Zwei Banner für eine Baronie...
#2
Im letzten Dämmerlicht des Abends, kniff sie das linke Auge zu und sah fachmännisch prüfend in den Trog. Über Nacht war das Gewebe ordentlich aufgequollen und hatte den, für dieses Verfahren üblichen, matten Glanz angenommen. Außerdem wurde es so widerstandsfähiger gemacht und konnte mehr den hungrigen Winden und auch den restlichen Freveleien des Servanoer Wetters entgegensetzen. Jeder Muskel schmerzte bereits vom gestrigen Tage, dennoch krempelte sie sich die Ärmel hoch, wenn auch langsamer als üblich und mit vor Schmerz verzogener Miene, und begann die Stoffe noch einmal fest durchzukneten.

Hätten sie gekonnt, hätten sie sicherlich wohlig dabei geseufzt.

Dann zog sie jene Stück für Stück aus dem Salzsud und wrang sie, jedes Einzelne für sich, kräftig aus.

Hätten sie gekonnt, hätten sie nun sicherlich dabei geröchelt.

Mit einem feuchten Schmatzen und Klatschen landeten sie im beigestellten Weidenkorb. Ein kurzer Blick wurde über das Balkongeländer geworfen, um sich zu vergewissern, ob nicht doch noch ein heimlicher Verehrer, Nortgarder, Minnesänger (Es sei denn es wäre Irik), netter Nachbar oder gar Kunde unter jenem verweilte. Leider war dort aber auch kein Büttel, Mithraspriester, Steuereintreiber, Grauwolf oder andere unangenehme Besucher, sondern schlichtweg niemand. So hob sie recht enttäuscht, mit an die Wand gestemmten Füßen und den Einsatz ihrer letzten, verbliebenen Kräfte, die hintere Seite des schweren Troges an, um das Wasser über den Balkonabsatz auf die Straße rinnen zu lassen. Erst plätscherte nur ein dünner Rinnsal herab, doch je mehr sich der Bottich leerte, umso schneller rann das Bächlein nach unten. Sowie er auch seinen letzten Tropfen gelassen hatte, lehnte sie ihn kopfüber und schräg an das Geländer, auf dass er erst einmal trocknen würde, bevor sie sich am nächsten Tag seiner einträglichen Reinigung widmen würde.

Sie schnappte sich den Weidenkorb und ließ ihren geliebten Balkon einsam und alleine im schwindenden Tageslicht zurück. Am Treppenabsatz hielt sie inne und seufzte. Seit gestern schien sich die Anzahl der Stufen eindeutig vermehrt zu haben. Zumindest behauptete das der Muskelkater, der sich inzwischen von den Waden, über die Oberschenkel, gar bis in ihr Hinterteil zog und sie mit jedem Schritt drangsalierte. Langsam und stöhnend, ging sie Schritt für Schritt, einer alten Vettel gleich, die Stufen herab und stöhnte dabei wie ein Grabgeist, bis sie schließlich auch die letzte Stufe im Erdgeschoss überwand.

Hätten die Stoffe in ihrem Weidenkorb gekonnt, hätten jene sie ausgelacht.

Sie trug den Korb zur alten Gerberei auf der anderen Seite der Bogengasse und spannte die Stofflagen mit hölzernen Klemmen auf die Wäscheleine. Nur jene Strippen dort waren so lang, dass sie die viele Knoten reichenden Tücher, straff gespannt, aufzunehmen vermochten. Hier sollten sie bis zum nächsten Tag trocknen, was bei der Hitze, die seit Wochen in den Mauern der Stadt wohnte, nicht allzu lange dauern sollte. Jeder Wahrscheinlichkeit nach, konnte sie diese bereits am nächsten Tag zur höchsten Mittagsstunde wieder abnehmen.
Die Dunkelheit war bereits herein gebrochen, als sie endlich auch den letzten Zipfel mit der Klammer feststecken.

Müde gähnend nahm sie den nunmehr leeren, glücklicherweise jetzt leichten Korb wieder auf und schlenderte die Straße zurück nach Hause.

Hätten die Stoffe auf der Leine gekonnt, hätten sie jetzt geschlafen und ganz gewiss auch geschnarcht.


[Bild: jr2o-30-2c31.jpg]
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RE: Zwei Banner für eine Baronie... - von Carmelina Tartsonis - 04.08.2015, 13:46



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