FSK-18 Der Vorbote der Verdammnis
#10
Aus den Schatten beobachtete er, wie der Gerüstete panisch das Haus verließ. So war die Zeit also gekommen... Schon in den letzten Wochen hatte er sich die Zeit damit vertrieben Vermutungen über Tag und Ort der Niederkunft anzustellen, doch hatte sich wiederum erwiesen, dass Prophezeihungen nicht seine Stärke waren. Ein Umstand, der sich manchmal gleichermaßen als lästig wie als positiv erwies. - Zuweilen waren die wispernden, lockenden Stimmen der Gegenwart auch ohne die Stimmen der Zukunft schon Last genug. In den letzten Wochen hatte er sich gänzlich zurückgezogen. Er fand nicht die Ruhe und Konzentration um sich den täglichen Aufgaben zu stellen. Nicht, während er vom stetigen, fast perfide vorfreudigen Raunen, welche die Ankunft dieses Kindes bei den Stimmen auslöste, durchdrungen wurde. Cahira war ein Diamant, ohne es zu wissen. Kyron hingegen war durch und durch verdorben - und stets wenn Reinheit und Makel sich vermischten bestand großes Potenzial. Bereits Lionel war ein wunderbares Beispiel dafür, was würde wohl ihr zweites Kind hervorbringen? So lag er die letzten Wochen auf der Lauer, verborgen in unnatürlichen Schatten, gehüllt in Masken und Verkleidungen, beobachtete aus der Nähe und doch fern. Einmal war er sich sicher gewesen, sie hätten etwas bemerkt, als ihn eine der Stimmen plötzlich lautstark zu verhöhnen begann, dass er gescheitert wäre. - Doch stellte es sich als bloße Prüfung des Bleichen Lords heraus, die er bravourös gemeistert hatte. Innerlich freute er sich an der Gewissheit, dass jene vorlaute Seele nun irgendwo die Gesellschaft eines Foltermeisters des Blutroten Höllenbanners genoss. Versagen wurde bestraft, Erfolg belohnt.

Kyron hatte sich wieder gänzlich in die Rolle des Ehemanns eingefügt, so schien es. Mit der Eleganz eines Holzspielzeugs, aber doch. Zuweilen überraschte es ihn immer wieder, wie anpassungsfähig dieser anscheinend so starre und harte Mann sein konnte. - Aber er war nicht hier, um sein Zeitfenster mit Überlegungen zu verschwenden. Rasch blickte er sich um, vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, ehe er zur Tür huschte und hastig mit jener Handschaufel, die er mitgebracht hatte, vor der Schwelle zu graben begann. In der geschaffenen Vertiefung versenkte er rasch den mitgebrachten kleinen Beutel, der einen eigenwilligen Kräutergeruch verströmte. Nach einem raschen Blick über die Schulter zog er den geflammten Ritualdolch und benetzte den Beutel nach einem geübten Schnitt mit seinem Blut, unentwegt leise Gebete murmelnd. Nachdem das Loch wieder mit Erde bedeckt war, zog er schließlich mit seinem Blut konzentriert das Symbol der ewigen Dämmerung auf den Balken der Schwelle, ehe er sich aufrichtete und rasch wieder in den Schatten um das Haus verschwand. Bald würde der Gerüstete wiederkehren und das Schauspiel seinen Lauf nehmen... Er wartete.
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Der Vorbote der Verdammnis - von Kyrthon Dureth - 12.08.2015, 14:29
RE: Der Vorbote der Verdammnis - von Erzähler - 02.09.2015, 17:57
RE: Der Vorbote der Verdammnis - von Kyrthon Dureth - 22.06.2016, 14:57



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