Dämonengeflüster
#1
Der Abend verlief gut, besser als erwartet.
Yarano hatte es nicht nur geschafft, sich bei einer gutbürgerlichen Familie ein Abendessen zu erschleichen, nein nun saß er sogar an einem Spieltisch und war drauf und dran sich das Geld für einige weitere Mahlzeiten zu verdienen.
Die Würfel schienen seinem Willen regelrecht zu gehorchen - vielleicht war es aber einfach nur pures Glück. Geradezu nachlässig schüttelte er den Becher, ließ die zwei Würfel über den Tisch rollen und erneut zwei Sechsen.
"Potzdonner Fiedler! Ist das denn die Möglichkeit?!", meinte Aron, der es mittlerweile schon bereute den Unbekannten zu einem Glücksspiel mit seinen Freunden eingeladen zu haben.
"Einen guten Spieler hast du uns da mitgebracht Aron", sagte einer seiner Freunde, dessen Stirn sich in immer merklichere Falten legte.
"Langsam glaube ich fast unser Freund hier hat etwas zuviel des Glücks", ergänze der Dritte.
Die Stimmung verschlechterte sich von Spiel zu Spiel merklich. Die Männer, die kaum das Geld besaßen, um es munter aus dem Fenster zu werfen, hatten an diesem Abend wohl auf ein ausgeglichenes Spiel gehofft. Yarano musste vorsichtig sein. Die Zeiten waren rau und allzu schnell wurde man als Tunichtgut oder gar als Hexenmeister bezeichnet.
Aber was sollte er schon gegen sein Glück tun?

"Nun die Herren, vielleicht sollten wir das Spiel für heute beenden. Ein andermal mag das Glück wohl in eurem Schoße liegen", versuchte Yarano sich von der Spielgemeinschaft zu befreien.
Aber die drei schienen nicht gewillt ihn mit ihrem Geld davonkommen zu lassen.
"Eine Runde noch mein Freund Fiedler - noch einen Versuch", sagte Aron, während er einen tiefen Zug aus seinem Bierkrug tat.
Für Yaranos Geschmack hatte der Mann schon um einiges zuviel getrunken, was seine Ängste, dass er beim nächsten Spiel zu den Fäusten greifen könnte nicht gerade verminderte.

Die Drei ließen nacheinander die Würfel rollen. Bereits jetzt hatte Aron das niedrigste Ergebnis, dafür jedoch der Freund zu seiner Rechten eine Elf.
"Und nun du."
Aron fixierte ihn mit ernstem Blick. Er hatte die Runde schon verloren. Seine Frau würde - so wie Yarano sie einschätzte - ihn dafür aufs Bitterste verfluchen. Nun suchte er wohl nach einer Gelegenheit seinen Zorn darüber loszuwerden.
Zögernd nahm Yarano den Becher in die Hand. Seine Finger schwitzten vor innerer Unruhe, sodass ihm dieser fast entglitt.
"Nervös?", fragte der Mann mit der 11 herausfordernd.
"Nicht die Spur." Yarano versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. Nun nur nicht wieder eine 12. Er musste dieses Spel verlieren und dann zusehen, dass er Land gewann.

"Warum zögerst du Yarano? Angst erneut zu gewinnen?", trat eine ihm wohlbekannte schmeichleriche Stimme in seine Gedanken. Eine Stimme, die ihm schon oft geschmeichelt hatte, versucht hatte ihn zu verführen. Gleichzeitig mischte sich das Bild einer Frau seines Alters in seinen Kopf. Feuerrotes Haar, gleich der Farbe ihrer Pupillen rahmte ihr schlankes Gesicht ein. Sie trug ein wallendes Kleid mit einem verführerisch tiefen Ausschnitt, der den Blick auf ihre wohlproportionierten Brüste teilweise freigab. Hätte ihre Anwesenheit nicht ein schleichendes Gefühl der Gefahr mit sich gebracht, so wäre Yarano ihr wohl schnell verfallen.
"Verschwinde aus meinen Kopf!"
"Och deine Missgunst vergrämt mich. Dabei waren wir doch so tief verbunden, als du noch ein Kind warst. Und wem glaubst du verdankst du deine glückliche Hand?"
"Ich kenne dich nicht!"
"Du lügst. Wenn du nur den Namen Larissa vernimmst, geht ein Zittern durch deinen Körper. Erinnere dich endlich!"


