Katzengold
#2
Ihn stachen die Bettwanzen. Mürrisch, die Augen noch geschlossen, kratzte er sich am Hintern und hoffte, mindestens einen der Mistkerle zu erwischen. Natürlich waren das keine Bettwanzen, sondern die Flöhe im Stroh, aber erstens kannte er den Unterschied nicht und zweitens wurde seine Aufmerksamkeit schlagartig durch das Schreien eines Hahns geweckt. Knurrend setzte er sich auf, rieb sich die Augen, klaubte sich Stroh aus den Haaren und verfluchte wer auch immer sich da Federvieh in der großen Stadt hielt. Hühner sind was für's Land, für die Bauern und Ravinsthaler und was da so kreucht und fleucht und es sollte ihnen gar nicht erlaubt sein, im Mittelpunkt des Reiches solch einen Radau zu veranstalten.
Herzhaft gähnend streckte er sich, als ihn ein aggressives Grummeln aus seinem Bauch zusammen fahren ließ. Ohne weitere Umschweife sprang er auf und schickte sich an, die Leiter hinab zu steigen. Ein letzter Blick, bevor er den Heuboden verließ, galt dem mörderisch großen Loch in der Wand und in seinem schlaftrunkenen Hirn machte sich die Hoffnung breit, dass sie doch dieses Mal den richtigen Weg nach unten gewählt haben möge.
Der Brief indes blieb vorerst unbemerkt.

Schnorren, Betteln, Klauen, Tricksen, Zuhören, Wegrennen. Dieselbe Routine wie jeden Tag. Nicht gerade angenehm, aber Hemmungen waren dahin gehend längst abgelegt wie alte, löchrige Schuhe. Ein paar mitleiderregende Blicke hier, ein vorgetäuschtes Humpeln da, eine dreiste Lüge nach der anderen auf den Lippen und am wichtigsten: Flinke Finger und eine kleine, scharfe Klinge die man leicht in der Handfläche verbergen konnte. Die Ausbeute war mager, wie er selbst, doch es würde genügen, ihn über den Tag zu bringen. Von den anderen hatte er den ganzen Tag schon keinen gesehen, nur Nara hatte er, zu seiner Überraschung, im Heilerhaus gefunden. Gut, dass er sonst niemanden fand war erst einmal nicht weiter verwunderlich, aber zumindest im Haus ließ sich normalerweise immer einer auffinden. Auch sie war nicht da. Dem merkwürdigen Gefühl im Bauch schenkte er dabei kaum Beachtung, schob es auf den Hunger.

Erst am Abend kehrte er zu dem Heuboden zurück, mittlerweile in Gedanken versunken. Die Abwesenheit der anderen und vor allem ihre Abwesenheit verwirrten ihn. Hin und her geworfen zwischen leichter Sorge und milder Verärgerung, warf er sich ins Heu, steckte sich einen Halm in den Mund und begann darauf herum zu kauen. Die Gedanken drehten sich immer mehr im Kreis. Ging sie ihm aus dem Weg? Taten die alle irgendwas, zu dem sie ihn ausschlossen? Was war da los?
Zornig spie er den Halm aus und starrte ihm hinterher um zu sehen, ob wenigstens sein Spucktalent ihn nicht im Stich ließ. Der Helm beschrieb eine eigenartige Kurve in der Luft und landete neben etwas, was er nicht genau ausmachen konnte, da es von ein wenig Heu überdeckt wurde. Er beugte sich vor und griff danach, ertastete Papier. Mit gerunzelter Stirn zog er es aus der Diele und entfaltete es.
Lange saß er so da, versuchte den Sinn der Zeichnung zu erfassen. Dann wanderte sein Kopf langsam zu der Leiter. Mit verkniffene, Gesicht stieß er ein paar gezischte Worte hervor, ehe er aufstand und sich, inmitten der von Straßengeräuschen erfüllten Nacht, auf eine erfolglose Suche machte.
"Oh, du miese blutpissende Arschgeb...!"
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Katzengold - von Lixari Tiefenthal - 15.07.2014, 18:50
RE: Katzengold - von Julias Kerzwacht - 17.07.2014, 00:10
RE: Katzengold - von Lixari Tiefenthal - 18.07.2014, 03:48
RE: Katzengold - von Julias Kerzwacht - 19.07.2014, 21:21



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste