Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#43
Forschung: Verzierter Rundschild aus Rabenstahl – Fertigung

Anouk's Skizze für den verzierten Rundschild war einiges: Überraschend, überfordernd, eindrucksvoll und erstaunlich künstlerisch. Er hatte der runenkundigen, kreativen Galatierin einiges zu getraut, aber die Skizze übersteigerte seine Erwartungen. Die Stilisierung würde die Götter sicherlich Zufrieden stellen, jedoch scheitert es jetzt vielmehr an Aki's Fähigkeiten. Er war noch nie ein Freund von Feinarbeiten bei Metall – abgesehen von Körperschmuck – und die großen Hände stellten sich dabei eher als behindernd heraus. Ganz zu schweigen von seinen Schwierigkeiten, dauerhaft seine Körperkraft zu drosseln. Längere Zeit an einer Verzierung oder Feinarbeit zu sitzen, ohne schwere, kraftzehrende Hammerschläge, treibt ihn in den Wahnsinn.
Entsprechend lange liegt der Rundschild in der Schmiede und die Arbeiten daran gehen nur schleppend voran. Für gewöhnlich muss er sich zwingen nachts Schlaf zu finden oder sich Abwechslung zu gönnen, wenn er an einem Werkstück arbeitet. Es gibt nichts, das einen Handwerker mehr lebendig macht, als Fortschritt, der durch die eigenen Hände und Fähigkeiten voran schreitet. Seine Ungeduld und Entschlossenheit sorgen dafür, dass es ihm manchmal nicht rasch genug gehen kann, zumindest für gewöhnlich. Anders ist es bei dem Rundschild.
Zusammen mit Anouk hat er den ersten keltischen Knoten am Schildrand ins Metall geschlagen und die Verzierung in Form von aufgenietetem, gebogenem Blech angebracht. Die Geweihte lies sich sogar überreden, probeweise den Hammer zu schwingen. Damit war grundsätzlich ein Viertel der Verzierung geschaffen und die weiteren, symmetrischen Ausarbeitungen nur Wiederholungen der ersten Übung. Vorrausgesetzt der hünenhafte Schmied könnte sich dazu durchringen, an die Arbeit zu gehen und sie nicht nach einem Stundenlauf wieder weg zu legen. Es musste eine andere, ablenkende und möglichst stupide Arbeit her, die seine Kraftreserven aufbraucht, um seinen Kopf für die Feinarbeit frei zu bekommen. Zu seinem Glück erhielt er eine recht ungewöhnliche Anfrage aus Hohenquell. So kommt es, dass er abwechselnd an einem langen, zusammensteckbaren Kupfermast und dem verzierten Rundschild arbeitet. Die Abwechslung trägt Früchte und der Schild nimmt langsam Gestalt an.
Mithilfe eines Rundgesenks, einem Aufsatz für das Ambossloch, welches eine gleichmäßige Kuhle aufweist, schlägt er rillenhafte Vertiefungen in das glühende Metall. Die Sicken werden mit einem gleichnamigen Hammer geklopft, der zu einer schlanken Finne zuläuft. Entsprechend arbeitet er die Knotenformen in den Schild, auf die Rückseite hämmernd und unsaubere Kratzer im Metall hinterlassend, die jedoch auf der Vorderseite nicht mehr zu erahnen sind, sondern lediglich schöne, ebenmäßig glatte Erhöhungen erzeugen. Die Knoten, die – wie Anouk ihm erklärt hat – aus einem einzigen Band bestehen, das immer und immer wieder dreiecksförmige Schlaufen wirft und unter sich selbst hindurch schlingt, hat der Schmied auf der Schildunterseite vorgezeichnet. Er verfolgt die Linien, jedoch die Stellen aussparend, an denen das Band mit sich selbst überlappt. Dort arbeitet er die Übergänge - exakt Anouk's Skizze folgend - genauer aus, sodass eine plastische Wirkung erzielt wird. Mithilfe eines flach zulaufenden Meisels arbeitet er an manchen Stellen Übergänge nach, um scharfe, erkennbare Kanten zu erhalten.
Um die Formation der Knoten herum, die wie ein Baum von der Schildmitte entstehen, werden dünne Blechstreifen mit gekonnten Hammerschlägen zurecht gebogen, bis sie der Schildkrümmung entsprechen. Sie umgarnen die Knoten, am Schildrand entlang verlaufend, um sich zum Schildbuckel hin zu bündeln. Anouk hatte selbst auf dem Schildbuckel jene Knoten angedacht, aber es gibt keine vernünftige Variante, um das umzusetzen. Der selbstgeschmiedete Schildbuckel wird mehrmals über einer aufsteckbaren Ambossfaust gebogen, um eine gleichmäßige Rundung zu erhalten. Wenn er in den topfförmigen, glatt geschliffenen Buckel jedoch Vertiefungen wie am Rundschild selbst einarbeiten will, läuft er Gefahr, die perfekte Form zu verdellen. Ein Fehler und die Arbeit wäre dahin und sogut wie nicht auszubessern. Entsprechend haben sich die beiden gegen die Verzierung am Buckel entschieden, immerhin sind die Stilisierungen am Schild selbst mehr als ausreichend.
Das Blech wird ebenso wie der Schildbuckel am Rundschild festgenietet. Gleichzeitig nutzt er die Nieten, welche in diesem Fall symmetrisch und geordnet angebracht sind, um die Position der Halteriemen festzulegen. So helfen ihm die bestehenden Bohrungen und er muss keine zusätzlichen Nieten anbringen, welche das Gesamtbild stören.
Tage später betrachtet der Schmied beim abschließenden Schleifen und Polieren der Oberfläche, kritisch sein Werk. Er denkt an die Bedeutungen, welche den Knoten und Runen anhaften und Anouk's Worte klingen in seinem Kopf nach.

Die Besonderheit an diesen Knoten ist, dass sie so ineinander verschlungen sind, dass daraus eine unendliche Linie entsteht.
Diese Muster hier sind Dreiecksknoten - sie stehen für die Dreieinigkeit, die im Mondwächterglauben eine ganz besondere Bedeutung hat.
Leben, Tod, Wiedergeburt
Faun, Flor, Fing
Äther, Assam, Schattenreich

Die Runen hier sind Ogham-Zeichen. Ogham ist eine Schrift, die die Driuden benutzen.
Die Rune mit den drei Stäben heißt FEARN. Sie steht für Schutz, Entschlossenheit und Verteidigung.
Sie wird auch als Nodons' Rune bezeichnet.

Die Rune mit den fünf Stäben heißt NUIN. Sie steht für Stärke, Direktheit und Mut.
Sie wird auch als Gwynn's Rune bezeichnet.

Letzlich obliegt es aber Anouk – und da folgt er dem Vorbild seiner letzten Forschungen – zu entscheiden, welchen Göttern sie das Werkstück und somit den ersten verzierten Rundschild aus Rabenstahl opfern. Er ist sich sicher, dass sie die richtige Wahl treffen wird und auch die passende Stätte aussucht.
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RE: Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes - von Aki Durán - 04.07.2017, 22:45



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