Yarano stellte den Becher ab und presste die Hände auf die Ohren. Die Stimme verschwand.

"Alles in Ordnung Fiedler?"
Die drei Männer sahen ihn mit teils besorgter, doch vielmehr misstrauischer Mine an.
Yarano wischte sich den Schweiß, der sich auf seinem Gesicht gebildet hatte ab und versuchte gezwungen zu lächeln.
"Alles bestens, ich fürchte nur nun mein erstes Spiel zu verlieren."
Er lachte gekünstelt, worauf die drei einstiegen - die Situation entspannte sich wieder.
Ohne weiter darüber nachzudenken, schüttelte er den Becher und warf die Würfel. Sein bisher schlechtester Wurf: 7.
"Tja damit geht diese Runde wohl an euch."
Aron schien regelrecht enttäuscht über dieses Ergebnis. Yarano bemerkte wie dessen Halsschlagader merklich pulsierte. Zeit zu gehen.
"Tja das Glück hat dich wohl verloren Fiedler", meinte der Mann zu dessen Rechten und strich den Gewinn ein.
"Mann kann eben nicht immer gewinnen", antwortete er unbekümmert und erhob sich. "Ich werde dann mal besser gehen, bevor ihr mir noch alles Geld aus den Taschen zieht."
Yaranos Blick wanderte zu dem Würfelbecher, auf dem sich merkliche Brandspuren abzeichneten, seitdem er ihn in der Hand gehalten hatte. Noch war es keinem der anderen aufgefallen, zu sehr waren sie auf ihn fixiert.
Nach einer kurzen Verabschiedung und Glückwünschen für das weitere Spiel, verließ er geradezu fluchtartig die Gesellschaft. Ein paar Gassen weiter, ließ er sich in einer Nebenstraße zu Boden gleiten. Und sofort war sie wieder da, diese Stimme.

"Und wieder schuldest du mir etwas", sagte sie in genüsslichem Tonfall.
"Ich schulde dir gar nichts!"
Larissa verschränkte die Arme, alle Freundlichkeit war aus ihrem Gesicht gewichen.
"Wie oft habe ich dir aus der Patsche geholfen? Ohne mich wärst du schon lange am Ende. Ich hätte dich töten können, wie deinen Vater. Vergiss nicht, was er getan hat, vergiss nicht seine Schuld, die du für ihn abbauen musst!"
"Meine Eltern sind in einem verheerenden Brand gestorben!"
Sie lachte höhnisch auf. Ihr Gesicht verzerrte sich mehr und mehr zu einer dämonischen Fratze, bar jeglicher Menschlichkeit.
"Früher oder später werde ich zurückkehren. Sein Werk wird nicht von Dauer sein. Entscheide dich, auf wessen Seite du stehen wirst, bevor es auch für dich zu spät ist. Akzeptiere was du bist und höre auf dich hinter einem Decknamen zu verkriechen. Entflamme das Feuer in dir!"
"Ich bin der Sohn eines Bauers! Nichts weiter!"
"Du bist ein verdammter Narr!"


Die Stimme verließ seinen Kopf so schnell wie sie gekommen war und hinterließ heftige Kopfschmerzen.
Yarano sank auf die Knie, seine Hände hatte er zu Fäusten geballt. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Von seinen Händen stiegen kleine Dampfwölkchen auf, kaum das die Tropfen sie berührten. Er vermischte sich mit dem steten Strom an Tränen, die aus seinen Augen rannen.
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Dämonengeflüster - von Yarano - 12.05.2013, 13:54
RE: Dämonengeflüster - von Yarano - 18.05.2013, 21:52
RE: Dämonengeflüster - von Yarano - 22.05.2013, 06:50



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