FSK-18 Tagebuch einer Kurtisane - die zwei Schwestern
#6
13. Lenzing im Jahr 1402

Es war die richtige Entscheidung, nach Löwenstein zurückzukommen. Ich kann mich auf meine Gefühle verlassen, denn diese sagen mir, dass du hier irgendwo sein musst, Schwesterherz.

Es ist sehr früh am morgen und das langsam nachlassende Mondlicht ermöglicht mir noch genug Sicht zum schreiben, da ich sowieso nicht ruhen kann, bis ich dich endlich gefunden habe.

Ich muss dir zustimmen, denn Löwenstein sagt mir immer mehr zu, da wenig in dieser Stadt ist, wie es zu Beginn scheinen mag. Unter dem Deckmantel der edlen und weltoffenen Königsstadt verbergen sich zwei - wenn nicht gar mehrere - Gesichter, welche für Aussenstehende oftmals nicht sofort ersichtlich sind. Der Eindruck, dass die große Kathedrale Mithras' den Einwohnern alleine durch ihre Präsenz Respekt abverlangt mag wahr sein, doch habe ich nun schon oft genug erlebt, dass unter den Fassaden der braven Bürger so oft die reine unverfälschte Sünde lebt. Zu meinem Vorteil.

Meine Kunden dieser Nacht, ein äusserst nettes Paar, leben im Schatten der Kathedrale und sehen diese sicherlich täglich, doch sobald die Sonne verschwindet und die Dämmerung den Tag frisst, werden die Türen geschlossen, das Licht bis auf wenige kleine Flammen gelöscht und das wahre Gesicht des tagsüber so braven Bürgers offenbart sich in all seiner verdrehten Schönheit.

Der Abend begann sehr angenehm, denn ich begrüsste das Angebot einer Wanne voller warmen Wassers sehr. Das mit betörend duftenden Kräutern versehene Bad lockte mich regelrecht an, als ich die Kleidung ablegte und meinen von der langen Reise geschundenen Körper in diese unbeschreibliche Wonne sinken liess. Doch konnte ich diesen Zustand nicht lange frei geniessen, denn er war bereits Teil des Wunsches meiner Klienten für die heutige Nacht:

Die Dame des Hauses wünschte, dass ich ihren Mann vor ihren Augen verführe. Welche bessere Möglichkeit bietet sich da an, als meinen nackten Leib in einer Wanne vor diesem zu zeigen? Das schwache Licht zweier einsamer Kerzen reichte aus, um noch genau zu erkennen, was sich wo befand, jedoch nicht, um genauere Details auszumachen.

Als der Mann meiner Kundin sich gerade anschickte, meinen Rücken zu säubern, betrat diese in aufreizender Kleidung den Raum und wies an, dass er mich jetzt und sofort nehmen soll. Es dauerte tatsächlich nur einen kurzen Augenblick und ich war aus dem warmen Wasser gehoben und kniete vor ihm, bereit, seine verdorbensten Wünsche zu erfüllen.

Und dieser Mann war wirklich nicht von schlechten Eltern. Selbst nachdem er bereits seine Manneskraft nicht mehr zügeln konnte, konnte ich ihn nochmals überzeugen, weiterzumachen. Bis zum zweiten Mal. Meine Kundin war sehr zufrieden und gab mir ohne Verhandlungsversuche meinen Lohn von 18 Schillingen. Ein Zeichen guter Kundschaft.

Bald wird die Sonne aufgehen und ein weiterer Tag seinen Lauf nehmen. Doch zuerst bleibe ich noch hier liegen. Meine Kunden haben mich eingeladen, in dieser Nacht bei ihnen zu bleiben. Es ist in der Tat ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass ich gerade zwischen zwei Menschen liege, die einander lieben und doch so hemmungslos mit ihrer Lust umgehen. Und sobald die Stadt wieder von den ersten goldenen Sonnenstrahlen erhellt ist, werden die Masken wieder aufgesetzt und ich werde auf der Straße abwertend betrachtet. Besonders von jenen, die des Nachts bei mir waren und von denen keiner wissen darf, dass sie die Dienste einer Kurtisane erworben haben. Ein reizvolles Spiel.

Ich habe bereits eine genaue Vorstellung, wie meine Suche weitergeht, Schwesterherz. Doch dazu muss ich erst jemanden aufsuchen, den ich schon vor Monaten aufsuchen wollte.

Ich werde dich finden, koste es, was es wolle.
o°˜"ª¤.¸ღ¸.¤ª"˜Une fois n’est pas coutume ˜"ª¤.¸ღ¸.¤ª"˜°o
Je ne veux pas dire que je te l'ai dit, mais je te l'avais dit que tu m'aimeras -
alors goute le péché de ma peau.
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RE: Tagebuch einer Kurtisane - die zwei Schwestern - von Jael Wolkenstein - 16.03.2015, 22:11



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