Im Hause Greifenfels
#14



Woodkid - Iron

“Bringst du das Fräulein Cleo wieder zurück?“ Der Blick der Heilerin richtete sich auf ihr Gegenüber, die andere Heilerin: Eirene. Jene nickte zustimmend.
“Und dann kommst du zurück, wir haben einiges zu besprechen!“
“Darauf kannst du dich verlassen!“ Die Mundwinkel der Dunkelhaarigen zuckten in die Höhe, während sie der versorgten Frau von der Bahre half. Dann verließen die beiden das Heilerhaus und ließen Lyanna alleine zurück. Diese machte sich sogleich, wie immer, daran, die Utensilien, welche sie gebraucht hatte, zu säubern und in Reih- und Glied in einer Lade zu verstauen, immer mit Carl Gustavs Worten im Hinterkopf. Sind eure Patienten nicht verunsichert, wenn sie diese Gerätschaften sehen? Sie musste unweigerlich schmunzeln
Als sie alles beseitigt hatte, packte sie die blutigen Bandagen und den Kübel mit dreckigem Wasser, um beides zu entsorgen. Leise vor sich hinsummend, öffnete sie die Türen des Heilerhauses und trat nach draußen – nur um mitten im Schritt zu erstarren.
Man brauchte nicht viel Verstand um die Bedrohung zu erkennen, die von dem halben Dutzend, in braune Roben gekleidete Gestalten ausging, von denen jeder zumindest eine Fackel oder eine Waffe in der Hand trug. Dennoch vermochte sie die Situation noch nicht einzuschätzen – zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt, als eine ihr wohlbekannte Stimme sagte: „Holt die Frau. Und bringt sie ins Haus.“ Sie wusste, dass ihr nicht die Möglichkeit zu einer Flucht blieb – es waren einfach zu viele. Dennoch war es ihr Fluchtreflex, der in dem Moment reagierte und sie auf den Fersen herumwirbeln ließ. Bandagen und Kübel einfach fallen lassend, versuche sie zurück in die Heilerstube zu kommen.
“HILFE! STADTWACHE! HILFE!“ brachte sie noch heraus, ehe eine Hand sich auf ihren Mund legte und sie ziemlich unsanft zum Schweigen brachte. Eine Mischung aus Schweiß und anderen Gerüchen stieg ihr beißend in die Nase. Übelkeit begann sich auszubreiten. Nach Leibeskräften versuchte sich die junge Frau gegen den Griff des Mannes zu wehren. Dann folgte ein dumpfer Schlag, der einen grellen Schmerz durch ihren gesamten Körper zucken ließ und ihr augenblicklich das Bewusstsein raubte. Leblos sackte Lyanna in den Armen des Mannes zusammen.

