Im Hause Greifenfels
#4
Der bevorstehende Familienabend
Halte dich immer für dümmer als die anderen - sei es aber nicht!


Als Exael blinzelnd die Augen öffnete und sich im Schlafsaal des Herrenhauses umsah lag er alleine da. Die Sonne schien grell durch das Fenster auf welchem sich im unteren Bereich noch Tau angesammelt hatte, woraus er schloss, dass es noch nicht all zu spät sein konnte. Er blieb noch eine Weile auf dem Rücken liegen, den Blick dabei zur Seite gedreht um jene Stelle zu betrachten, an welcher vor wenigen Stunden noch Lyanna gelegen hatte. Schnell verwarf er den Gedanken einfach liegen zu zu bleiben und den Tag einfach vorbeiziehen zu lassen. Statt dessen stand er auf um sich anzukleiden, dabei bemerkte er die wohltuende Stille im Haus. Seit er gestern Bentrion des Hauses verwiesen hatte, war kein anderer zurück gekehrt. So ging er durch den aus Schränken gebildeten Gang zur steinernen Treppe, nochmals hielt er inne und verharrte einen Moment um sich nochmals zu vergewissern, dass er alleine war. Als er kein verdächtiges Geräusch vernahm ging er letztendlich die Treppe hoch in die Wohnstube. Nichts mehr hier oben erinnerte an Bentrions Eskapaden vom vergangenen Abend, lediglich Exaels und Lyannas Holzbecher standen noch an ihren Plätzen sowie die fast gänzlich geleerte Flasche Rotwein. Auch dieses Zimmer war lichtdurchflutet durch die blendende Sonne und auch wenn es aufgeräumt wirke, war die Luft doch vom Geruch des Alkohols geschwängert. So ging er an die südliche Auslucht um das Doppelfenster zu öffnen und sogleich strömte frische Luft in den Raum, welche im Verhältnis zur Wärme im Haus angenehm kühl erschien. Exael schloss die Augen und atmete genüsslich tief ein und aus, dann kreisten seine Gedanken um das Treffen am Abend. Es sollte seit langem das erste Treffen sein, wo alle Mitglieder der Familie aufeinanderstießen. Seine Lippen verformten sich nun zu einem Lächeln, welches volle Vorfreude verkündete. Er wusste, dass viele Dinge zur Sprache gebracht werden würden hatte er doch bereits mit einigen Familienmitgliedern im Vorfeld gesprochen.

Theodor für seinen Teil hat bereits angedeutet, dass er Sythras Stellung und Befugnisse in Frage stellen wird, eventuell würde er auch Lyannas Anstellung und allgemein das Thema Heilerstube ansprechen oder gar anzweifeln? Mir war dies gleich. Theodor hatte ich schon vor zwei Abenden die Zähne gezogen und ihm ein nahezu undurchschaubares Konstrukt präsentiert, welche sowohl Sythras Stellung als auch Lyannas Anstellung und die Eröffnung der Heilerstube rechtfertigt. Ich respektierte Theodor in gewissem Maße, er schadet der Familie nicht und stellt bisher keine Ansprüche und dies obwohl sein Vater derzeit das Familienoberhaupt ist. Er könnte es ja versuchen, doch sei ihm dazu nicht zu raten.

Exael öffnete wieder die Augen und ging zurück zum Tisch um den Rest aus der Weinflasche in seinen Becher zu füllen. Er nahm einen Schluck und verzog leicht angewidert das Gesicht als die rote Flüssigkeit seine Kehle runterrann. Dabei fiel sein Blick auf Venthos Platz

