Götterreisen
#12
Eine schlaflose Nacht lag hinter ihr. Die Ereignisse des vorangegangenen Abends hatten ihr die erholsame Ruhe verwehrt. Immer wieder kreisten ihr düstere Gedanken durch den Kopf:

"Annullierung der Ehe! Ketzerei! Blasphemie! Kerker! Verbrennung!

Was blieb, ausser Flucht und Aufgabe?

Musste sie wirklich alles aufgeben, was ihr wichtig war, um weiterleben zu können? Dabei waren es Menschen wie Konrad Veltenbruch gewesen, die sie ermutigt hatten, genau das zu tun, was sie getan hatte. Sie hatte nicht gefrevelt, ausser ihren eigenen Göttern vielleicht, doch diese hatten sie immer wieder spüren lassen, dass sie nicht von ihnen verlassen war."


Im Morgengrauen des kalten anbrechenden Tages machte sie sich auf zur Statue. Vielleicht würde sie hier die Erkenntnis erlangen, nach der sie in diesen verzweifelten Stunden suchte. Die dunkelste ihrer Schicksalsgötter und die stärkste. Sie kniete nieder, senkte das Haupt und ließ die Geschehnisse ein weiteres Mal Revue passieren.

"Da wagte ein Mann, der sich Hochwürden und Oberhaupt der Kirche nannte, ihr eine Buße aufzuzwingen. Die Frage war nur: Wofür?

Sie waren in die Mine gegangen, um zu sehen, ob dort Erze vorhanden waren und um herauszufinden, was diese armseligen Kreaturen, die sich man allgemein als Räuber bezeichnete, dort hielt. Und ihnen war ein Kind in die Hände gefallen, ein Junge, der nur knapp das Mannesalter erreicht hatte und in seiner Angst kaum imstande war, ihnen genauere Angaben zu machen. Er sprach immer nur wieder von 'dem Zeug', welches ihnen da unten die Krankheiten vom Leibe hielt. Er sprach von einem Magier, oder einem Hexer, der seinem Hauptmann diente. Doch kannte so ein Kind den Unterschied zwischen einem Magier und einem Hexer überhaupt? Und er hatte ihnen erzählt, dass, wenn sie die Mine einfach stürmen würden, 'das Zeug' im See landen würde, an dem Igor sich meist aufhielt.

Wäre es da richtig gewesen, die Kirche zu informieren? Worüber überhaupt? Über vage Vermutungen? Und was wäre das Resultat gewesen? Sie hatte es erlebt, während der Bedrohung durch das mächtige, untote Wesen. Dort war eher mit einem Holzhammer, anstatt mit Feingefühl und Verstand vorgegangen worden. Die Benachrichtigung der Kirche zu so einem frühen Zeitpunkt hätte mit Sicherheit alles ruiniert. Und so hatten sie Sam hinuntergeschickt und sie war erfolgreich gewesen. Zumindest eine kleine Probe 'des Zeugs' hatte sie von dort mitbringen können.

Und genau das wurde ihr nun zum Vorwurf gemacht? Dass sie einer Spur nachgegangen waren? Dass sie erfolgreich waren? Dass es sich vielleicht um ein Heilmittel handelte? Und dass sie die Kirche nicht informiert hatten? Das war unglaublich lächerlich.

Könnte so ein Mensch wirklich die Gnade und den Segen irgendeines Gottes erfahren haben? Konnte es sein, dass dieser Gott des Lichts durch ihn wirkte? Wenn dem so war, dann war Mithras nicht gnädig. Dann war er kein Gott des Lichtes, sondern der Dunkelheit. Dann wurden all die Menschen, die an ihn glaubten getäuscht. Aber warum an einem Gott zweifeln, wenn es doch die Menschen waren, die den Glauben so verzerrten?"


Nachdem sie eine Weile so gekniet hatte, ordneten sich ihre Gedanken langsam wieder.

Sie ging zurück zum Hof und wählte einen jungen, starken Hengst aus, den sie zu Morrigú brachte. Sie tätschelte ihm beruhigend den Hals, während sie mit den Fingern der rechten Hand den Hals entlang fuhr, bis sie den kräftigen Puls des jungen Tieres durch die Adern spüren konnte. Ein kleiner Stich nur, der das Tier kaum aufregte, nur für ein unwilliges Schütteln des Kopfes sorgte und das rote, warme Blut ergoß sich im kräftigen, regelmäßigen Strahl im Takt des Herzens auf den Boden und den Fuss der Statue. Es dauerte nicht lange, bis das Tier müde zusammenbrach, ganz unaufgeregt, als würde es sich schlafen legen. Dann war es vorbei. Mit raschen Schnitten des langen Dolches wurde der Bauch geöffnet und das noch warme Herz aus den Eingeweiden gerissen. Mit beiden Händen hielt sie es hoch, nun selbt blutüberströmt und richtete ihre Worte an Morrigú:

"Herrin, erhöre deine Tochter! Nimm dieses Opfer als Dank für deine Gaben! Als Dank für deine Gnade und deine Stärke! Segne deine Tochter mit Mut und dem Kampfeswillen, dies durchzustehen! Hilf deiner Tochter, den Frevlern den Untergang zu bereiten! Und wenn es Dein Wille ist, Herrin, so erwähle mich als deine Braut!"

Dann legte sie das in der kalten Luft dampfende Herz der Göttin zu Füssen.


[Bild: morrigu3kqo2d.png]
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Götterreisen - von Magdalena - 25.09.2013, 16:21
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