Im Hause Greifenfels
#9
Verschwendetes Potenzial

Corbin Duneata
[by schamlos-geklaut-aus-siege-of-avalon]
[Bild: corbinfinish3wzs8tq4hj.png]
1375 - 1400


Nun schon fast ein voller Wochenlauf war vergangen seit der mysteriöse Zwischenfall im Hause Greifenfels, über den kaum jemand ein Wort zu verlieren hatte, das Leben des Mannes kostete, dessen sterbliche Überreste kläglicherweise noch immer auf ein würdiges Begräbniss warteten.

Im Dunkeln der Nacht betratt Predragor die Halle der Toten. Ein wiederwärtiger Gestank, die Mischung vewesender Materie und modrigen Grufthauches, durchzog die stickige Luft. Hier und da waren ein Parr in düstere Gewänder gehüllte Gestallten zu erkennen, stets in Posen der demonstrativen Trauer verhaarend oder dabei, die ohnehin kaum zu ertragende Atmosphere, durch das Verbrennen irgendwelchen rituellen Räucherzeugs noch weiter zu verpesten.

Corbin Duneata; er könnte nicht behaupten diesen Menschen wirklich gut gekannt zu haben, geschweige denn als Freund bezeichnen. Und doch war der Umgang mit ihm stets von Heiterkeit und einem Gefühl der Verbundenheit geprägt welches kein Anderer bei Predragor hervorrief.

Dieser Mann, ursprünglich aus dem Reiche Galatia stammend, war schon sehr lange in den Diensten des Hauses Greifenfels, und hatte sich mehr als verdient gemacht. Niemals war er sich zu schade die Hände zu beschmutzen, scheute keine Mühen und Zeit. Seine Aufgaben, derren vollen Umfang Predragor kaum im Ganze zu begreifen vermochte, erledigte er immer zuverlässig mit großer Sorgfalt und nicht selten keimte der Gedanke, der Galathaier kennt jeden und alles in Servano. Doch gab es keinen Moment in dem er an seiner uneingeschränkten Treue dem Haus gegenüber zweifeln lies.

Welch Irronie des Schicksals, der fähigste Mann unter dem Banner des Greifen, dazu verdammt Zeit seiner Lebens das Darsein eines Angestellten zu fristen, ohne Ausblick auf gesellschaftlichen Aufstieg und Ruhm.

Mit aufgesetzter Demut, behutsamen und ruhigen Schritten näherte sich Predragor dem in der Mitte des Raumes schlicht aufgebahren Leichnahm. Warf sich theatralisch zu Boden und vollzog, versunkenden Hauptes, die Hände gefaltet, in unangemessen hoher Lautstärke ein traditionelles Gebet.
Nein, um Corbins Seelenheil scherte er sich einen Dreck, sein wahres Begehr war es herauszufinden unter welch Umständen der einst so gefragte Hausknecht und Fährtensucher in die Anderwelt übergegangen war.

Alsbald sich die anfängliche Aufmerksamkeit der wenigen Anwesenden, welche ihm bei dem Betretten der Totenhalle zu Teil wurde, scheinbar gelegt hatte machte er sich rasch ans Werk. Dazu über den verwesenden Kadaver beugend, nutzte er die Gelegenheit um Corbins Torso gezielt und methodisch nach Anhaltspunkten abzutasten, mit seinem äusseren Bewegungsablauf dabei eine sentimentale letzte Umarmung vorspielend.

Schon rein äusserlich deutete ein großer Fleck aus verkrusteten Blut, welcher Corbins altes Gambison im Bauchbereich durchtränkt hatte, auf eine mögliche Todesursache. Offenbar hatte sich keiner die Mühe gemacht den Toten neu zu kleiden, oder irgendeine Art der rituellen Salbung vorzunehmen. So schob Predragor mit einem gezielten Griff seinen freien Arm unter die dichten Lagen aus Leder und Wolle, als wäre er dabei einem Weib unter den Rock zu grabschen.

Nicht ohne einen gewissen Ekel, glitten seine Fingerkuppen über das kalte, starre Fleisch des Verblichenen und stießen schließlich auf eine saubere Wunde von derartiger Tiefe das er nahezu seine gesammte Hand bis zu den Knöcheln darin versenken konnte.

Obgleich Predragor gewiss kein gelerter Medicus war, reichten seine Kenntnisse der Anatomie allemal um verschiedenste typische Verletzungsmuster richtig deuten und zuordnen zu können. Und diese spezielle Art von Wunden war ihm sowohl am lebenden wie auch toten Körpern bestens bekannt. Es bestand kein Zweifel, Corbins Leib war von einer scharfen, metallischen Klinge durchbohrt worden. Alleine diese Verwundung war genug um einen Mann, wenn nicht gleich auf der Stelle zu töten so doch recht schnell und quallvoll dahinsiechen zu lassen.

Sobald er die verzogenen, zerknitterten Kleider wieder zurechtgezupft hatte, wendete sich Predragor dem Haupt des Toten zu. Die Zeit forderte ihren Tribut, und wandelte das wohlbekannte freundliche Gesicht des Galathaiers, in einer scheuslichen Metamorphose der Zersetzung, zur grotesken Totenmaske. Jene genauestens zu betrachten er sich bei der Andeutung eines ruhrseeligen Stirnkusses nun heranmachte.

Die Untersuchung einer Platzwunde an Corbins Stirn gewährte keine eindeutigen Einblicke in die letzten Momente dessen Darseins und lies lediglich eine Reihe von wagen Vermutungen zu. Ein tiefer Sturz? Gezielter Hieb einer stumpfen Waffe?

Was war bloß geschehen in dieser Sumpft der menschlichen Niedertracht und seelischer Hässligkeit, dem Haus des Greifen jenes längst zu einem Bordell verkommen war? Wer hatte Anteil daran dass sich gute, fähige Mannen des Nachts über ihre eigenen Beine stolpernd in spitze Klingen stürzen? Und wer die Schuld?

Nach einem weiteren Augenblick des stillen Gedenkens in erlicher Anteilnahme, falltete Predragor mit Mühe die starren Hände des Toten in der Mitte zusammen, erhob sich keuchend vom Boden und verlies die Halle schweigend auf schnellstmöglichstem Wege. Dabei die anwesenden Fremden um ihn herum keines Blickes würdigend.

Welch ein verschwendetes Potenzial....
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RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 25.08.2013, 15:51
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 26.08.2013, 20:55
Verletzte Ehre - von Lyanna Ennisfree - 27.08.2013, 20:50
RE: Im Hause Greifenfels - von Predragor Greifenfels - 31.08.2013, 15:20
Gedanken - von Bentrion Greifenfels - 05.09.2013, 13:48
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 09.09.2013, 15:00
Der Sturm - von Lyanna Ennisfree - 10.09.2013, 20:54



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