Venthos, der Sohn von Netalion. Einem Säufer der seine Eheweib erschlagen hat und scheinbar hat auch Venthos so einiges abbekommen. Vielleicht war Netalions Frau ebenso eine Säuferin. Es wundert mich, dass ich Venthos zumeist nüchtern antreffe. Doch schien sein Verstand auch im nüchternen Zustand nicht gerade mit großer Geistigkeit gesegnet zu sein. Wie es schien hat er sein Herz an einer Hure aus dem alten Hafen verloren. Doch sei dies nicht genug bringt er diese Frau die ihn wohl bereits mehrfach abgewiesen hat mit ins Haus und beide sind sich völlig uneins wie sie zueinander stehen. Wie Bruder und Schwester sagte einer der beiden, nur dass Venthos sie ab und an, wenn ihre Laune es zulässt, ficken darf. Statt dies alles verdeckt vor der Familie zu treiben, lies er sich vor der gesamten Familie und einigen Angestellten abermals abweisen. Doch das schlimmste war, dass er diesem Freudenmädchen auch noch eines der kostbarsten Erbstücke geschenkt hat und sie es in aller Öffentlichkeit spazieren trug. Am liebsten hätte ich Venthos an Ort und Stelle die Faust ins Gesicht gerammt, immer und immer wieder bis er wieder zur Besinnung kam. Doch ich habe mich mittlerweile recht gut unter Kontrolle. Zwar sprudeln mir die hässlichsten Beleidigungen über die Lippen wenn ich in Rage bin, aber auch dies würde ich bald unter Kontrolle bringen. Für Venthos bringe ich derzeit kaum mehr als Verachtung auf, er benahm sich nicht eines Greifenfels würdig. Doch was sollte man auch erwarten bei diesem Vater. Am heutigen Abend werden seine Worte kaum von Belang sein, vermutlich zerfließt er wieder nur in Selbstmitleid, mal sehen ob er sich an seinen Platz setzt oder wieder auf einen der Bedienstetenstühle.

Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Becher und wendete sich dann um, um an das Schreibpult zu treten. Ein Unüberschaubarer Stapel Hadernpapier lag auf diesem. Kurz überflog er einige Zeilen des Geschriebenen, ehe sein Blick auf die Unterschrift fiel.

Bentrion, Bruderherz. Es ist noch gar nicht lange her, als wir tagtäglich zusammen loszogen um all die Wunder dieser Welt zu erforschen und zu bestaunen. Doch du hast dich verändert oder warst du gar damals nicht der, der zu sein vorgabst? Bist du heute überhaupt der für den ich dich halte? Eifrig wie eh und je bemühst du dich so viele Angelegenheiten zu regeln und so beginnst du viele Dinge und so du den Überblick noch nicht verloren hast, wird dieser Tag kommen. Oder noch schlimmer verlierst du unser Ziel aus den Augen? Ich weiß von einigen deiner Intrigen und ich weiß, dass Politik für dich nicht mehr als ein Spiel ist, welches du nur zu gern spielst zumal du bei Zeiten sehr gut darin bist. Doch weißt du ebenso, dass deine Position bestimmt ist und die Würfel gefallen sind, du bist nicht die Nummer eins. Doch ich lasse dich vorerst gewähren, denn ich werde dich deutlich schneller los als du mich. Reize mich nicht zu sehr Bruder, denn bevor ich irgendwelche Ansprüche zurück stelle lasse ich das Alles hier zusammenfallen.

Exael stellte seinen Becher beiseite und ordnete die Schreiben, einen Stapel Briefe welche an Gavriel gerichtet waren und welche dieser wohl noch nicht in Augenschein genommen hatte legte er sogleich rüber auf dessen Platz am Kopf des Tisches.

Gavriel, mein Onkel und Lehrmeister in vielen Bereichen. Insbesondere jedoch lehrte er mich den Kampf mit der Klinge und Kriegstaktiken. Er ist stets bemüht die Familie mit strenger Hand zu führen, doch gelingt es ihm nicht recht. Dies liegt wohl insbesondere daran, dass wir ihn damals, als mein Vater noch lebte nicht so kennen gelernt hatten. Er war immer der Onkel der alle paar Mondläufe zum Hof kam und Geschenke und Geschichten mitbrachte und immer ein Lächeln auf den Lippen trug. An ihm hängt soviel und er hat eine Menge Verantwortung doch scheint er dieser nicht so Recht gewachsen. Er ist eben ein Söldner, er mag einen Haufen von Kämpfern auf dem Schlachtfeld führen können aber mit so starken Persönlichkeiten wie hier in der Familie hat er seine Schwierigkeiten. Ob er sich bewusst ist, dass ich spätestens wenn wir die Grenze zum Ravinsthal überschreiten meinen Anspruch einfordern werde um ab dann die Geschicke der Familie zu leiten? Ich weiß es nicht, doch weiß ich, dass es das beste für die Familie ist.

