Der Preis, den jeder bezahlt...
#1
Das Herz raste, es schmerzte als er mit einem wilden Schnappen nach Luft in der Dunkelheit aus dem Lager auf schreckte. Die Hand presste sich auf Herzhöhe. War es nur der Herzschlag oder wirklich das Pulsieren der dunklen Adern an seiner Brust, das er spürte? Wild zuckten die Augen durch die Dunkelheit, nach irgendeinem Anker suchend, der ihn wieder mit der Wirklichkeit verbinden könnte. Dieses fremde, ungewohnte Gefühl der Panik überkam ihn wieder. Angst war ihm nicht fremd, aber es gab einen Unterschied zwischen der Angst vor einem Kampf, der Angst vor Verlust oder Verwundung und dieser urtürmlichen Panik, die ihn nun schon das zweite Mal innerhalb weniger Tage heimsuchte.

Eine Bewegung ließ ihn den Blick hektisch zur Seite wenden. Die Gestalt neben ihm drehte sich auf die andere Seite, leise irgendwas von sich gebend im tiefen Schlummer versunken. Anouk. Da war er, der Anker. Er war im alten Forst. Eine Hütte. Zweitürmen. Alles war, soweit er es gerade ausmachen konnte, in Ordnung. Warum also diese Panik? Bedacht auf Stille schob er sich aus den Fellen, nur mit den schlichten Wollhosen bekleidet verließ er die Hütte. Die Augen adaptierten die Dunkelheit weit genug, dass er sehen konnte ohne in etwas oder jemanden reinzulaufen - nicht, dass es von beidem viel gegeben hätte hier draußen. Erneut fuhr er sich mit der Hand über die unbekleidete Brust. Über zwanzig Jahre Soldatentums hatten ihre Spuren hinterlassen - wie eine Karte, mit Narben auf Haut gezeichnet konnte es erscheinen. Stiche und Schnitte, Bolzen und Pfeile, Bisse und Verbrennungen. Jeder mit einer kleinen oder großen Geschichte versehen, doch keiner beinhaltete das letzte Kapitel. Mit den Fingerkuppen zeichnete er vorsichtig die feinen Adern nach, die sich auf Herzhöhe über seine Brust legten. Es bedurfte nicht viel Phantasie um einen Handabdruck aus zu machen. Einen sehr kleinen Abdruck, zierlich, filigran - und doch flüsterte ihm eine Stimme zu, dass dieser Handabdruck absolut in der Lage wäre ihn auszulöschen.
Langsam wandte er sich um, einige barfüßige Schritte gen des angrenzenden Waldes gehend. Die Augen ruhten auf der Dunkelheit vor ihm, er konnte nicht umhin sich vorzustellen, wie die schemenhafte Gestalt mit dieser rauen Stimme sich plötzlich aus den Schatten löste und auf ihn zu trat. Wieder ihre Hand nach ihm ausstreckte um... Ja, um was zu tun? Da verließ ihn seine Intuition. Es war schon körperlich fast schmerzhaft genau da stehen zu bleiben, sich nicht umzudrehen, die Augen zu verschließen und wieder in der Hütte zu verschwinden um sich weiterhin einzureden, dass er einfach nur müde und überreizt war, dass es nichts gab womit er nicht fertig werden würde. Dennoch, Cahira und Anouk hatten sie auch gesehen, sie gehört... Sie war da gewesen. Andererseits war viel Met am Thing geflossen und konnte man sich wirklich auf solche nächtlichen Erinnerungen verlassen? Mit einem resignierenden, tiefen Seufzen ließ er jegliche Anspannung aus seinem Leib entweichen. Die Götter geben es, die Götter nehmen es. Wenn es in ihrem Willen war, dass er sich erinnern sollte, würde er es tun. Wenn nicht...

Er wendete wieder gen der Hütte um, unschlüssig seinen Rückweg antretend. Schon die Hand nach der Tür ausstreckend, verharrte er abermals. Den Blick auf das Holz vor sich gerichtet, glaubte er wieder diese Stimme zu hören. Eine schnelle Abfolge von unzusammenhängenden Bildern schoss vor seinem geistigen Auge vorbei. Schatten die sich lösten, Körper die zerfetzt wurden, Fleisch das von den Knochen schmolz. Eis und Schnee... ein Kampf, Schwert gegen Magie. Flammen an seinem Körper, ein raues Lachen einer Frau und hinter all dem dieser Donner...

"Ich habe dir gesagt ich werde dich immer finden.... "
Lernen durch Schmerz
Motivation durch Entsetzen
Festigung durch Wiederholung
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Der Preis, den jeder bezahlt... - von Kordian - 04.05.2015, 22:59



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