Das Fett eines Erhängten
#4
Ein Traum. Nichts weiter als ein böser Traum. Als Reginald seinen Koffer öffnete und sämtlichen Inhalt penibel kontrollierte, fand er das Fläschchen mit der bräunlichen Flüssigkeit unversehrt an seinem angestammten Platz. In Wahrheit war es nichts weiter als eine Tinktur, die man gegen Fußpilz einzusetzen pflegte und abgesehen von dem penetranten Geruch hatte sie mit dem erträumten Mittel nicht viel gemein. Dieses nämlich trug er in einer verkorkten Phiole zu jeder Zeit bei sich, wann immer die Wirkung nachließ und seinen Körper zu verlassen drohte. "Die Geisteskrankheit ist ein treuer Freund des Mediziners, wenn er sie zu kontrollieren weiß .."

Nachdem die letzte Patienten sein Behandlungszimmer verlassen hatte, kontrollierte er sorgfältig alle Räumlichkeiten, verriegelte die Türen und verhängte die Fenster mit dunklen Laken. Nur der helle Schein einer einzelnen Kerze erhellte den Raum, als er den eingewickelten, weiblichen Körper aus seinem Versteck hinter den Holzkisten befreite und auf der Fußbodenmitte in Szene setzte. Reginald genoss den Anblick, gab es doch nichts was einer Frau besser zu Gesicht stand als der Tod. Die Sanftheit, die Ruhe, die Endgültigkeit. Trotz allem musste er sich eilen, denn die ersehnten Zutaten würden nicht mehr lange frisch sein und so verabschiedete er sich mit einem Kuss auf ihren Lippen, ehe die Messer gewetzt und in das bleiche Fleisch getaucht wurden. "Es war mir eine Freude, Marianna."
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Das Fett eines Erhängten - von Gloria Ganter - 16.05.2013, 15:18
RE: Das Fett eines Erhängten - von Reginald Loewi - 22.05.2013, 01:59



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