FSK-18 Voyeur
#2
Sachte drücken die kräftigen Fingerspitzen gegen die Konstruktion aus Tabak und Papier. Nicht zu fest aber auch nicht zu zaghaft dreht er das Röllchen gleichmäßig zurecht. Ein alltägliches Ritual, dass seine Gedanken auf die stupide Arbeit des Drehens bündelt und alles andere auszublenden scheint. Meistens kommen ihm diese paar wenigen Augenblicke überaus gelegen und die Vorfreude auf den ersten, sehnsüchtigen Zug steigt. Als das Röllchen die gewünschte Form hat, hebt er es an die Lippen und befeuchtet es an wenigen Stellen, um die Papierkante zu fixieren. Genussvoll wird das Röllchenende in der Kerzenflamme gedreht und dem Knistern gelauscht, als der Tabak zu Glühen beginnt. Dann endlich der erste Zug. Er legt den Hinterkopf gegen die Wand, an der er lehnt und zieht tief und gierig den Rauch in die Lungen. Dieser wird so lange in den Lungen gehalten, bis jene nach Luft flehen. Mit einem erleichterten Aufseufzen gibt er den Rauch durch leicht geöffnete Lippen in die Morgenluft frei.

Kaum, dass die Gedanken wieder ungezügelt sind, setzt er den Kohlegriffel wieder auf dem Stück Pergament ab, dass vor ihm liegt. Mit dem Handballen fixiert er das Blatt, während die Zeichnung langsam an Form annimmt. Es ist vielmehr eine Skizze, aber er würde sowieso nicht erwarten, dass jemand auf den ersten Blick erkennt, was es darstellt. Deswegen ist es ihm auch gleich, dass er an einer viel belebten Gasse vor einer Taverne sitzt. Es ist nicht von Nöten sich hektisch vorzubeugen und den Unterarm schützend neben das Blatt zu legen, um dem Nächstbesten die Sicht darauf zu verbieten. Er hatte das bisher mehrmals beobachtet. Manche Menschen, die in der Öffentlichkeit etwas aufschreiben oder zeichnen, schämen sich dafür, sogar vor Wildfremden, obwohl ihnen völlig egal sein kann, was Andere von ihnen denken. Ebenso wie Gespräche, die urplötzlich verstummen oder in Tuscheln übergehen, wenn sich jemand in Hörweite wagt. Nicht, dass er sich um solche Dinge scheren würde, aber vermutlich gibt es den ein oder anderen, der sich dadurch ausgeschlossen fühlt.
Ihm ist es egal was die Anderen denken, zumindest der Großteil der Personen, die sich hier in der Stadt tummeln. Er kann nicht behaupten, dass die Sache mit Marek in Routine übergegangen ist, vermutlich würde das niemals passieren, aber mittlerweilen ist ein gewisses Grundvertrauen vorhanden. Und Akzeptanz für das, was offensichtlich ist. Also warum sollten sie noch irgend etwas vor den Anderen verbergen? Er genießt es mittlerweilen förmlich, wenn er sich zu Mike an einen Tisch setzt und gelegentlich der Blick einer Frau hinüber gelenkt wird. Zum Glück hält das erschrockene, manchmal sogar entsetzte Gesicht solange an, bis der Kuss geendet hat, sonst würde er viel zu selten in den Genuss des Anblicks kommen. Zwar ist es nicht so, dass er Frauen nichts abgewinnen kann, aber Mike ist einfach etwas besonderes. Verursacht durch sein Handwerk strebt er nur zu gerne nach Perfektion und Marek ist einfach dermaßen faszinierend in seiner angehenden Perfektion, dass er völlig fixiert auf ihn ist. Über die Ansicht lässt sich natürlich wieder streiten, aber er hat diesbezüglich keinerlei Diskussionsbedarf.

