Eine auffrischende Brise im alten Hafen
#4
„Diese verdammten Bilgeratten! Landradden, verdammten!!“
Er fluchte wie es nur ein Seemann konnte. Leute blieben stehen oder schauten aus den schmutzigen Fenstern, um zu sehen, wer da so Gotteslästerlich fluchte. Es war der alte Seemann, der in das Zweite Haus rechts von der Strasse gezogen war, und den man tagelang hatte werkeln hören. Erst hatte er in die Dachbalken ein seltsames Netz aus Tauen, Seilen und Winden gelegt, um Dachbalken neu zu verlegen, dann über Tage genagelt und gewerkelt. Einige Zeit hatte man ihn nur abends gesehen und nun fluchte und keifte er wie eine verärgerte Möwe. Vor seiner Tür stehend, trat er gegen den Türrahmen, das die Türe ächzte und hob, immer noch fluchend, ein Öltuch hoch. Hatte was drunter gelegen? Ihre Meinungen behielten sie für sich – die Leute gingen weiter, die Vorhänge, so es welche gab, zogen sich wieder zu. Wenn er bestohlen worden war, war es nichts neues hier. Man ging wieder seinen Angelegenheiten nach.

Indes trat ein sehr verärgerter Seemann wieder in seine Behausung und feuerte das Öltuch in die Ecke.

„Scheisse!“ Fluchte er deftig! „Verdammte Landradden! Kielholen sollte man euch alle! Diebespack, verfluchtes!“ Er setzte sich hin, griff nach seiner Flasche und trank einen tiefen Schluck vom Schnaps. Sie hatten ihm seine Holzschindel gestohlen. Wer in aller Welt stahl Dachschindel?! Aber irgend jemand, der verzweifelt oder gierig genug war, tat es. Nicht eine war zurück geblieben. Vermutlich wurden sie gerade irgendwo auf ein Dach genagelt, das nicht seines war – oder eingelagert, falls es keine Baustelle gab, die sie gebrauchen konnte. Dachschindel ausgerechnet...
Er blickte hoch zum Dach, die Augen verbittert zusammen gekniffen. Was jetzt? Er hatte kein abgelagertes Holz mehr. Sein letztes abgelagertes Holz hatte er für die Schindeln verbraucht. Nur noch frisches auf Lager, und das waren Bretter. Er wollte seine Werkstatt eröffnen – es nicht noch länger rauszögern.
Vielleicht wenn er sie verklinkerte oder eine ähnliche Bauart verwendete? Ein Brett überlappend mit dem darunterliegendem? Er konnte die Leisten, die er für die Schindel benutzen wollte, dafür verwenden. Ein Brett anliegend unter die Leiste, das nächste mit der unteren Kante auf Leiste und unteres Brett, die obere Kante wieder anschliessend an die nächstobere Leiste.... Das ginge.
Aber das Holz war FRISCH! Es würde sich verziehen, sobald es trocknete! Die Bretter würden nicht richtig sitzen, vielleicht musste er gar Latten auf die Bretter nageln, nur damit sie da blieben, so sie bleiben sollten!
Vielleicht würden sie sogar nicht mal dicht sein! Er würde Teer auf die Brettunterlage schmieren müssen. Vielleicht hielten sie dann auch besser. Von unten konnte er sie auch teeren und mit Lehm abdichten, wie er es vorgehabt hatte.
Aber...wie würde das aussehen – von einem Zimmerer? Er würde nachbessern müssen... Wie lange würde das halten?
Wieder blickte er nach oben, tigerte durch den Raum, blickte wieder hoch und zog sich den Kapitänshut tief ins Gesicht. Er ächzte. Welch eine Schmach! Aber er sah auf die Schnelle keine andere Möglichkeit. Er hoffte nur, das nie einer das sah... ausser den Wachen auf der Mauer. Mit schweren Seufzen machte er sich an die Arbeit.

[Bild: 6KHTF8.png]
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RE: Eine auffrischende Brise im alten Hafen - von Seamus Killian - 24.07.2014, 19:29



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