Als er die Papiere sorgsam abgelegt hatte schaut er vom Kopf des Tisches zu jedem Stuhl um die Sitzordnung nochmals durchzugehen. Malorns Platz war bereits fest an Sythra übergegangen. Exael hätte nie gedacht, dass einer seiner eignen Brüder zu einem größeren Unnütz wird als seine Cousins.

Sythra Minai, sie ist Bentrions Geliebte. Ist sie Bentrions Geliebte? Er kennt sie nun lange genug und sollte ihr endlich einen Antrag machen oder Gavriel sollte die Ehe beschließen. Aber das war das seltsame. So Bentrion doch immer den Anschein macht, dass er alles kontrolliert und kontrollieren kann, hat er eben sie nicht unter Kontrolle. Sie lässt sich von ihm nichts sagen, sie tut das was sie will, sie ist keine Angestellte des Hauses. Nutzt sie einfach nur den guten Namen des Hauses aus um sich selbst zu bevorteilen? Sie ist völlig Besessen von ihrer Zunft, es ist unglaublich wie hochmütig sie über diese spricht. Der Fall wird hart sein, denn gegen die Jehanns kann sie nicht bestehen. Zumindest nicht ohne uns und ich weiß immer noch nicht wieso ich sie unterstützen soll. Am heutigen Abend, so will ich meinen kann ich jeden Punkt der gegen sie angebracht wird erwidern. Doch will ich das? Oder sollte ich noch zusätzliches Öl ins Feuer gießen? Ich denke ich werde mir vorerst anhören was sie und was Bentrion vorzubringen haben und mich dann entscheiden. Zu gerne würde ich Sythra durch Aria Winterhauch austauschen, auch wenn ich noch nicht viel von ihr weiß, verspreche ich mir von ihr einen deutlich Größeren Nutzen.

Exael lächelte zufrieden. Es gab viele weitere Dinge zu besprechen, doch würden vorerst innere Zerwürfnisse zur Sprache kommen ehe man sich über die Landwehr und dergleichen Gedanken machen würde. Dieses Thema würde er übernehmen. Die Landwehr besteht derzeit aus kaum mehr als Bauern und Handwerker. Die Greifenfels hingegen bestanden nahezu nur aus reinen Kriegern mit entsprechender Erfahrung und Ausbildung. Es wird Zeit, dass diese Landwehr eine entsprechende Führung erhält und die anderen Beteiligten konnten diese kaum stellen. Exael hatte für heute Abend nicht viel zu Befürchten. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, auch wenn er in den vergangen Wochen nicht viel getan hat. Doch dies wird sich nun ändern, denn die Zeit der Depression und Aussichtslosigkeit waren vorbei. Er hatte einen neuen Lebensquell gefunden.

Lyanna, du bist die Unschuld in all der Schuld. Und ich fühle mich schuldig, denn ich ziehe dich in dieses Netz aus Lügen und Intrigen. Halbwahrheiten wohin man hört und entweder man manipuliert oder man wird manipuliert. Ich hoffe ich kann dich, nein ich hoffe du kannst dich vor letzterem bewahren. Ich weiß, dass viele meine Liebe zu dir für nicht gut heißen aber dies ist mir gleich. Du bist es, welche mir die Kraft gibt ohne dich wäre Alles egal. Doch du musst auf dich acht geben, ich muss auf dich acht geben. Du bist zugleich das Licht was mich erstrahlen lässt, als auch mein verwundbarster Punkt. Doch trete ich den Kampf lieber verwundbar an, als ihn gar nicht zu fechten.
All of old. Nothing else ever. Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.
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RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 25.08.2013, 15:51
RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 26.08.2013, 20:55
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RE: Im Hause Greifenfels - von Exael - 09.09.2013, 15:00
Der Sturm - von Lyanna Ennisfree - 10.09.2013, 20:54



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