Prüfung der Sehnsucht
#2
Meine Großmutter ist eine wunderbare Person. Wirklich. Sie ist liebevoll und herzlich, die beste Köchin der Welt. Ehrlich wahr.
Ich liebe sie wirklich sehr.
Aber nun ist sie einfach zu weit gegangen. Oder war ich selber Schuld? Aber ich konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen und so hatte ich überaus leichtfertig zugestimmt, als sie ihren Wunsch vortrug.

Es war vor vielen Jahren, im tiefsten Winter, der Küchenofen bollerte wohlig warm vor sich hin und es duftete nach dem Eintopf, in dem sie mit geübter Erfahrung, dann und wann rührte.

"Mareichen," - so nannte sie mich immer - "Mareichen, horch mal her, eines Tages wirst du dich in einen Mann verlieben und er wird dir einen Antrag machen und dich heiraten wollen."
Ich weiß noch genau, wie ich von Wort zu Wort skeptischer wurde und nicht ahnte, worauf sie hinaus wollte. Also nickte ich und stimmte zu.
Sie hob wieder an, ihr Blick hatte etwas seltsam intensives angenommen, so dass ich den Ernst der Situation nach und nach begriff.
"Mareichen, dann wird er dich schnell ehelichen wollen, versprich mir, dass du ihn prüfen wirst. Meinetwegen stimme seinem Antrag zu und wenn du dir absolut sicher bist, dass er derjenige welche sein soll, dann prüfe ihn. Drei Tage und drei Nächte soll er fern von dir bleiben! Kommt er zurück eine Stunde vor dem Ablauf der drei Tage und dein Herz springt fast in zwei Hälften, dann ist er der Deine. Für jetzt und für immer. Kommt er aber weit nach dem Ablauf der drei Tage und drei Nächte, dann stoße ihn aus deinem Herzen und lauf..."

Damals schien mir das so leicht und ich stimmte ihr freudig zu, schließlich war sie meine geliebte Großmutter.
Aber jetzt, als der 1. Tag der Trennung sich dem Ende näherte, war mir, als müßte ich für jeden Atemzug Kraft sammeln. Wund war es hinter meinem Brustbein, meine Augen brannten vom heimlichen Weinen und fast hätte ich den Keksteig an die Wand gedonnert und mich auf die Suche nach ihm gemacht.
Keltan, wo bist du? Was machst du? Geht es dir gut? All mein Denken und Sehnen zog zu diesem Mann hin.

Zwei Tage und zwei Nächte sollte ich das nun noch aushalten ohne ihn?
Ach, hätte ich ihm doch erklärt, warum ich auf diese drei Tage bestanden hatte. Stattdessen hatte ich ihn einfach fortgeschickt, mit der schlichten, wie auch unwahren Begründung, wir bräuchten etwas Abstand.

Verflucht und zugenäht, was hatte ich da getan? Er musste doch denken, dass ich ihn nicht mehr wollte. Was für ein Unfug. Und wie ich ihn wollte.

Nun warf ich den Teig zwar nicht an die Wand, aber achtlos in ein Tuch, rollte ihn ein, säuberte mich und riß den Umhang vom Haken.

Ich würde ihm die Erklärung liefern und ihn solange suchen, bis ich ihn gefunden hatte. Danach konnten wir die beiden letzten Tage in Ruhe ausharren und alle wären zufrieden.

Und so rannte ich kopflos in die Nacht hinaus, gen Marktplatz...
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Prüfung der Sehnsucht - von Keltan Landor - 24.06.2013, 17:04
RE: Prüfung der Sehnsucht - von Marei - 24.06.2013, 18:02
RE: Prüfung der Sehnsucht - von Keltan Landor - 30.06.2013, 14:57



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste