Journal eines Reisenden
#2

11. Nebelung im Jahre 1400 nach Ankunft des Herrn

Heute bin ich nach einer wenig erholsamen Nacht am warmen Kamin einer Bäckerstube mit unsäglichen Kopfschmerzen und mit einem Entschluss aufgewacht. Die Entscheidung hat mich gerade 36 Stunden gekostet, obschon sie mein Leben wohl elementar beeinflussen wird. Die zahlreichen Aushänge, die mir gestern in die Hände gefallen sind, haben dazu nicht unerheblich beigetragen: Es fehlt auf der "Insel der Hoffnung", wie man die Gefängnisinsel der Stadt seit ihrem Umbau, nicht immer ohne Hohn, nennt, vor allem an helfenden Händen.

Ich habe den Tag auf dem Markt verbracht und meine letzten Münzen für unnütze Kleinigkeiten ausgegeben: Eine hölzerne Tabakpfeife, ein gebratenen Spieß mit scharf gewürztem Krabbenfleisch und zuletzt für eine jener feinen Knochennadeln, die mir bisher stets zu teuer gewesen waren. Zum Abschluss habe ich mir einen Krug eines dicken, braunen Bieres gegönnt, den ich allein in der entvölkerten Taverne geleert habe. Ein spitzfindiger Mensch würde wohl behaupten, ich hätte meinen Frieden gemacht, aber natürlich wäre das eine maßlose Übertreibung. Effektiv war es nicht viel mehr, als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.

Dennoch fühlte ich mich danach bereit, den Gang zur Insel zu wagen und mich freiwillig zu melden. Ich hatte das Portal kaum durchschritten, da wurde ich bereits Zeuge der Einlieferung einer Keuchenkranken. Die Frau hustete schwer, in ihr brannte das Fieber und offenbar wollten auch ihre Beine sie nicht mehr tragen, denn sie wurde von zwei fleißigen Helfern herangetragen. Ich bin kein Zeuge der folgenden Behandlung geworden, aber offenbar kam es zu einem Durcheinander, als die verwirrte Frau von einer Bank fiel und eine junge Heilerin unter sich begrub. Erst nachdem die Kranke versorgt war schenkte man mir schlussendlich Beachtung.

Ich habe schon genug große Worte gemacht, daher will ich mich kurz fassen: Man hat neben mir noch einen anderen Heiler, mit Namen Garah Rhevant, aufgenommen. Die Rätin Aurora Drakenquell höchstselbst hat uns in die Abläufe eingeführt. Die Aufnahmestelle ist in drei Zonen eingeteilt. In der ersten Zone werden die Kranken untersucht. Wenn es unspezifische Symptome gibt, so weist man sie in die zweite Zone ein. Erst wenn sicher ist, das es sich um einen Keuchenkranken handelt, dann kommt er in die dritte Zone, um dort behandelt zu werden.

Ich habe mich für die dritte Zone entschieden, nicht etwa aus einem Anflug von Heldenmut, sondern weil ich dort als Feldscher die besten Chancen sah, wirklich einen Effekt zu erzielen. Wie man mir anvertraut hat weisen Keuchenkranke nach einem bestimmten Zeitraum stets Pestbeulen und in einem späteren Stadium offene Wunden auf. Was die beiden anderen todesmutigen angeht, die sich angeblich hier unten finden sollen, so habe ich sie noch nicht kennenlernen dürfen. Offenbar schläft man derzeit. Hier unten gibt es tatsächlich richtige Betten.

Man hat mir an diesem Tag ungefähr fünf Mal geraten, mein Testament zu machen. Da ich nicht viel besitze wird mir zumindest das leicht fallen.

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Journal eines Reisenden - von Alrik Brunner - 10.11.2013, 00:51
RE: Journal eines Reisenden - von Alrik Brunner - 12.11.2013, 01:08
RE: Journal eines Reisenden - von Alrik Brunner - 21.11.2013, 13:37



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