FSK-18 Tagebuch eines Monsters
#2
 II.                 Episode – Instinkt

Das gemeinsame Ziel der Kontrolle über den Wolf verknüpfte uns fünf wie ein unsichtbares Band. Wir waren ein Rudel, auch wenn es keiner direkt aussprach. Wenn es etwas zu beschließen gab, waren gewisse Stimmen lauter als die anderen. Schlussendlich setzte sich die meine durch. Warum war mir damals rätselhaft. Mittlerweile ist mir klar, dass es mein Instinkt war, der mich von den anderen abhob.
Mit der Wandlung hatte ich das animalische Verhaltensmuster nicht entwickelt, es wurde nur verstärkt. Gewissermaßen steckten die Eigenschaften bereits seit geraumer Zeit in mir. Der Wille meine Artgenossen zu schützen, vor allem die Schwächsten. Der Wille zu lehren und zu leiten. Der Wille mein Rudel geeint zu halten. Der Wille meine Kammeraden zu nähren und gesund zu halten.
Dieses Bewusstsein wurde durch den Fluch und den erlangten, wölfischen Teil genährt und gekräftigt. Mit jedem Vollmond, den wir gemeinsam auf die Jagd gingen, akzeptierten die anderen mich mehr. Mein Handeln wurde anerkannt, gar adaptiert, da es sich in unserer Wolfsform richtig anfühlte. Während die anderen sich bemühten, gar zwangen an ihrer menschlichen Form und ihren menschlichen Gefühlen festzuhalten, gab ich mich dem Wolf hin. Dadurch, dass ich ihn nie in einen Käfig zwängen wollte, hatten wir keine Meinungsverschiedenheiten und wir gingen Hand in Pfote.
Die Unternehmungen im Rudel erwiesen sich als einfach, wenn ich mich auf meine Instinkte verlassen konnte. Die anderen Mitglieder meines Rudels konnten sich auf mein Handeln verlassen und ihre Energie für anderes aufsparen. Sie hatten jemanden, der die Richtung vorgab und damit trug ich die Last der Verantwortung für sie mit.
Jagen erwies sich als leicht. Ich wählte das Ziel und die restlichen Wölfe formieren sich nach meiner Vorgabe. Fokussieren, annähern, umzingeln und zuschlagen. Als die Beute erlegt war und die anderen entsprechend konditioniert, war es mir vergönnt das beste Stück Fleisch zu wählen, bevor sich die Übrigen an der Beute zu schaffen machen.
Wir stießen auch auf Menschen, die bei unserem Anblick entweder die Flucht ergriffen oder uns attackierten. Im Falle von Aggressivität war es meine Aufgabe, die Nuancen zu erkennen. Ich kann anhand des Verhaltens des Menschen sehen, ob er zur Gefahr für sich selbst oder uns wird. Je nachdem muss ich einen Rückzug in Erwägung ziehen oder den Waghalsigen zur Flucht zwingen. Eine Jagd mag verlockend sein, aber nicht um jeden Preis. Vor allem nicht wenn unser Gegenüber eigentlich ein Freund ist und die animalische Wut das Erkennen überlagert.
Aber am deutlichsten macht sich die Auswirkung meiner verstärkten Instinkte bei meinen körperlichen Empfindungen bemerkbar. Das andere Geschlecht wirkte fast so verlockend auf mich, wie ein angeschlagenes, verwundetes Reh, das ich durch den Wald jagen kann, um es zu erlegen. Der Umstand führte dazu, dass ich die Wölfin zu meiner Gefährtin des Waldes wählte, ob mein menschliches Bewusstsein das mochte oder nicht. Sie stand in meiner Rangordnung über den anderen Rudelmitgliedern und meine Anerkennung ihrer Person führte unwiderruflich zu einer gegenseitigen Anziehung.