Als sie wieder erwachte, war die Welt zu einem dumpfen, pochenden Schmerz verkommen, der ihr die Sicht raubte und derart intensiv war, dass sie sich am liebsten auf dem roten Teppichboden des Hauses übergeben wollte. Ein leises Stöhnen glitt über die Lippen der Heilerin, ehe sie die Hand anhob und sich an den Kopf tastete. Jemand schien ihr einen Verband angelegt zu haben, aber dieser war nass. Als sie die Finger vor die Augen hielt, sah sie das Blut daran glitzern. Ihr Körper fühlte sich an wie Blei, jede Bewegung kostete Überwindung. Die Welt war zu einem Karussell geworden, welches sich konstant im Kreis drehte und nicht anzuhalten schien.
Verschwommen nahm sie braunen Stoff wahr. Verzerrte Stimmen. Jemand trat auf sie zu. Sie wich zurück, drückte sich gegen die Wand und hob die Hände protektiv über das Gesicht. Eine Faust traf sie, schleuderte den ohnehin bereits malträtierten Kopf zur Seite und trieb Lyanna erneut an den Rand der Bewusslosigkeit. Ein metallischer Geschmack breitete sich augenblicklich in ihrem Rachen aus. Doch plötzlich änderte sich die Szene. Die wirren Umgebungsgeräusche wurden lauter – der Kuttenträger entfernte sich. Ein Tumult schien ausgebrochen zu sein. Wieder war es reiner Überlebensinstinkt, der Lyanna, entgegen ihrer körperlichen Bedürfnisse, in die Höhe zwang. Alle drei Bewacher – zumindest meinte sie, dass es drei an der Zahl waren, wandten sich von ihr ab. Mit neu gewonnener Kraft – oder einfach nur getrieben durch die schiere Panik – schob sie sich an der Wand entlang zur Türe. Gleichzeitig, wie einer der Vermummten versuchte, auf sie zuzustürzen, fiel sie mit der Türe nach draußen.
“HILFE!“ Sie vernahm ein Fluchen und brauchte sich nicht umzublicken um zu wissen, dass ihre Verfolger die Türe ebenfalls erreicht hatten. Doch zu spät. Eine Wache kam. Hinter ihr vertraute Umrisse. Eine beruhigende Stimme. Zu wenig, sie würden zu wenig sein! Man erhob die Stimmen gegeneinander an – wieder begann ihre Umwelt zu verschwimmen, das konstante Pochen raubte ihr den Verstand. Die kundige Heilerin wusste, dass sie viel Blut verloren hatte und es nur eine Frage der Zeit war, bis sie wieder in die Dunkelheit hinabsinken würde. Eirene redete beruhigend auf sie ein, doch sie verstand nicht. Niemand verstand. Man schenkte ihren kraftlosen Worten keinen Glauben. Sie sah Predragors Umrisse – dieser Bastard. Er hatte sie alle getäuscht. Er und Gavriel waren zu Verrätern der eigenen Familie geworden. Doch derzeit musste sie ihre Kraft schonen – sie hatte das Gefühl, dass sie jene noch mehr als dringend gebrauchen würde.
“Du...musst sie ablenken!“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch Eirene verstand. Sie erhob sich mit einer fließenden Bewegung und trat auf den Mann in Braun zu. Während der andere mit der Stadtwache beschäftigt zu sein schien und Predragor nicht zu sehen war, wandte sich „ihr“ Berobter Eirene – oder ihrem Ausschnitt zu. Sie konnte ihn mühelos in ein Gespräch verwickeln. Männer.
Mit einiger Kraftanstrengung zog sich die Rothaarige auf den Rücken ihres weißen Hengstes. Die unzähligen Stunden, die sie seit Kindesbeinen an in ihrer Heimat auf diesen majestätischen Tieren verbracht hatte, machten sich nun bezahlt. Dennoch verschwamm immer wieder die Sicht, sie wusste, dass ihr die Zeit davonflog.
Die Hände in die Mähne des Tieres krallend, drückte sie die Schenkel an und schnalzte mit der Zunge. Der Grauschimmel machte einen Satz nach vorne und stieß den Braunberobten Mann unsanft zur Seite. Bevor er reagieren konnte, hatte sie sich bereits in Bewegung gesetzt. Die Hände hinterließen blutige Abdrücke auf dem sonst weißen, makellosen Hals des Tieres, als sie ihn unbarmherzig durch die leergefegten Straßen trieb.
Als sie schließlich vor dem Haus der Ganters zum Stehen kam, hing sie nur mehr wie ein nasser Sack Mehl über dem Hals des Tieres, welches nervös aufschnaubte und mit den Hufen scharrte. Türen öffneten sich. Ein Stimmgewirr. Dann rutschte Lyanna einfach von Schnee's Rücken und fiel. Dunkelheit umgab sie. Dann Leere. Wohltuende Stille.




Assassin's Creed Revelations - Theme Song
All the world knew that a maester forged his silver link when he learned the art of healing - but the world preferred to forget that men who knew how to heal, also knew how to kill
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Nachrichten in diesem Thema
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 25.08.2013, 15:51
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 26.08.2013, 20:55
Verletzte Ehre - von Lyanna Ennisfree - 27.08.2013, 20:50
Gedanken - von Bentrion Greifenfels - 05.09.2013, 13:48
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 09.09.2013, 15:00
Der Sturm - von Lyanna Ennisfree - 10.09.2013, 20:54



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