Dämonengeflüster
#2
"Na, haben wir uns verlaufen?"
Yarano hob den Blick und sah in das Gesicht einer Frau, deren Antlitz schon Äonen an Jahren vorbeiziehen hatte sehen. Sie musterte ihn mit wachem Blick. Ihr teilweise zahnloses Grinsen machte ihm regelrecht Angst.
"Nein, ich habe nur etwas gesucht", erwiderte er kurz angebunden und wollte sich schon wieder auf den Weg machen.
"Mir scheint jedoch du hast es noch nicht gefunden", rief die Alte hinter ihm her. Der Unterton in ihrer Stimme klang, als wüsste sie mehr, als man ihr vielleicht ansah. Yarano drehte sich noch einmal um. Unter den klatschnassen Haaren, die ihm tief ins Gesicht fielen, hob er fragend beide Brauen.
Kaum hatte sie seine Aufmerksamkeit, da pflückte sie einen Stapel Karten aus den weiten Falten ihres Kleides. Es schien sie nicht weiter zu stören, dass der Regen diese befeuchtete. Alles in allem wirkte sie auffällig trocken, dafür das sein Gewand schon bis auf die Haut durchnässt war.
"Soll ich dir die Zukunft vorhersagen mein Lieber?"
Ihre geradezu vertraute Art reizte Yarano. Zwar war er Höflichkeit nicht unbedingt gewohnt, jedoch tat sie geradezu, als würden sie sich schon lange kennen.
"Wie viele Heller soll mich das denn kosten?"
Erneut grinste sie, diesmal geradezu herausfordernd.
"Für's erste Mal ist das kostenlos."
Er verschränkte die Arme vor der Brust. Vertrauen würde er ihr nicht, aber was hatte er schon zu verlieren?
Sie mischte die Karten und zog scheinbar wahllos drei daraus hervor.
Die mittlere hielt sie ihm entgegen. Sie zeigte ein Eichhörnchen.
"Das ist deine Gegenwart. Du bist auf der Suche, ständig bemüht darum Stück für Stück die Lücken deines Gedächtnisses und deiner Herkunft zu erfahren. Doch zu tappst im Dunkeln, nicht wahr?"
Er wollte gerade etwas darauf erwidern, da zog sie die vorderste Karte hervor, zeigte sie ihm aber nicht. Sie warf nur einen kurzen wissenden Blick darauf, ehe sie sie mit dem Eichhörnchen im Stapel verschwinden ließ.
"Deine Suche soll zum Erfolg führen und dir die Vergangenheit aufdecken, sofern du lange genug dafür lebst."
"Was war das gerade eben für eine Karte?!" Energisch trat er auf sie zu und wollte den Stapel an sich nehmen. Sie hatte ihm gerade eine für ihn wichtige Information vorenthalten, dessen war er sich sicher.
Sie wich für ihr Alter auffällig schnell zur Seite und hielt ihm die letzte Karte entgegen. Auf ihr prangte eine tiefschwarze Katze.
"Deine Zukunft. Du solltest auf deine Füße achten." Lachend strich sie die Karten wieder ein und machte sich auf den Weg davon.
Für einen Moment stand Yarano nur perplex da, doch kaum war sie um die Ecke gebogen, rannte er ihr nach.
"Warte! Was soll das... "
Und schon lag er am Boden. Zu seinen Füßen stand eine Katze, schwarz wie die Nacht - darum musste er sie übersehen haben. Während er sich mühsam und mit schmerzenden Gelenken aufrichtete, schien sie keinen Kratzer davon getragen zu haben.
"Blödes Mistvieh", fluchte er noch, als er einen Zettel zu ihren Füßen fand. Eine geheime Nachricht der Wahrsagerin?
Gerade wollte er danach greifen, da rannte die Katze wie vom Donner gerührt los. Das Stück Papier hatte sich mit ihren Krallen verhakt. Yarano schaffte es kaum mit ihr Schritt zu halten. Sie jagte ihn durch die engsten Gassen, quer durch das Armenviertel. Irgendwann ging ihm endgültig die Luft aus und er musste keuchend innehalten.
Ein Windhauch fegte ihm einen weiteren nassen Schwall Wasser und ein blutiges Stück Pergament entgegen.
"Was zum ..."
Die Schrift darauf war kaum noch auszumachen. Irgendwas von wegen Kreuztaverne und dunkle Gestalten. Die Nachricht war auf jeden Fall nicht an ihn adressiert. Je länger er dastand und das Blatt musterte, desto mehr verwischte sich dessen Schrift. Schließlich warf er es mit einem Seufzer davon.
Zur Kreuztaverne also...

