Im Angesicht des Mondes
#4
Nunmehr einen Mondlauf lag das Unglück zurück, nach und nach gelang es mir mich zurechtzufinden. Ich verdiente mir mein täglich Brot mit dem Vorhersagen der Zukunft meiner Mitmenschen, auch wenn das Brot trocken und karg war und ohne Butter und noch seltener ein Stück Wurst noch Käse sah. Die Menschen Löwensteins schienen nicht sonderlich besorgt zu sein, was ihre Zukunft betraf, oder hatten derart Angst davor, dass mich nur wenige in ihre Hände blicken ließen. Überwiegend wurde ich als Schwindlerin und Gauklerin abgetan, die Kunst des Handlesens verpönt, verlacht, wenn nicht sogar bespuckt und der Hexerei gleichgesetzt. Dumme Schafe allesamt, so hätte Ama, meine Großmutter gelacht. Doch nach Lachen war mir noch lange nicht zumute, einzig konnten mir einige der Grauwölfe ein Lächeln entlocken, dieses rauhe Pack von Söldnern, die mehr Ehre und Schneid im Leibe zu haben schienen, als so mancher, mit Titeln und Siegeln bedachter Bürger der Stadt. Sie ließen mich oft auf ihrem Ofen sitzen, während sie selbst soffen, sich unterhielten oder schliefen. Ich gewann sie recht lieb, besonders den alten Marquard. Er erinnerte mich an meinen Großvater den ich nie gekannt hatte, doch schienen die Geschichten auf ihn zu passen, zumindest redete ich mir das ein.

Dann war da Einar, einer der das Sagen hatte im Söldnertrupp. Er war wie Onkel Janek der jedem Wind standhielt, einer der kein großes Aufsehen machte, und doch wahrgenommen wurde. Neben Einar saß ich am liebsten, lauschte einfach seinem Atem und beruhigte mich, egal was war, mir einbildend, es sei Janek und Ama nicht weit.

Zudem muss ich noch Richard erwähnen, ein netter Geselle, hilfsbereit und großzügig sowie auch Dalbir, eine Type, dem das Ausmaß seiner Charakterlosigkeit eines Tages den Kopf kosten wird. Er hasste es, wenn ich ihm dieses auf den Kopf zusagte, natürlich, wem gefiel es schon!
Und dann war da der einäugige Hund, seine Ecke am Ofen knurrend verteidigend, während ich mit dem triefend nassen Putzlappen über den Boden schrubbte.

Es war das Armenviertel Löwensteins welches mein Viertel wurde, ich kannte bald jede Pfütze, jedes Loch in der Mauer, ich kannte den Kamin in der Katz, wo stets ein warmes Feuer brannte und ich kannte den Wirt der schimpfte, dass die Weiber Löwensteins zu freizügig seien, sodass Huren überflüssig wurden... ein Hurenhaus ohne Huren, das klang wie ein Bad ohne Seife, wie eine Taverne ohne Met.

So labte ich mich an Löwensteins Öfen und Feuern, es ging auf Wintersonnwend zu, dem Winterfest, es war kalt und dunkel, doch bald versprachen die Tage länger zu werden, dann würde ich den alten Wagen aus dem Schlamm ziehen, anstreichen und ihm bunte Tücher verpassen.

Doch war es Winter und noch hatte ich nicht überlebt....

[Bild: f1d7e4764f3c90b7fc3c590c1f4bcbe8.jpg]
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Im Angesicht des Mondes - von Anjali - 23.11.2014, 19:37
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