Das Lied der Klinge
#10
Now the people, they all dream
Of an Ireland free and green
Where nowhere can be heard the battle-cry
The fighting's gone too long
And it just drags on and on
I'd like to know some peace before I die


Free and Green - David Kincaid



Wieso sollte es denn auch irgendwann mal besser werden? Es änderten sich nur Namen. Die Namen der Menschen, die Namen der Landstriche. Silendir, Guldenach, Hohenmarschen, Löwenstein, Flüsterwald, Zweitürmen. Namen und noch mehr Namen, inzwischen mehr als er gewillt war sich über die Jahre zu merken. Und immer das selbe Schema. Ein Auftrag, Befehle, Konflikte, Bündnisse. Kämpfe, Verletzte und Tote. Es zog sich wie ein roter Faden durch seine Lebensgeschichte. Ein tropfender roter Faden, wenn man diese blumige Metapher zulassen wollte. Und wieder zeichneten sich die selben Schemata ab, die er schon so oft erlebt hatte. Jemand wollte etwas erledigt haben. Jemand hatte Pläne im Kopf. Jemand, der keine Ahnung davon hatte was es bedeutete diese Pläne wirklich umzusetzen. Und selbst wenn er die richtigen Worte gefunden hätte um ihnen die Komplexität eines Einsatzes dieser Art zu erklären, würden sie es dennoch nicht verstehen und an dem simplen Gedankenkonstrukt ihrer eigenen Einbildung festhalten. Es war als ob man ihm befehlen würde ein Loch zu graben und wenn er nach dem Werkzeug fragte, würde man ihm einen Besen reichen. Natürlich würde das Loch auch so irgendwann fertig werden, aber es wäre eben alles andere als angenehm den Auftrag auszuführen.

Ein gepresstes Knurren - tief, animalisch und nur schwerlich kontrolliert - entsprang seiner Kehle als er mit einem Anflug des aufgestauten Zorns die zusammengeknüllte Schärpe quer durch den Raum warf. Sich im Flug entfaltend, blieb sie provokant über dem Rüstungsständer mit seiner Wehr hängen. Als ob sich jemand einen schlechten Scherz erlauben würde und nichts als Spott für seinen Zorn hätte, baumelte sie im sachten Flackern des Kerzenlichts über einer der Schulterplatten. Das Herz pochte in seiner Brust, das Blut raste durch den Körper als er sich wie vom Donner gerührt das rote Rangabzeichen eines Leutnants besah. Es war schon fast körperlich schmerzhaft sich zur Ruhe zu rufen, die Atmung abzuflachen und die sorgsam einstudierten Übungen zur Kontrolle seines Zorn durchzuexerzieren. Anouk. Sie konnten nichts dafür, sie wussten es nicht besser. Wahrscheinlich hatten sie noch nichtmal eine Vorstellung davon, was diese Art von blindem Abwarten für Konsequenzen haben konnte. Wald. Er hatte Verantwortung übernommen. Kein Schwur, keine Bindung, nur seine eigene freie Entscheidung. Sternenhimmel. Langsam fuhr er sich mit beiden Händen über das Gesicht. Er zwang die Atmung zurück in geregelte Bahnen. Die schwere Tür mit den vielen Ketten vor seinem inneren Tier schloss sich Stück für Stück. Es würde die Zeit kommen, in der die Ketten abgelegt werden würden, in der er ohne Angst um seine Taten Gwynn und Gerehan dienen würde. Es kam immer die Zeit.

Leise entwich ihm ein Seufzen als seine Aufmerksamkeit endlich von dem Rangabzeichen gelöst wurde und zu einem der kleinen Fenster wanderte. Es war dunkel, die Nacht war hereingebrochen. Die Lieder der Vögel waren inzwischen fast gänzlich verstummt und auch die anderen Geräusche des geschäftigen Treibens der Bewohner waren einer seltsamen Stille gewichen. Ohne grosses Zutun seinerseits wanderten die Gedanken zu der Galatierin. Zu diesem ruhenden Pol, an dem er sich zumindest für wenige Stunden keine Sorgen machen musste über Befehle, Verantwortung und Verpflichtung. Konnte es etwas Falsches sein, sich dem Gedanken hinzugeben - irgendwann bevor Morrigù ihn holte - Frieden zu finden? War Frieden etwas womit er zurechtkommen würde? Gedankenverloren stützte er die Hände an der Fensterbank ab. Da war es wieder, dieses kleine undeutbare Lächeln, das sich die letzte Zeit immer auf seine Züge schlich, wenn er an sie dachte. Sie würde ihm folgen wohin auch immer er ging. War er ein Narr diesen Worten soviel Bedeutung beizumessen? Hatte er sie nicht ähnlich schon früher gehört? Er würde es nie herausfinden ohne sich einem Risiko auszusetzen. Aber gerade Risiken waren etwas, womit er sich gut auskannte. Und was sollte es bringen alles im Voraus zu wissen? Sollten sich die Götter mit diesem Wissen belasten, er genoss dieses Gefühl an jemanden denken zu können, der sich allem Anschein nach die Zeit genommen hatte einen längeren Blick auf ihn zu werfen - abseits der Uniform und der Herkunft - und entschieden hatte, dass er es wert wäre.

Mit einem Ruck des Kopfes, ein unschönes Knacken der Nackenwirbel verursachend, wendete er sich von dem Fenster ab. Nicht minder schwer war es Anouk aus seinen Gedanken zu verbannen und sich wieder den Karten und Unterlagen auf dem Tisch zuzuwenden. Er hatte den Befehl bekommen über den Einsatz. Es war nicht der erste und so der Stählerne mit ihm war auch nicht der letzte dieser Art. Aufklärung und Sichtung. Rein und raus ohne großes Drumherum. Vielleicht noch ein oder zwei Stunden Konzentration. Dann würde er die Kerzen löschen und Grollbringer satteln. Wer weiß - vielleicht war ihm das Glück heute gewogen und er würde sie sehen..

Nur die Namen änderten sich, sonst blieb alles gleich. Und diesmal war der Name eben Ravinsthal...
Lernen durch Schmerz
Motivation durch Entsetzen
Festigung durch Wiederholung
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Das Lied der Klinge - von Kyron Mendoza - 06.03.2015, 13:44
RE: Das Lied der Klinge - von Kyron Mendoza - 06.03.2015, 16:10
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