FSK-18 Voyeur
#15
Beherrschung

Musik


Der Kontrollsüchtige, sadistische Hüne hat seinen Mann an einem der Stützpfeiler mitten im Ladenbereich aufgehangen, den Rücken zur Türe. Die Handgelenke sind so straff mit einem schlichten, aber geölten Lederriemen zusammen geschnürt, dass sie zart einschneiden. Das hinreißende Winden des Gebundenen ist den fixierten Handgelenken jedoch auch keine Hilfe. Aki hält das Winden, Zucken und Beben der hübsch definierten Muskelpartien und das Straffen und Entspannen der alabasterweißen Haut für den reinsten Augenschmaus. Seine Finger zucken, aber er weiß - genauso gut, wie sein hängender Mann - dass er der Verlockung nicht nachgeben darf. Es gibt einen triftigen Grund, weswegen sein Mann am Pfosten gelehnt in einen aufrechten Stand gezwungen ist und, warum er unruhige Atemzüge durch die gespreizten Lippen freilässt, die mit einem unnachgiebigem Metallring gehalten werden.
Sein Mann war ungezogen, gar frech zu ihm, mit Worten ebenso wie mit Taten. Es ist dem Windenden bewusst, sonst würde er sich nicht so konzentriert darum bemühen, die Reaktionen seines Körpers zu verbergen. Er ist mittlerweile gut darin, besser, als er es vielleicht vermutet. Die Gänsehaut ist lückenhaft und der zarte Schweißfilm unaufdringlich. Entsprechend mager ist die Beule unter dem enganliegenden Leder der Hose und Aki würde zu gerne einen Blick in den fremden Kopf wagen, um herauszufinden, welche Gedanken das Kunststück zustande bringen. Selbstbeherrschung und Kontrolle wissen ein gewisses Prickeln zu erzeugen, um die Gier solange zu drosseln, bis sie übermächtig wird. Es ist ein wichtiges Instrument, in gewisser Weise einer Selbstgeißelung gleich kommend und ihm deshalb ein Anliegen, es seinem Mann zu schulen.
Zarte Speichelfäden laufen auf dem Mund, die den peniblen Mann eindeutig stören. Er bemüht sich die Flüssigkeit mit der Zunge aufzuhalten, scheitert aber. Immerhin genießt Aki so den Anblick der wandernden Zunge. Die Atemzüge sind noch immer rasch und erregt vor Streitlust. Was bedeutet, dass dem Voyeur in ihm noch ausreichend Zeit gegeben ist, um den Hängenden zu beobachten.
Nichts auf der Welt könnte in dem Moment wichtiger sein, als der Anblick seines Mannes. Keine Person, die durch die Türe stürzt, könnte ihn von seinem Platz auf dem Hocker fort zerren. Er sitzt dort, breitbeinig und leicht voran gelehnt, die massiven, teils tätowierten Unterarme auf den Knien abgestützt und lässt den Schwarzhaarigen nicht länger als einen Wimpernschlag aus dem süchtigen Blick. Es ist ein Teil der Strafe, dass er den intensiven, gar unangenehmen Blick auf dem halb entblößten Körper spürt. Die Aufmerksamkeit des Hünen gilt ganz seinem fleischlichen Besitz und er wird solange ausharren wie es dauert, bis derjenige sich beruhigt.
Das Aussitzen der Strafe erreicht eine neue Stufe, als der Schwarzhaarige einen resignierenden, annähernd nachgiebigen Laut ausstößt und die Augen schließt. Zeit für Aki, die Gedanken schweifen zu lassen.


Aki hat Orestes nie aus den Augen verloren. Der Mann vor ihm behauptet, dass es ihm eines Tages langweilig werden könnte, Alltag einkehre oder aus Nervenkitzel Stetigkeit wird. Aber Aki kennt die Unstetigkeiten in dem Schönling, die Untiefen, die Zwangsneurosen und den annähernden Wahnsinn. Das Einzige, was der Anblick dieses komplizierten, teils selbst überforderten Bildes seines Mannes in Aki weckt, ist Interesse und Besitzgier. Langeweile gründet aus Vorhersehbarkeit und das ist eine der letzten Eigenschaften, die in seinen Augen auf Orestes zutrifft. Der schwarzhaarige Hermetiker ist nicht durchschaubar, sondern hochgradig komplex, was Weitsichtigkeit schwierig werden lässt. Wenn dem Hünen jemand prophezeien würde, dass er noch weitere dreißig Jahre an der Seite von Orestes verbringen würde, wäre sich Aki sicher, dass er noch immer an den Untiefen zu kauen hätte. All das heizt die Gier, ihn zu besitzen, noch mehr an. Nicht nur ihn zu besitzen, ihn zu beanspruchen und zu dominieren, um zumindest einen gewissen Teil des fremden Lebens definieren zu können.
Neben Orestes manipulativen, durchdachten Verhaltens, Ordnungswahn und zahlreichen Zwangsstörungen, strahlt er eine Art von Unsicherheit und Überforderung aus. Manchmal findet sich Aki nach einer verbalen Auseinandersetzung überfragt und zermürbt wieder und doch möchte er dem nachgehen, unfähig davon abzulassen. Sie brauchen die kleinen, dramatischen Explosionen, das Machtgehabe und die hemmungslosen Streittiraden. Es hält sie wach, sichert die Intensität, die zwischen ihnen herrscht, ganz gleich, ob sie sich vor Erregung anschreien oder aneinander reiben. Zumal jeder Streit nur der Weg zu verzehrendem Sex ist. Es ist Aki‘s Verantwortung, die Meinungsverschiedenheit ab einem gewissen Punkt abzuwürgen. Er ist der dominante Teil in ihrer Beziehung und es obliegt seiner Kontrolle, dass Orestes seinen Platz nicht vergisst. Daran ist nichts verwerfliches oder ungewöhnliches. Es ist die Essenz jeder gesunden Beziehung, nur, dass er dem ganzen seine eigene Würze und einen eigenen Namen verleiht.
Sobald Orestes kniet, und sei es nur mental, dringt die Unsicherheit stärker an die Oberfläche. Es sind die Momente, in denen der Hüne willentlich Nähe zulässt, seinen Kerl zusichernd krault und ihm das Gefühl gibt, dass er nicht alleine ist. Denn wenn die zornige Fassade bröckelt und damit die Möglichkeit, sich dahinter zu verbergen, kommen Ängste zum Vorschein. Die größte Angst des Schönlings ist es, einsam zu sein und das schreit Aki aus den großen, hellen Augen entgegen, wenn er einer Auseinandersetzung ein herrisches Ende bereitet.

