Morgengebet...
#4
Egal zu wem und egal wie laut wir beten, man kann nicht ungeschehen machen, was passiert ist...

Farilda saß mit dem Kopf auf dem Tisch vor ihrem Morgengebet und 'nem Bier.

Am gestrigen Tage war etwas so Schreckliches passiert, dass sie nicht einmal wusste, zu wem oder wofür sie beten sollte... Alles ungeschehen machen fiele ja flach. Das wäre aber genau das Richtige...

Alles fing mit dieser dummen Wette an. Farilda hatte eigentlich schon unzählige dumme Wetten hinter sich.
Einmal hatte sie gewettet, sie könnte sich die rechte Hand abschneiden und sie mit der linken direkt in einen Korb mit Fisch-Abfällen werfen, der da unweit stand. Diese Wette hatte sie damals leider verloren, weil sie mit links eine furchtbare Werferin war.
Ein ander Mal hatte sie gewettet, sie könne ihre Zunge verschlucken und sie hinten rausstrecken. Auch die hatte sie verloren. Man konnte mit warmem Bier einfach nichts runterspülen.
Eigentlich verlor sie immer.

Auch dieses Mal. In mehr als einer Hinsicht.

Der Wetteinsatz war nicht hoch. Wenn man so oft Wetten verlor wie sie, dann wettete man um nichts mehr, das man nicht auch zu geben bereit wäre.

Konstantin wollte an diesem Abend zweimal geküsst werden. Einmal von ihrer Hand und ein zweites Mal von ihren Lippen. Hatte sich aber auch beide verdient. Er war ein guter Rätselrater...
Der erste Kuss war wunderschön. Farilda durfte viel zu selten jemanden ohrfeigen. Ein ehrliches, schnelles Patschen ins Gesicht. Die kurze Berührung, die beiden - der Hand und dem Kinn - bittersüße Schmerzen bereitete. Eigentlich war dieser Moment auch viel zu schnell vorbei.
Der Ausdruck in Konstantins Gesicht nach der Ohrfeige entschädigte sie ein wenig, denn er hätte selbst den bösesten Mithras-Priester zum Schmunzeln gebracht.
Bis zum letzten Moment hatte Konstantin wohl geglaubt, sie würde es nicht tun. Oder nicht so fest. Oder nicht mit Antäuschen. Er war irgendwie überrascht und... wütend.

Das war ja noch der angenehme Augenblick des Abends.

"Oh Mithras, steh mir in dieser dunklen Stunde bei...", flüsterte sie verzweifelt und nahm einen langen Schluck.

Wenn sie an das dachte, was danach passierte, wurde ihr übel.

Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie irgendwo, wo man sie für einen anständigen Menschen hielt. Wo man nichts darüber wissen wollte, wo sie gewesen war und mit wem.
Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie einen Ort gefunden, zu dem die ganz normalen Menschen gehen. An dem sie den normalen Menschen zuschauen konnte, wie sie normale Dinge taten.
Klar, ein wenig Schäkern mit der Schankmaid, aber ansonsten war es so angenehm normal. Daran könnte sie sich gewöhnen. Wenn sie nicht alles kaputtmachte. Den ersten Grundstein, alles zu zerstören, hatte sie bereits gelegt.

Der Dreimaster war kein Freudenhaus. Denn das war gegenüber. Was hatte sie bloß dabei gedacht? Gar nichts! Der arme Herr Veltenbruch! Wollte doch bloß in Ruhe etwas trinken, vielleicht sogar etwas essen. Warum denn aber auch zu dieser Uhrzeit, warum in diesem Moment?
Wäre er eingetreten, als sie Konstantin geohrfeigt hatte, wäre das zwar auch irgendwie peinlich gewesen - aber mehr für Konstantin als für sie. Aber warum ausgerechnet in dem Moment, als sie ihre Hand auf Konstantins Ohr legte und sich vorstellte, im Dunkel stünde ein anderer vor ihr, der sie umarmte?!

Warum musste er mitansehen, wie Farilda den guten Ruf der Taverne mit Füßen trat und einen Gast im Halbdunkel küssen wollte? Ein Gast, der nicht einmal Harl war?
Konstantin schien das nichts auszumachen. Er lachte sogar noch, als Farilda ihm panisch zuflüsterte:
"Das ist ein Veltenbruch! Bei ihnen dürfen sich nur Eheleute oder Geschwister küssen!"
Oooh.. wahrscheinlich hatte Herr Veltenbruch schon alles allen erzählt und würde niemals mehr in den Dreimaster kommen. Die Veltenbruchs wären so entsetzt darüber, dass sie die Verträge mit den Grauwölfen kündigten und niemals mehr ein Wort mit ihnen sprachen! Dabei hatte Farilda doch gerade angefangen, die Veltenbruchs, die elenden, undankbaren Verräter, zu mögen.

Heute wüssten es die Veltenbruchs, morgen die ganze Stadt... und irgendwann ginge niemand mehr zum Dreimaster und sie wäre schuld.
Sie würde den liebreizenden Herren klarmachen müssen, dass Konstantin ihr Bruder war! Aber umarmt man so einen Bruder? Es würde ihr zumindest niemand abkaufen, dass er ihr Ehemann sei. Farilda kam aus einem Waisenhaus. Könnte ja sein, dass er wirklich ihr Bruder war... ja, und in Wahrheit waren Konstantin und Farilda ein verloren geglaubtes Geschwisterpaar der Veltenbruchs selbst.
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Morgengebet... - von Farilda Schwarzbrandt - 11.07.2013, 13:14
RE: Morgengebet... - von Farilda Schwarzbrandt - 15.07.2013, 06:51
RE: Morgengebet... - von Farilda Schwarzbrandt - 06.08.2013, 06:50
RE: Morgengebet... - von Farilda Schwarzbrandt - 16.08.2013, 10:52
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RE: Morgengebet... - von Farilda Schwarzbrandt - 08.10.2013, 21:07
RE: Morgengebet... - von Farilda Schwarzbrandt - 02.01.2014, 03:09



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