Er ascht beiseite und nimmt den letzten Zug, bevor die Kippe aufs Pflaster geschnippt und ausgetreten wird. Sogar jetzt schwenken die Gedanken immer wieder zu Marek und er kommt nicht umhin sich vorzustellen, wie jener sich gerade noch verschlafen durch die Felle wühlt. Der Kerl ist einfach ein Faulpelz der seines Gleichen sucht, aber er kann es ihm nicht verübeln. Vielleicht heilt mit viel Schlaf das verletzte Bein schneller, wer weiß das schon. Insgeheim hofft er es, denn umso schneller kann er sein Vorhaben in die Tat umsetzen.
Die Striche werden sanfter und weicher, als er der Skizze hier und da noch ein paar Konturen gibt und Schattenwurf einarbeitet. Schließlich legt er den Kohlegriffel aus der Hand und reibt die rußigen Fingerspitzen aneinander, während die Zeichnung betrachtet wird. Mit einem resignierenden Aufseufzen registriert er das Ziehen in seiner Bauchgegend, als er es wagt an die Durchführung zu denken. Ihm ist durchaus bewusst, dass die Faszination und dieses Gefühl Schwäche bedeuten. Marek macht ihn verletzlich und angreifbar. Sollte jemand auf die gleichermaßen schlaue und doch dumme Idee kommen Marek zu benutzen, um an ihn heranzukommen, würde der Plan zweifellos aufgehen. Zu seiner Schande muss er sogar eingestehen, dass er vermutlich auf Knien flehen würde. Er will sich nicht mal ansatzweise ausmalen, wie heftig die Wut wäre, die damit hervor beschworen wird. Auch wenn er versucht es abzustreiten, so sieht er Mike noch immer als sein Eigentum an, sein Besitz. Bedauerlicherweise kann er nicht entscheiden, wer ihn anfasst oder gar ansieht, er würde es tun, wenn er könnte. Aber er räumt sich sehr wohl die Entscheidung ein, wer ihm weh tun darf. Und diesbezüglich ist er der Einzige, dem dieses Privileg zusteht. Der Gedanke daran, wie Marek für jemanden anderes schreit als ihn, versetzt ihm einen Stich.
Wie er diese Kontrollsucht doch hasst, aber er ist nicht im Stande sein Denken zu ändern. Es ist einfach tief in ihm verwurzelt und im Bezug auf Marek noch mehr ausgeprägt als bei jeder anderen Person, die für ihn bisher Stellenwert hatte. Und das was er vor hatte würde wieder ein Akt vollster Kontrolle sein.

Versonnen schweben die Finger nur einen Hauch vom Papier entfernt über die Zeichnung. Ein nackter Körper ist darauf abgebildet, wie ein X drapiert, Arme und Beine in einem angenehmen Winkel voneinander gespreizt. Das interessante an der Position ist jedoch, dass die Füße an einer metallernen Stange in der Luft schweben und die Person kopfüber hängt. Die Hände sind wiederrum an zwei Metallringen an den Bodendielen gefesselt und der gesammte Körper ist von einer erträglichen Spannung durchzogen. Die Position ist überaus gewagt und es ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, ob derjenige die Belastung durchhalten würde, ganz abgesehen von dem Blutstau im Kopf. Er könnte den Blutfluss zwar in andere Bahnen lenken, aber ob der junge Körper der Prozedur gewachsen ist bleibt offen. Die Vorfreude bringt das angenehme Ziehen in der Bauchgehend zurück und überaus zufrieden lehnt er sich zurück und atmet durch.

Von der Skizze bis schließlich zur Durchführung würde er noch viele Vorbereitungen treffen müssen. Auch wenn Geduld nicht seine Stärke ist, so muss zumindest das Bein abheilen, bevor es einer derartigen Belastung ausgesetzt wird. Wie es aussieht, würden die beiden sogar Gesellschaft haben. Niemand, der sich einmischen würde, außer er bekommt die Erlaubnis dazu, aber immerhin eine gewisse Sicherheit, sollte etwas schief laufen. Oder gar seine Selbstbeherrschung verloren gehen. Bedauerlicherweise muss er in einer solchen Situation fast jeden Atemzug damit rechnen.
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Voyeur - von orikson - 27.10.2013, 14:33
RE: Voyeur - von orikson - 30.10.2013, 14:18
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RE: Voyeur - von Aki Durán - 10.07.2018, 17:09



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