Tagebuch einer Wissbegierigen
#8
Heute zeigte sich wohl ein Bild im Vorbereich der Bibliothek, das den einen so seltsam wirken dürfte wie den andren unverdächtig. Wie so oft sah man die weißhaarige Adeptin in dem Sessel herumlungern, ein Bein über die Seitenlehne gehängt und die Kladde mit unsortiert scheinendem Papierkram am Schoß. Doch diesmal hatte sich eine weitere Frau dazugesellt. Diese hingegen war mit rabenschwarzem Haar gesegnet und die Kleidung , so wie Ausdruck und Gestik, wohl deutlich expressionistischer als die ihres schneeweißen Widerparts. Auf den ersten Blick ein sehr deutlicher Gegensatz zwischen dunkel und hell, ausdrucksvoll und sparsam, einer selbstbewussten Ausstrahlung und unauffällig still, genauer betrachtet schienen die Gespräche aber dennoch recht angeregt, allein schon dadurch zu erkennen, dass beide ohne sich irgendwann mehr oder minder höflich zu verabschieden, die Flucht ergriffen für mehrere Stunden. Und diejenigen die in den zwei Frauen die Adeptin Ansua, so wie die aktuelle Magnifizenz, Lina Dryander, erkennen würden, wären sich wohl sehr bewusst, dass weder die Eine noch die Andre, der Angewohnheit erliegen würden, ihre Zeit mit Gesprächen zu vertrödeln, die sie in höchstem Maß langweilten, und sicher auch keinerlei Skrupel gehabt hätten sich zügig zu verabschieden. Möglicherweise war es aber tatsächlich doch nur ein Anfall von Langeweile und Zerstreuung. Wer kann das bei solch exzentrischen Frauen schon jemals sagen.
Erst spät des Nachts verabschiedet sich die Magnifizenz und verschwindet in Richung des Turmes. Die Adeptin bricht etwas später auf, noch einige Unterlagen sortiert habend. Offenbar schläft sie aber wieder einmal nicht und erhebt sich des Nachts noch mehrfach, einmal um in der Küche aufzuräumen und den Herd nachzufeuern, einmal dreht sie, dick eingemummelt, eine Runde durch die Stadt, kurz wechselt sie Worte mit Irene, die deren Schlaflosigkeit wohl nicht mehr wundert und setzt sich schließlich in eines der leeren Vorlesungszimmer und beginnt zu schreiben.

Zitat:Quelltag 29. Nebelung im Jahre 1400, großer Vorlesungssaal, Hermetische Akademie, Löwenstein

Was für unruhige Zeiten. Da genieße ich doch tatsächlich einmal so nüchterne und doch anregende Gespräche. Heute Abend hatte ich einen sehr interessanten Austausch mit der Magnifizenz. Es ging weniger um fachliche Themen, als um den Antrieb unseres Tuns an sich. Wie jemand von dieser Frau nicht beeindruckt und gefesselt sein kann, ist mir unbegreiflich. Sie hat das, was vielen andren fehlt, ein klares und kompromissloses Weltbild. Im Vergleich zu so vielen andren ist sie gefestigt in ihren Ansichten und lässt sich nicht verunsichern. Zur Zeit frage ich mich manchmal wieso mir dies in mehr als einer Situation abhanden kommt. Auf der andren Seite können einem andre Ansichten und Veränderungen auch helfen neue Aspekte mit einzubeziehen. So etwa hatte ich bisher stets den Wunsch mir möglichst viel und umfassendes Wissen anzueigenen, so hat mir das Gespräch heute vor Augen geführt dass man durchaus auch auf einem Gebiet endlos forschen kann, denn, ja es stimmt, Dinge sind nicht perfekt, aber man sollte stets danach streben, und so kann man unendlich lange an einem Bereich lernen und immer neues finden, denn das Wissen an sich ist unbegrenzt. Dennoch denke ich dass ein breites Grundwissen sinnvoll ist.

2 Ansätze haben mich heute sehr bewegt.

„Wenn du mit des Rätsels Lösung nicht unzufrieden bist, hast du nicht groß genug geträumt.“ So eine Aussage klingt nach einer starken Motivation.

Der Gedanke stetige Unzufriedenheit mit seinen eigenen Ergebnissen und Leistungen, ist eine sehr spannende Triebfeder. Sicher gibt es wenig so motivierendes. Allerdings ergibt sich dann tatsächlich eine gewisse Notwendigkeit zu einer ausgleichenden Betätigung die einem die Möglichkeit gibt Druck abzulassen und freudige Erlebnisse zu verspüren. Ich stelle fest dass in mir tatsächlich langsam der Wunsch nach entspanntem Sammeln von Wissen, einem brennenden Ehrgeiz und treibenderem Wunsch nach Mehr, weicht. In diesem Fall wird wohl tatsächlich eine Notwendigkeit bestehen sich einen Ausgleich zu suchen, der mehr bietet als das entspannte Wohlbehagen eines guten Buches.

Nur woher finde ich einen solchen? Bisher hat sich alles was andre als angenehmen Ausgleich empfinden, als für mich nicht geeignet erwiesen.

Nun, ich werde heute wohl keine Antwort mehr finden auf diese Frage.

Daraufhin begab sie sich wieder in den Schlafsaal zurück und fand wohl tatsächlich nun doch ihren Schlaf.
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RE: Tagebuch einer Wissbegierigen - von Saturia Ansua - 01.12.2013, 23:39



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