Der Hängende reißt die Augen auf und starrt in Aki‘s Augen. ‚Ich bin immer noch hier.‘ gibt er ihm mit einem festen, berechnenden Blick zu verstehen. Der Blick seines Gegenübers entspannt sich, wird weniger gehetzt und in gewisser Weise verspürt Aki, wie die Ruhe des blassen, hinreißenden Mannes ihm selbst als Anker dient. Mit einem tiefen Durchatmen labt er sich an dieser Gewissheit, die ihn durchflutet. Orestes Mundwinkel zucken unstet, ehe sich die Augenlider erneut träge schließen. Fast da.

Er hat Orestes nie aus den Augen verloren.
Er hat zugesehen, wie der weißhaarige Schmied eines Tages aufgetaucht ist, Orestes Herz gewonnen hat und wie sich Sherion und Orestes schließlich verlobt haben. Die Beziehung pendelte höher und höher, bis in windige Höhen, um schließlich zu zerbrechen. Mit Servok geschah etwas Ähnliches.
Was Aki dabei gelernt hat ist, dass Orestes treu ist. So treu wie ein unterwürfiger Hund gegenüber seinem, ihn fütternden Herr. Sie haben sich gelegentlich gesehen, kurze, belanglose Augenblicke, die für jeden normal denkenden Mensch nach wenigen Stundenläufen vergessen, gar ungeschehen waren. Aber nicht für Aki. Egal wie kurz sich der Kontakt für Orestes angefühlt hatte, Aki hatte ihn danach noch im Blick. Während der Buchbinder nicht mehr empfand, als ein unwohles Kribbeln im Nacken, dass ihm verrät beobachtet zu werden, war es für Aki das höchste, voyeuristische Gut. Es war das Maximale, an dem er von seinem Standpunkt aus teilhaben konnte. Die wenige, magere Information, die er aus dem kurzen Blickkontakt und Orestes Anblick herausfiltern konnte war genug, um ihn bei Laune und entsprechend die Finger ruhig zu halten.
Orestes war sein erster Mann, den er fast zerstört hat, den er fast willentlich über die Grenze gestoßen hat. Das, was er mit vielen Frauen davor getan hat, bis sie nur noch nach zuckende, leblose Bündel in seinem unnachgiebigen Griff waren. Aber Orestes hat es überlebt, um sich zur großen Ausnahme zu mausern.
Die Frage nach dem warum ist einfach. Damals, als der Schönling geknebelt und gefesselt auf dem Boden lag, das Messer an der Kehle und mit riesigen, rehhaften Augen zu Aki auf starrte, war da nicht nur Verachtung spürbar. Der Sadist erkannte Intensität und wenn er fest genug an der Oberfläche kratzte, erkannte er das mickrige, ängstliche Ankündigen eines Wimmerns. Ein kleiner, in dem Moment kurz vor der Nahtoderfahrung kümmerlicher Teil von Orestes, empfand die Situation nicht ausschließlich als abstoßend und ihm war der Blick eines Mannes auf dem unterworfenen Gesicht alles andere als ungefällig. Der eitle, penible Schnösel war offensichtlich alles andere als frigide, im Bezug auf Demütigung und das weckte Aki's Interesse mehr als ein paar nackte Brüste oder zarte, glatte Frauenschenkel.
So eine Obsession verliert er nicht aus dem Kopf und jeder Schrei, jedes Jaulen und jedes Wimmern nährt sie nur.
Der Hängende öffnet die Augen, die mit klarem, besonnen Blick durch den Laden blicken und sich auf Aki‘s Gesichtszügen manifestieren. Ein seltenes Zucken des Mundwinkels wird in der sonst so starren Miene des Schmiedes sichtbar. »Gut«, raunt er zufrieden und erhebt sich träge vom Hocker. »Zeit dich zu befreien und dir zu zeigen, was du aufgeschoben hast.«

[Bild: wtsv2h4v.png]
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Voyeur - von orikson - 27.10.2013, 14:33
RE: Voyeur - von orikson - 30.10.2013, 14:18
RE: Voyeur - von orikson - 31.10.2013, 13:26
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Träume - von Aki Durán - 15.10.2015, 14:53
Die Gehörnte - von Aki Durán - 01.12.2015, 12:48
Marionette - von Aki Durán - 19.06.2016, 23:03
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Nähe - von Aki Durán - 26.11.2016, 21:03
Beherrschung - von Aki Durán - 27.01.2017, 23:56
RE: Voyeur - von Aki Durán - 10.02.2017, 21:00
RE: Voyeur - von Aki Durán - 09.07.2017, 13:24
RE: Voyeur - von Aki Durán - 02.12.2017, 15:29
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RE: Voyeur - von Aki Durán - 10.07.2018, 17:09



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