Wenn der Schattenwind kommt
#2
So viele Ereignisse stürmten auf sie jeden Tag ein. Miri zum Beispiel. Sie wusste nicht, wieso diese hagere Gestalt, die von allem und jedem herum gestupst wurde, sie berührte. Eigentlich hätte sie gedacht, dass nichts wirklich dieses sonderbare Gefühl in ihr wecken könne, nach all dem was sie erlitten hatte. Sie hatte gelernt dieses Leid und den Schmerz zu lieben. Es lag eine Vertrautheit in beidem, die sie kannte und sogar schätzen lernte.
Mitgefühl? Das Wort war ihr fremd.
Aber Miri? Dieses Gefühl sie beschützen zu müssen, war nun eine neue Erfahrung, die sie nicht kannte und die sie verunsicherte, und dieses Gefühl der Unsicherheit hasste sie.
Miri dachte sogar, dass sie eine Nymphe wäre. Damit konnte sie leben, auch wenn sie mit jedem Atemzug deutlich fühlte, dass ihre unbekannte Mutter, die sie einfach Fremden überließ, mit Sicherheit keine Nymphe gewesen war. Beide Elternteile waren ihr unbekannt und das ärgerte sie eine Zeitlang.

Hat nicht jeder das Recht zu wissen, woher er stamme?
Diese Frage beschäftigte sie in ihrer Kindheit. Nun nicht mehr, denn aus Ahnung wurde mit jedem Tag Gewissheit und darauf war sie nun stolz.
Sie hatte ihre eigenen Ziele, die sie unbeirrbar einschlug. Die Schneiderei ging ihr von der Hand und ja sie bemühte sich redlich auch darum sorgfältig und genau zu arbeiten.

Gestern bei dem wunderbaren Fest kam ein weiteres Gefühl an dem Tisch dieser reizenden Familie Veltenbruch hinzu. Familie! Sie fühlte diese Vertrautheit, das Vertrauen zueinander und die Leichtigkeit mit der sie miteinander umgingen. Sie scherzten, zogen sich auf und dennoch war da diese Herzlichkeit, die sie nicht kannte. Aber bisher auch nie vermisst hatte, wieso auch? Was man nicht kennt, dass vermisst man nicht. Es versetzte ihr einen Stich und tat weh dies anzusehen, aber sie hatte gelernt Schmerzen zu lieben, daher war sie zufrieden und dankbar der Familie dafür.
Es wurde spät und im Hause der Jehanns traf sie auf Miri, die wohl einiges von diesem Schnapsgebräu getrunken hatte. Ein Schluck, den Miri ihr anbot, reichte um zu wissen, ich bleibe bei Weißwein. Fürsorglich hatte sie dann Miri zu ihrer Schlafstätte gebracht und insgeheim jenen verflucht, der ihr dieses Gebräu gegeben hatte.
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RE: Wenn der Schattenwind kommt - von Fia Erlenstein - 17.07.2013, 12:30



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