Das Leben nach dem Tod auf Svesur
#10
Ravinsthal, Gegenwart

Die Münze hatte in einem kleinen Kästchen mit einer fein gebundenen Schleife auf dem Kopfkissen ihres Bettes gelegen. Ein Ritter in Guldenach hatte sie ihr geschenkt und sie wurde im Laufe der Jahre ein Symbol für die schweren, wechselhaften Zeiten, welche die Mendozas durchlitten hatten. Sie hatte angenommen, dass sie das Silberstück verloren oder ihr Vater auf Svesur verkauft hatte - sicher hätte er dafür einen Sack Mehl, eine fette Sau oder Saatgut erhalten; mit Lionel und ihr zählte die Sippe noch zwei Köpfe mehr, die versorgt werden wollten. Doch Cahira hatte nicht den Mut gehabt, in ihr Erinnerungskästchen zu schauen und dann, als sie wieder mit Ehemann und Kameraden vereint gewesen war, war die kleine Truhe ganz nach hinten in ihren Wäscheschrank gewandert und hatte mehrere Umzüge überlebt.

Es war ungefähr zur Zeit gewesen, als sie entdeckt hatte, zum dritten Mal guter Hoffnung zu sein und wie selbstverständlich hatte sie gedacht, dass es ihr Ehemann gewesen war, der ihr dieses kleine, vergessene Präsent gemacht hatte, wie es nun einmal seine Art war, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Ein Lederband war um die Münze geschlungen, so dass man sie wie ein Schmuckstück um den Hals tragen konnte. Cahira nahm das Band nie ab und es wurde zur Gewohnheit, das Silber, erwärmt von ihrer Haut, unter Hemd oder Lederkluft zu tragen.

Nichts, rein gar nichts, erregte den Verdacht, dass etwas mit der Münze nicht stimmen könnte … bis sie das Schmuckstück ablegte.

Zunächst war es die kurz aufzuckende, schreckhafte Sorge, so wie wenn man sich fragte, ob man die Türe verschlossen oder das Herdfeuer gelöscht hatte, doch im nächsten Moment beruhigten sich die aufgescheuchten Gedanken wieder und Cahira erinnerte sich, dass sie die Münze in Kyrons Hände gegeben hatte. Doch mehr und mehr verblasste die Erinnerung an jenen Abend in Hohenquell und es verblieb nur noch die quälende Frage, wo die Münze abgeblieben sein mochte. Dazu gesellten sich Alpträume, die sie keine Nacht ruhig durchschlafen ließen und das brennende Gefühl, mit dem Silberstück etwas sehr, sehr wichtiges verloren zu haben, was sie dringend wiederbeschaffen musste. Ein mahnender Ausschlag hatte sich dort gebildet, wo die Münze einst auf ihrer Haut ruhte, und sie kratzte sich diese Stelle blutig und verbarg sie unter ihrem üblichen Halstuch.

Und Cahira begann zu suchen. Sie stöberte zunächst recht unauffällig in den Schränken und Truhen zu Hause oder durchkämmte mit ihrer Mistgabel die Strohballen. Doch der Kreis, in welchem sie meinte, die Münze verloren zu haben oder vielleicht noch schlimmer, in dem man sie ihr gestohlen hatten - der Dieb wurde büßen! - breitete sich allmählich aus, die Nachforschungen wurden mit jedem Tag eifriger, manischer und die junge Frau immer verzweifelter. Um jeden Preis musste sie die Münze finden … um jeden Preis!
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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RE: Zukunft - von Cahira Mendoza - 05.04.2015, 18:18
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