Am nächsten Tag machte er sich schon früh auf. Die Kreuztaverne schien ein gewohnter Treffpunkt für Reisende und Abenteurer. Schnell fand Yarano jemanden, der ihm den Weg beschreiben konnte.
Die Taverne lag scheinbar verlassen vor ihm. Sollte er hineingehen? Von außen hin machte sie einen ordentlichen Eindruck.
Was hatte er sich überhaupt dabei gedacht hierher zu kommen? Vielleicht war es auch Zufall, dass die Katze diese Nachricht bei sich hatte.
Aber woher wusste die alte Frau dann soviel über ihn?
Nachdenklich wanderte er um das Gebäude herum. Da entdeckte er plötzlich eine Kröte, deren Eingeweide herausgerissen waren. Der Anblick ekelte ihn dermaßen an, dass er sich beinahe erbrach. Nur mit Mühe konnte er seinen Mageninhalt bei sich behalten.
Wer konnte nur etwas derartig scheußliches mit diesem Tier anfangen? Vorsichtig tippte er die Kröte mit seinem Wanderstock an. Offensichtlich hatte sich jemand regelrecht Mühe gegeben, das Tier möglichst lange leiden zu lassen. Seine Glieder waren derartig verkrümmt, es musste ein langer Todeskampf gewesen sein.
"Schon wieder einer dieser verdammten Spitzel", hörte er noch hinter sich.
Dann spürte er einen kurzen harten Schmerz am Hinterkopf und die Welt wurde schwarz um ihn herum.

Als er wieder aufwachte, befand er sich in einem Raum, vollgeräumt mit Fässern, Truhen und allerlei sonstigem Krimskrams. Ein durchdringender Geruch nach Wein erfüllte die Luft. Er wollte sich gerade erheben, da drückte ihn eine kräftige Hand zurück auf die längliche Kiste, auf der er gebettet war.
"Soll ich ihm noch eine verpassen? Erledigen wir ihn, bevor er noch Metzchen macht!", hörte er eine raue Männerstimme am Rande seines Bewusstseins.
"Nein warte noch", mischte sich eine bestimmende Frauenstimme ein.
Ein brauner Haarschopf strich über sein Gesicht. Yarano blinzelte mehrmals, bis das Bild vor seinen Augen aufklarte und er das ein durchaus hübsches, wenn auch etwas grobes weibliches Gesicht ausmachte.
"Alles in Ordnung?", fragte sie in sachlichem Ton.
Yarano fühlte sich viel zu benommen für einen Fluchtversuch. Er versuchte ruhig zu bleiben und brachte ein gequältes Grinsen zustande.
"Den Umständen entsprechend."
"Gunther hat dich ganz schön heftig erwischt, was? Er kann manchmal ein ganz schöner Grobian sein." Eine Sorgenfalte erschien auf ihrer Stirn, während sie seinen Kopf befühlte.
"Er ist ein Spion! Zu denen kann man gar nicht brutal genug sein. Stellen wir ihn jetzt kalt? Er hat schon viel zu viel gesehen!"
Die Frau schüttelte den Kopf und machte eine fortscheuchende Handgeste.
"Ich mache das schon Gunther. Wie wärs wenn du draußen nach dem Rechten siehst?"
Er wollte zuerst aufbegehren, doch ein vernichtender Blick der Frau brachte ihn zur Raison und er zog von dannen.
Sie wendete sich erneut Yarano zu, der mittlerweile soweit bei Bewusstsein war, dass er seine Umgebung nach seinem Stab absuchte. Derweil musterte sie ihn ganz genau. An dem Gürtel der Frau machte er eine längliche Klinge aus. Ohne irgendeine Bewaffnung stünde es schlecht um ihn.
"Du hast nicht die Augen einer dieser Gardisten. Da steckt doch mehr dahinter."
Sie schloss die Augen und schien sich zu konzentrieren. Gerade wollte Yarano diese Chance nutzen und nach ihrer Waffe greifen, da legte sie ihre Hand auf seine Stirn. Er hielt in der Bewegung inne, als er ein ungewohntes Kribbeln verspürte.
"Was... tust du da?"
Das leicht ungute Gefühl verstärkte sich, bis es fast zu einer Pein wurde. Erschrocken wich Yarano zurück, worauf sie mit einem Lächeln die Augen öffnete.
"Du spürst es also?"
Er nickte nur schwach.
"Dann hat deine Suche nun ein Ende."
Yarano hob eine Braue und nahm abwehrend die Hände vor die Brust. Wahrscheinlich würde sie ihn jetzt auf der Stelle erledigen.
"Du bist Zuhause angekommen, Hexer."
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Dämonengeflüster - von Yarano - 12.05.2013, 13:54
RE: Dämonengeflüster - von Yarano - 18.05.2013, 21:52
RE: Dämonengeflüster - von Yarano - 22.05.2013, 06:50



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