Steilküsten und mehr.....
#10
Sie hatte sich den ganzen Tag herumgetrieben, das wohl schien der Ausdruck ihres ziellosen Umherstreunens zu sein. Anfangs hämmerte ihr Schädel als würden hundert Zwerge ihr Tagwerk verrichten, ihr Herz pochte schwer und jedes Hügelchen schien zu Bergen anzuwachsen. Birnenbrand! So hatte sie die Nacht zugebracht, sich sinnlos betrinkend, einer Wette folgend, wer wen zuerst unter den Tisch zu trinken schafft. Dies ließ sich keine Galatierin zweimal sagen, zumindest keine, dessen Sturkopf starrer und einfältiger nicht sein konnte. Bran litt, und das war auch gut so. Sie hatte keine rechte Erinnerung mehr an diesen Abend, nur daran, dass ein Drachen im Erdgeschoss der Hütte getobt hat während ihr der Birnenschnaps mittlerweile recht zügig die Kehle hinabfloß. Sie redeten über Liebe und Betrug, über Ehre und Feiglinge, über alles was Grausam war und einem das doch so süße Leben verderben konnte,über Galatia und Vater. Freunde wurden zu Fremden und Gossenkinder zu Freunden.
Sie erwachte, ihren Kopf noch auf der Tischplatte gebettet, inmitten von Flaschen und Kerzen. Jemand lag im Bett und schnarchte markerschütternd. Ihr Schädel platzte und leise schlich sie aus der Unterkunft, um sich den restlichen Tag in keinem Gebäude mehr blicken zu lassen.
Schliesslich heilte die frische Luft ihren Zustand, sie wurde nüchtern, fand sich mal hier, mal dort wieder, an der Grenze zu Hohenmarschen, an der Türe des Feinschmieds klopfend, sich an ihr Versprechen erinnernd und als ihr niemand öffnete weiter wandernd, die kalte Winterluft atmend als sei sie das einzig Wertvolle auf Erden. Ihre Beine wurden fester, ihr Schritt zügiger als sie sich über Felsen und Geröll kletternd schliesslich an der nahen Grenze zu Ravinsthal wähnte. Der Schnee musste Lawinen ausgelöst haben und den Weg geöffnet haben. Im Herbst war jener so weit zumindest unzugänglich gewesen.
Der Anblick des Wasserfalls hob ihre Stimmung. Zwar versperrten weitere große unüberwindbare Felsen den Weg hinab, doch war sie Ravinsthal ein Stückchen näher gekommen. Kurz dachte sie an den Bund, sicher wären sie zuvor froh über diese Entdeckung gewesen. Doch nach ihrem Fortgang hatte sie keinen der Bundler mehr gesehen, selbst Leira, die sie stets gesucht und ihr nachgegangen war ließ sich nicht mehr blicken. Bran konnte es ihr nicht verdenken, sie war Vegard's Gefährtin, sich ihr zuzuwenden, hieß sich von Vegard abzuwenden. Ein kurzer Gedanken noch an Leira, sie wünschte ihr Glück, wünschte ihr, dass Vegard ihr zumindest das gab, was einer anständigen Frau zustand.
Bran kletterte tiefer hinab, einem schmalen Wildpfad folgend, schlängelte sich zwischen Gebüsch und Dornen hindurch. Es ging nicht mehr weiter, tief im Tal unten sammelte sich das Wasser des Wasserfalls zu einem kleinen, eisigen See.
Was lag hinter dem Tal, was gab dieses Ravinsthal her? Es wurde von tiefen Wäldern berichtet und von einer Burg hoch auf einem Berg. Ihre Gedanken kreisten...wäre es eine Flucht zurück nach Galatia zu segeln? Dalbir hatte ihr gestern das Messer der Wahrheit in die Brust gestoßen. Wäre es Flucht? Doch was sollte sie hier? Jagen und den Waldläufer herauskehren anstatt zurück zu ihrem Clan zukehren? Es würde Pflichten auf sie warten, ob ihr Vater sie mit offenen Armen empfangen würde? Oder würde er sie gar verstoßen? Niemals, er liebte sie. Doch würde sie seinen Egoistmus nicht ändern, niemals unter solchen Umständen ausharren können, der Streit war unausweichlich.
Noch lange stand Bran dort und sah ins Tal hinab, nachdenkend, sich den Abendwind über das kalte Gesicht wehen lassen.

[Bild: Berge.jpg]
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RE: Steilküsten und mehr..... - von Brannagh Dal Cais - 12.01.2015, 21:03



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