechen, ob es weise gewesen war, sich gegen einen derartigen Feind alleine zu stellen. Mit der Rüstung würde er der Kreatur nicht davonsprinten können, ein Ausweg musste her – schnell.

Der Ausweg kam – wie sich herausstellen sollte in Form einer Gruppe von wehrhaften Flüchtenden, die dem Sonnenstreiter zur Hilfe eilten und dem Biest nach einem langen und kräftezehrenden Kampf den Garaus machten, bis die Gruppe schließlich selbst das weite suchte. Der Krieger indes, sah daraufhin die Straßen eines Löwensteins hinab, dass im Chaos versunken war. Und es gab inmitten dieser Wirren, des Todes und des Kampfes nur einen Ort, an dem die Ordnung als letzte Bastion Bestand haben würde: Den heiligen Tempel des Mithras – möge der Herr ihm helfen, wieder auf dessen Stufen zu treten.
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Yngvar - von Gast - 21.12.2015, 22:09
Im rechten Licht - von Gast - 02.01.2016, 13:06
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