Sie hatte keine Wahl, außer sich mir zu unterwerfen. Obwohl das grob klingt, war es für sie keinerlei Strafe. Wir waren durch unser animalisches Bewusstsein wie elektrisiert. Sie reagierte auf meine Körpersprache, auf mein Knurren, auf meine Berührungen. Und ich reagierte auf ihren Geruch, ihre weiblichen Bewegungen und das schützenswerte, filigrane Sein ihrer Weiblichkeit. Streng genommen war sie nicht mein Typ Frau. Ich bevorzugte seit jeher brünett und geheimnisvoll. Sie war blond, aufgetakelt und leicht zu durchschauen. Entsprechend leicht fiel es mir sie zu verführen, falls die Notwendigkeit überhaupt bestand. Denn es fühlte sich vielmehr an, als wäre sie dafür bestimmt.
Die Schreiberin war die erste, die meine Kraft und Selbstkontrolle als Vorteil ansah und die anderen davon überzeugte, dass ich einen guten Anführer abgeben konnte, wenn auch auf Bewährung. Niemand wollte das unbedingt aussprechen, denn dafür waren sie zu stolz und zu sehr menschlich in ihrem Denken. Es aufzusprechen würde bedeuten, dem Wolf nachzugeben. Sie erhielt meine Anerkennung für ihre Loyalität und durfte die Felle mit mir teilen.
Jedoch war das keine willentliche Entscheidung. Es geschah einfach. Nach einer besonders aufreibenden Vollmondnacht, lag sie erschöpft neben mir und eines führte zum anderen. Sie konnte die animalischen Instinkte, die ich in ihr auslöste nicht zurückhalten. Ich wäre ein Narr zu behaupten, dass ich vom Aussehen oder meiner Art den anderen Männern unseres Rudels etwas voraushätte, aber sie entsprachen – zu meinem Glück – einfach noch weniger ihrem Beuteschema. Ich war in Löwenstein gewissermaßen berüchtigt und angeprangert. Gefahr ging von mir aus, wie ein unsichtbarer Schirm.
Wir hielten uns nicht zurück, weder vor den anderen, noch vor unseren Wölfen. Auf skurrile Weise entwickelte sich die körperliche Lust in unserer Wolfsform. Aber ein Akt als Tier war für uns beide unverständlich und gewissermaßen abstoßend. Wir tobten zusammen als Wölfe und ich demonstrierte ihr, dass sie sich mir unterwerfen musste. Sie offenbarte mir die blond schimmernde Fellkehle und ich inhalierte dort ihren Duft. Mein kräftiger Tierkörper landete auf dem ihren und drückte sie zu Boden. Ehe wir uns versahen wurden aus Pfoten Hände, aus Mäulern Lippen und aus Fell Haare. Die Verwandlung vollzog sich rasch und bemerkenswert schmerzlos. Eine Erfahrung, die vorher gern mit brechenden Knochen und brutal zurechtrückenden Gelenken verbunden war. Es lehrte uns, dass wir auf unseren Instinkt vertrauen sollten.  
Selbst in der menschlichen Form erhielten wir das Ringen um Kontrolle bei. Sie genoss es – wie so viele vor ihr – von mir dominiert zu werden. Sie reckte das Kinn und offenbarte die weiche, verletzliche Haut ihres Halses. Ich beschnupperte sie erneut und ihr Geruch brachte mich in Fahrt. Nie zuvor hatte ich Unterwürfigkeit gerochen und geschmeckt. Ich konnte spüren, wie sie sich spielerisch unter mir wand, aber ihr Geist lechzte nur nach animalischer Befriedigung. Es war grausam wie einfach es sich herausstellte, mit ihrer Lust zu spielen. Jede ihrer Bewegungen war wie ein offenes Buch. Ich spürte und wusste wie weit ich sie treiben konnte, ohne ihr die Erleichterung zu schenken und es treib sie schier in den Wahnsinn, als ihr das bewusst wurde.
„Du bist dafür geboren“ fluchte sie in Ekstase. Ich erlöste sie von ihren Qualen und zeigte ihr im gleichen Zug, weshalb sie die richtige Entscheidung mit mir getroffen hatte. Der ganze Wald konnte ihre überwältigten Lobhymnen hören, als sie mir lauthals zustimmte.
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Tagebuch eines Monsters - von Narbenauge - 22.03.2020, 10:44
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