Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#35
Forschung: Plattenharnisch aus Rabenstahl - Herstellung

Der Abend des Freiungstag war nicht so verlaufen, wie er es bei den letzten Werkstücken gewohnt war. Neben dem Wächter Cois hatte sich auch Kordian eingefunden, vermutlich, um herauszufinden, was ihn demnächst erwartet, wenn er selbst Teil eines ähnlichen Vorhabens wird. Wohlmöglich wollte er aber nur die Möglichkeit nutzen, an Cois ein ganzes Waffensortiment auszuprobieren. Immerhin hatte sich die Platte, auf der Aki's Hoffnungen lagen, bewährt. Somit konnte er heraus finden – indem Cois mit Klinge, Hammer und Pfeilen beschossen wurde, während er in der Harnischbrustplatte steckte – welche Stärke der Stahl des Harnisch besitzen soll.
Mit diesem Wissen, sowie einigen detailierten Maßen, die er zusätzlich von Cois genommen hat, macht er sich die Tage ans Werk. Der kurzzeitige Wetterumschwung der letzten Wochen ist überstanden und die Sonne wagt sich wieder hervor, um Wärme in die Werkstatt zu tragen. Eine eher unnötige Wärme, denn die Glut der Esse sorgt für mehr Hitze, als es dem Schmied angenehm ist, aber immerhin ist es nicht mehr so windig. Jetzt, da er den Großteil der Zeit alleine am Amboss steht, kommt die Wut auf seinen Lehrling wieder hoch. Er hatte sich offensichtlich mehr an den fleissigen Helfer gewöhnt, als ihm lieb ist. So erhält Greta ein paar Münzen, dafür, dass sie den Blasebalg stetig betätigt und für ausreichende Glut sorgt, während der Meister sich an dem Metall zu schaffen macht. Er hatte bereits vor der letzten Forschung - die geplant war, aber nie statt gefunden hat – ausreichend viele Rabenstahlbarren gegossen, um jetzt nicht in Bedrängnis zu kommen. Das Material sollte für zwei Harnische ausreichen, bevor ihn die Knappheit wieder auf den Berg lockt.

Der Rüstungsbügel im Laden, den es zu behängen gibt, präsentiert noch gähnende Leere. Eine Tatsache, die der Meister scheunigst ändern will. Er beginnt mit dem Kürass, welcher einen recht schlichten Stil besitzt. Lediglich am Übergang zum Halsausschnitt, an den Armausschnitten und der Brustmitte setzt der Schmied Details mit umgelegten Rändern und formschönen Ausbuchtungen. Die Armausschnitte sind großzügig bemessen, um die Beweglichkeit zu gewährleisten und einen guten Übergang zu den Armteilen zu garantieren.
Die Brust- und Rückenplatte werden an den Schultern mithilfe von kräftigen, schnallenversehenen Riemen zusammen gehalten und entsprechend anpassbar gemacht. Die dabei entstehende Schwachstelle wird von den Schulterplatten der Armschoner überdeckt und ausgemerzt. An den jeweiligen Kanten von Vorder- und Rückplatte werden Scharniere beziehungsweise Riemen angebracht, um den Harnisch aufzuklappen und auszuziehen. Dabei setzt der Schmied die Scharniere an die rechte Körperseite und die Riemen mit Schnallen an die Linke, schlicht und ergreifend, da Cois' rechte Hand dessen Waffenhand ist und er entsprechend leichter die Riemen mit Rechts lockern und ausfädeln kann.
Sowohl das Brustteil, als auch das Bauchblech der Platte wird mit Scharnieren versehen, da beide übereinander geschnallt werden. Hierbei dient ein Riemen, der vom Kragen bis zur Brustmitte reicht, wo das Bauchblech zum Riemen hin geschwungen ansetzt, zur Feinjustierung. Das doppelte Blech sorgt für einen zusätzlichen Schutz der lebenswichtigen Organen, entsprechend ist das Material dort zweimal so stark, wie im Brustbereich.

Als die Harnischkonstruktion soweit steht, beziehungsweise am Rüstungsständer hängt, macht sich Aki an die Formung der Bauch- und Gesäßreifen. Drei Bauchringe an der Zahl schließen beidseitig an das taillierten Harnischoberteil an, jeweils mit einem Scharnier beziehungsweise Riemen verbunden. An Selbige schließen die Gesäßplatten an, wobei die Platten vorne großzügiger bemessen sind, als hinten, wiederrum der Beweglichkeit zu Schulden. Die gesammte Gesäßkontruktion wird, von der Vorderseite sichtbar von ein paar genieteten Riemen verbunden, sodass eine Verkantung der einzelnen Teile verhindern wird. Den Großteil der Arbeit verrichten jedoch die festgenieten Riemenbänder an der Innenseite des Harnisch, die in drei Fingerbreit Abständen voneinander angebracht sind. So bleibt die Beweglichkeit der einzelnen Reifen erhalten und die Rüstung erhält ihr charakteristisches Scheppern, wenn die einzelnen Platten gegeneinander geraten oder auf die Beinteile treffen.
Als zahlreiche Stunden und ein paar Tage später der Harnisch soweit geformt ist, dass er für den Feinschliff bereit ist, darf Greta ihre Stellung am Blasebalg aufgeben. Der Meister macht sich daran, die Nieten mit abschließenden Hammerschlägen zu fixieren, die Riemen und Scharniere zu ölen und die Platte zu schleifen und polieren. Es sind stundenzehrende Arbeiten, die er bisher seinem Lehrling überlassen hat. Auf gewisse Weise ist die abschließende Feinarbeit aber auch meditativ. Es kann seine Gedanken treiben lassen, beobachtet von der Schmiede aus das tägliche Treiben im Dorf und untermalt das Ganze mit dem stetigen Kratzen des körnigen Schleifsteins.
Selbst Cois klimpert gelegentlich in seiner – noch unvollkommenen – Rabenstahl-Stahl Kombination an der Schmiede vorbei und erhascht einen Blick. Dem Mann steht keine Neugier ins Gesicht geschrieben und es kommt auch kein Wort über dessen Lippen, vermutlich wissend, dass man einen arbeitenden Schmied nicht bei seinem Werk stört. Aber eine gewisse Vorfreude und Zufriedenheit kann selbst das müde, in sich gekehrte Gesicht nicht verbergen.

Sobald die Arbeiten abgeschlossen sind und ein tragebereiter, passgenauer Harnisch aus mattschwarzem Götterstahl vor Aki hängt, schlingt der Schmied Selbigen über den Arm und trägt ihn die statuengeschmückten Treppen zum Domizil des Rabenwächters hoch. So knapp angebunden, wie Cois ihn kennt, überreicht er das Stück und bittet Cois – nach einer Anprobe – den Harnisch den Göttern zu opfern. Immerhin ist der Harnisch dem großgewachsenen Krieger auf den Leib gezimmert. Gewiss ist es keine leichte Aufgabe, das schöne Stück anzuprobieren, im Wissen, es nochmal aus der Hand geben zu müssen, aber alles andere wäre falsch.
Immerhin besteht so die Möglichkeit, bei der Fertigung der nächsten Brustplatte, die Cois sicher zahlreiche Jahre begleitet, noch gewisse Korrekturen vorzunehmen.

[Bild: vreaauuj.png]
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RE: Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes - von Aki Durán - 30.04.2017, 13:28



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